[spectre] n0name newsletter #99

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Thu Dec 28 00:25:36 CET 2006


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Kritiker einschalten!

n0name newsletter #99 Mo., 18.12.2006 20:18 CET

*Inhalt/Contents*

1. Nick. _Roman_ (Fortsetzungsroman) Teil 63
2. "How to organize?" ?
   ein 2. mal gelesen/geschrieben, um nicht Kraehe zu spielen
3. Rezension von Sabine Nuss. _Copyright & Copyriot_ 5

31 KB, ca. 10 DIN A4-Seiten

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1.

Nick. _Roman_ (Fortsetzungsroman) Teil 63

Roman hebte langsam langsam vom Boden ab.
Vorne war nicht mehr vorn und oben nicht mehr oben. Es drehte sich 
aber auch nicht alles. Es war ein Zustand, der nichteinmal mit  
Schwerlosigkeit vergleichbar war.

Teil 64 im n0name newsletter #100

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2.

"How to organize?" ?

ein 2. mal gelesen/geschrieben, um nicht Kraehe zu spielen

Im n0name newsletter #92 (http://www.n0name.de/news/news92.txt) 
fragte ich "Warum und was also organisieren? Das bessere 
basisdemokratischere Symposion oder den unausbeuterischeren Kultur 
e.V.?" und verwies auf einen der Robin Hoods dieser Stadt Berlin, die 
selbstlos fuer die Erstreitung einer subventionierten Kleinkultur 
texten und anschaffen.

Genaugenommen haben Pit Schultz und Thorsten Schiling 1998 gegen 
Subventions-Kolosse angeschrieben. Und um jetzt nicht Kraehe zu 
spielen, hacke ich mal Augen aus. Thorsten Schiling, laut der 
Autorenuebersicht im Buch[1] damals noch "Projektentwickler und 
PR-Berater" und mit Pit Schultz Hybrid Workspace-Veteran der 
documenta X. Die gleichen (nicht dieselben, da man sich ja veraendern 
darf) Persoenlichkeiten also, die heute die Masse (den Kuchen) 
monetaer und ideologisch mit anderen unter sich aufteilen, opponierten 
damals scheinbar gegen das boese Establishment der grossen Haeuser.
Dabei legten beide ihre programmatische Blaupause fuer die nun zu 
subventionierende Szene damals offen: Geld fuer die flexiblen 'freien' 
kleinen halbprivilegierten Selbstausbeuter der digitalen Klasse. 
Umverteilung, neue Seilschaften, Community Building, radikaler 
Lovinkscher Pragmatismus, zwischen Staat und Firma, Transitraum als 
setteled Status Quo, reduktionistische Monopolisierungsperpektive, 
neo-kleinkapitalistische Scheisse.

n0name zitiert den ganzen Text in kuenstlerisch vEraRBeiteTer fOrm um 
dem Recht der Urheber zu entgehen im naechsten n0name newsletter!

...

NEUE TAKTIK: der Text kommt sofort als Zitat in die Fusznote[2].

Und wer sagte nochmal: "Wie muss der Musikmarkt gestaltet werden, wenn 
er eine Zukunft haben soll? Bezahlmodelle wollen wir ja nicht 
verhindern."

Wie man den Kredit fuers Eigenheim, das bisschen Bankkonto, sein Herz 
und die verstreichende Lebenszeit auf Arbeit wie auf einer Laufkugel 
der computerisierten Arbeit artistisch balanciert, ist simpler Alltag. 
Denn *jede* Lohnarbeit ist prekaer! Alles andere ist keine 
kapitalistisch relevante Mehrwert schaffende Arbeit sondern dafuer 
noetige Reproduktion.

Warst du bei "How to organize?" in der Oranienstraße? Hast du die 
"Organisierung der Unorganisierbaren" mitbetrieben? Oder waren da 
gar keine Unorganisierten, waren die nicht alle laengst in Vereinen, 
kurz mal vom Antragstisch auferstanden. Hatten sie "dafuer Zeit" 
gefunden? Oder wurde per Boykott die NGBK, einer der groeszten 
linken Arbeitgeber (laut Leonie Baumann 10 Ausstellungen im Jahr mit 
hochmotivierten jungen Kraeften) der Kunststadt, sabotiert? Oder warst 
Du bei den sich als prekaer entdeckenden Symbolverarbeiterinnen, die 
den pluralistischen Kampf gegen Lohndrueckerei machen? Warst du eine 
wilde polemische Katze?
_____
[1] Thomas Krueger (Hg.). _Die bewegte Stadt: Berlin am Ende der 
Neunziger_. Berlin: FAB Verlag, 1998.
[2] "„Die Stadt hat in der ersten Zeit noch hundert Grenz-
    barrieren. Doch eines Tages sind das Tor, die Kirche, die 
    Grenze einer Gegend waren, unversehens Mitte. Nun wird 
    die Stadt dem Neuling Labyrinth. Straßen, die er weit 
    voneinander angesiedelt hat, regt eine Ecke ihm zusam-
    men, wie die Faust eines Kutschers ein Zwiegespann. Wie 
    vielen topographische Attrappen er verfällt, ließe in seinem 
    ganzen passionierenden Verlauf sich einzig und allein im 
    Film entrollen: die Großstadt setzt sich gegen ihn zur Wehr, 
    maskiert sich, flüchtet, intrigiert, verlockt, bis zur Erschöpf-
    ung ihre Kreise zu durchirren. [...] Am Ende aber siegen 
    Karten und Pläne: abends im Bett jongliert die Phantasie 
    mit wirklichen Gebäuden, Parks und Straßen.”
    Walter Benjamin
    
    STADT, LAND, DATENFLUSS 
    BERLIN IM NETZ - EIN STREIFZUG
    VON THORSTEN SCHILLING UND PIT SCHULTZ
    
    Bildschirmfensterreflektionen
       
    Berlin im Netz — parallele Stadt? Die Stadt hat eine weitere 
    Dimension bekommen: Nach Wasser, Gas, Strom, Telefon und 
    Verkehrsnetz legt sich derzeit ein Gitter über den urbanen Raum, 
    dessen Verdichtungen und Verteilungen für die meisten der Bewohner 
    unsichtbar bleiben. Aus digita-ler Perspektive kippt die Stadt 
    über in ein Feld der Ambivalenzen: zwischen lokal und global, 
    privater und öffentlicher Hand, Arbeitsplatz und Freizeit-
    beschäftigung, Infrastruktur und Kulturraum, zwischen 
    fehlgeschlagener Investition und profitablem Experiment werden 
    gemeinhin bindende Bezugsmodelle der Verortung gesucht. Was liegt 
    näher, als die Stadt zur imaginären Blaupause des Netzes zu 
    machen, gerade in dem Moment, indem sie durch 
    Telekommunikationstechnologien in vielen ihrer Funktionen 
    Gefährdungen und Umstrukturierungen erfährt?
    Getrieben von eiligen Kräfteverschiebungen, gelockt von 
    gerüchtehafter Erregung sucht man nach Bindegliedern und 
    Metaphern, die den digitalen Raum ällgemeinverständlicher 
    machen. Gesucht wird eine Erzählung, ein Modell mit dem die 
    Öffnung, Kultivierung und Urbarmachung des Cyberspace in 
    geordneten Bahnen verlaufen kann, dabei aber maximalen 
    Entfaltungsmöglichkeiten Raum gibt, um im internationalen 
    Wettbewerb' der Standorte Schritt zu halten. Man hört von 
    ungeheuren virtuellen Wachstumsmöglichkeiten, von einer digitalen 
    Gründerzeit, von Leistungs-und Innovationsbereitschaft und dem 
    Eintritt in eine neue Ära der ,Global
    
    95
    
    Cities'. Wo aber liegt dieses digitale Metropolis, das Schlarrafia 
    für Neuein-steiger, der Clondyke multimedialer Glücksritter, 
    Eldorado der Daten-dandys und Cyberflaneure, wo liegt diese 
    ,Medienhauptstadt Berlin`? Was bei der Architektur aus Stein noch 
    in Grenzen verhandelbar war, wird jetzt eine Sache der 
    Telekommunikations-Experten und ihrer Firmen-welten. Innerhalb 
    der Berliner Stadtplanungsdebatte der letzten Jahre kam das 
    Gespräch nur selten auf die digitale Neuordnung Berlins. Zwar wird 
    davon gesprochen, daß die Gebäude für weitflächige Büroräume und 
    Neue Dienstleistungen geeignet sein sollen, man bemüht sich um 
    eine großflä-chige Bereitstellung von Infrastruktur ISDN, ADSL, 
    Glasfaser) – und doch bleibt unklar, unter welchen 
    Rahmenbedingungen sich die begehrten Cyber-Unternehmen schließlich 
    im urbanen Raum ansiedeln sollen. So verläuft die Digitalisierung 
    Berlins weitgehend unter Ausschluß der Öffent-lichkeit, vor allem 
    wohl aus einem ähnlichen Grunde, aus dem eine 
    ,Datenverkehrsplanung` und die Frage der Verteilung der Ressourcen 
    für Urbanisten wie auch für die Presse bisher kein Thema waren. Und 
    auch die Initiative des Senats mit dem wundervollen Titel 
    „Projekt Zukunft – Der Berliner Weg in die 
    Informationsgesellschaft" muß erst noch zeigen, ob sie mehr ist 
    als die übliche top-down Parallelaktion zwischen Subventions-
    gebern und -empfängern, die ah den Wirklichkeiten vorbei vor allem 
    mit sich selbst beschäftigt bleiben.
    
    Cyberspace Opera
    
    im sommer des Jahres 1995 wurden unter berlin überreste 
    einer raumstation gefunden. ein team spezialisierter 
    wissenschaftler hat den c-base e. V. gegründet und sich der 
    erforschung gewidmet."
    http://www.c-base.org
    
    Das Cyberspace-Zeitalter wird sich nicht ganz von der Erde 
    ablösen können, und bei aller Globalität Telearbeit, Stadtflucht, 
    Kosmopolitik und popkulturellen Hipness kommen die Menschen bis 
    auf weiteres nicht ohne eine Verwurzelung in Körper und Ort aus. 
    Gerade entlang dieser Konflikt-linien zwischen real und virtuell 
    ist die Wahrscheinlichkeit für andere Übersetzungsformen und 
    pragmatische Lösungen am größten.
    Das sich immer wieder ordnende Chaos der Stadt, das in seiner 
    Vielfalt auf Verortung und Verdichtung innerhalb gegebener und 
    geplanter Grenzen beruht, mit seiner körperlichen Anwesenheit und 
    Nachbarschaft, den zufälligen Begegnungen, den Überschneidungen 
    von Milieus und Szenen, der Zentrierung von Arbeitskraft und 
    Kapital, der Spannung zwischen Arm und Reich, der Durchmischung 
    von Kulturen und der Überkreuzung von Kommunikationswegen mit 
    Verkehrs- und Geldströmen sowie den unvermeidlichen, massenhaften 
    Zusammenballungen wäre gegen die
    
    96
    
    Entgrenzung ins Ortlos-Digitale eines sauberen und sicheren 
    virtuellen Speckgürtels auszuspielen. Die Unmöglichkeit von 
    Flächennutzungsplänen im Datenraum stellt die Frage nach den 
    veränderten Rahmenbedingungen des Urbanen, den gemeinsamen 
    Referenzpunkten und den ganz eigenen Unplanbarkeiten einer 
    städtischen Informationsgesellschaft.
    Die von den Cyber-Pionieren als ein Zeichen von Freiheit 
    empfundenen fehlenden Markierungen und Maßstäbe, die Abwesenheit 
    eines zentralen Netzbauplans angesichts der Rigorosität der 
    zugrundeliegenden techni-schen Standards, führen viel eher zu einem 
    wild wachsendem Brachland denn zu einem virtuellen urbanen Raum. 
    Wachsend – das Archiv wird digi-tal erweitert und akkumuliert 
    jegliche Inhalte, indem es bestehende Formate einschließt und 
    nachahmt. Brachland – veraltete, überholte Metaphern, Imaginationen 
    werden umgesetzt, temporäre Konstruktionen stehen gleichwertig 
    neben langlebigeren Infrastrukturen.
    Welche Rollen haben sich bisher ausgebildet? Wer sind die 
    ,Major players'? Welche Konstellationen, welche Hauptthemen suchen 
    das Netz heim und treiben es an? Das Internet ist auch ein Theater 
    der Modernisierung, es inszeniert sich als Geschichtswechsel, 
    nicht alles kann wörtlich genommen werden und für viele Beteiligte 
    wie auch Zuschauer liegt die Faszination darin, daß noch nicht 
    klar ist, ob sie es mit einer Komödie, einer Tragödie oder einer 
    Operette zu tun haben.
    Am wahrscheinlichsten aber ist, daß sich die meisten der Fragen 
    auf einer lokalen und regionalen Ebene am ehesten konkretisieren, 
    während sie sich erst später auf internationaler Ebene global 
    durchsetzen: Netzgesetze, Umverteilungen zwischen Öffentlichem und 
    Privatem, veränderte Formen von Produktion, Distribution, 
    Konsumtion, andere Kulturen des Erinnerns und Verknüpfens usw. Am 
    ehesten kann vielleicht die Pop Musik und darin die elektronische 
    Musik Auskunft geben über die internationale Ausdifferenzierung 
    und gegenseitige Beeinflussung lokaler Stile in globalen Kontexten. 
    Auch auf diesem Gebiet ist Berlin nicht ganz ohne kollektive 
    Erfahrungen.
    
    Am Tor zum Netz
    
    Für die Pendler des virtuellen Speckgürtels gibt es also noch keine 
    Grenz-ziehungen, keinen Grundbesitz, ja nicht einmal einen 
    verbindlichen Ort, an dem sich das Netz festmachen ließe. Sie 
    kämpfen um billigere Bandbreite, Zugriff für Alle, mehr Spaß, 
    gegen Zensur und für die größtmögliche Unabhängigkeit von 
    staatlicher Regulierung auch im Sinne eines Zusammenschlusses 
    innerhalb des neo-liberalen Weltmarktes. So kommt es allzu leicht 
    zu einem Schulterschluß von Hacker und Multimillionär, wenn es 
    darum geht, den Nationalstaat in die Schranken zu weisen. Ob dies 
    jedoch die Chance des Stadt-Staates bedeutet, der seine Vorteile 
    aus einem internationalem Netz von Verdichtungen im virtuellen wie 
    im realen Raum
    
    97
    
    zieht, bleibt einstweilen offen. Ein Austausch mit den 
    Medienkulturen anderer Großstädte kann jedenfalls nicht schaden.
    Wer es sich leisten kann, besetzt ein Stück Cyberspace und baut 
    daran in seiner Freizeit, andere sehen eine digitale Revolution 
    heraufkommen und investieren oft voreilig in vermeintlich 
    profitable Infrastrukturen - in der Angst, den Anschluß zu 
    verpassen. Dies ist das Europa der multimedialen Subventionsruinen. 
    Wie zuletzt im digitalen interaktiven Fernsehen oder der kurzen 
    Blüte der ,Virtual reality' kommt es immer wieder zu grandio-
    sen Fehlplanungen, zu toten Armen der Technikevolution. Das Netz 
    als modernistische Wohnmaschine bleibt aller Voraussicht nach 
    unbewohnbar, manche der im voraus groß angelegten ,Virtual 
    community`- Projekte scheiterten daran, daß sich auf Dauer keine 
    Bewohner ansiedeln wollten, da sie anscheinend mit ihren 
    Homepage-Hütten und Daten-Vorgärten bis auf weiteres zufrieden 
    bleiben. Das Problem liegt darin, daß sich das Netz nicht nach 
    Haussmannscher Art am Reißbrett planen läßt, und daß es nicht der 
    absolutistischen Zentralperspektive und dem geometrischen 
    Raster folgt, nach der die meisten der großen westeuropäischen 
    Stadt-zentren aufgebaut sind. Wenn man schon die Analogie der 
    Stadt heran-zieht, ähnelt das Internet viel eher den wuchernden 
    Außenquartieren der Metropolen der Schwellenländer und den 
    ausufernden Suburbias amerika-nischer Ballungsgebiete.
    Noch gibt es wenige Verknüpfungen, aus denen heraus sich 
    Territorien bilden. Die eigentlichen Möglichkeiten, die latent in 
    den Strukturen des Internet angelegt sind, werden nur selten 
    verstanden und umgesetzt. Es ist immer noch und immer wieder die 
    Zeit der Experimente. Für manche, die zurückkamen und sich 
    verausgabt hatten, ist die virtuelle Stadt jetzt schon eine 
    Investitionsruine, eine Ansammlung von Luftschlössern, eine 
    Bunkeranlage verlorener Utopien von grenzenloser Demokratisierung 
    und Freiheit in digitaler Wildnis, eine Krücke der Imagination, 
    wie sie schon einmal, zur Zeit der Industrialisierung, die 
    Großstadt mit ihren Flaneuren und Dandies, ungeheuren Strömen an 
    Geld, Menschen und Material zum Bild und zur Wanderkarte für 
    einen weitgehend unerforschten Kulturraum machte. Das Netz ist 
    ein offenes Buch, ein Archiv, aber auch ein Ort der Vernetzung 
    und der Simulation; wer sich darin bewegt, wird beides finden, 
    wird finden, was er sucht und herausfinden können was fehlt, wenn 
    sie oder er mehr gesucht hat.
    
    Was ist Medienkultur?
    
    Benötigt wird statt eines globalen Ausschweifens ins phantastische 
    Digitalien eine konkrete urbane Medienkultur, die ein Umfeld 
    schafft, aus dem heraus sich erst jenes dichte und reiche lokale 
    Netz von menschlichen und technischen Akteuren bilden kann, das 
    bis auf weiteres im Cyberspace allein unmöglich bleibt. 
    Medienkultur ist dabei ein unbestimmtes Feld
    
    98
    
    verkoppelter Interessen, die über ein gemeinsames Objekt, eben die 
    nicht mehr so neuen digitalen Medien, emphatisch, kritisch, 
    nüchtern und vor allem offen Austausch betreibt.
    Was heißt: Berlin im Netz? Zuallererst handelt es sich um die 
    Summe der Rechner und Server, die in Berlin stehen und ans 
    Internet angeschlossen sind. Dann um alle Server, die irgendwo 
    auf der Welt stehen und deren Inhalte Berlin in irgendeiner Weise 
    zum Thema haben. Schließlich um eine unbestimmte Zahl an Projekten, 
    Rechnern und Servern, die durch eine Beteiligung aus dieser Stadt 
    entstanden sind und am Laufen gehalten werden. Erst eine 
    Verzahnung von Lokalität und Entfernung, die Vernetzung lokaler 
    Initiativen an globale Diskurse, schafft jene translokale Ebene, 
    auf der Medienkultur einen Sinn Machen kann.
    Diese neue Dimension des urbanen Lebens braucht zweifellos 
    zusätzliche Informations- und Orientierungsquellen, soziale 
    Netzwerke, eine Zusi-cherung von Grundversorgung an Archiven, 
    Bibliotheken, Zugängen, Verbindungen. Das vielzitierte Silicon 
    Valley entstand aus einer ebenso vielzitierten subkulturellen 
    Mischung unter verschiedenen günstigen Be-dingungen. Das Silicon 
    Alley New Yorks, oder die Kulturindustrie Londons wären undenkbar 
    ohne das kreative Umfeld einer nicht-offiziellen und nicht immer 
    bequemen Gegenkultur. Benötigt werden kaum mehr Trendscouts und 
    Tricks, diesen Bodensatz effizient auszubeuten, sondern Formen, 
    seine Produktivität am Leben zu erhalten und in irgendeiner Form 
    vermittelbar zu machen, ohne sie gleichzeitig zu vereinnahmen und 
    zu zerstören. Das Internet ist vor allem anderen ein 
    Bildungsangebot, das einer ständigen Veränderung unterliegt. In 
    großen Teilen hat es sich bisher selbst zum Thema, in anderen ist 
    es dabei zu einem konkurrenzlosen und informellen Medium der 
    Do-it-yourself Aus- und Weiterbildung zu werden.
    Ebenso wie eine Stadt je nach Standpunkt und Perspektive ihr 
    Gesicht verändert, geschieht dies auch mit dem Netz. Die Angst 
    vor Kommerz-ialisierung klammert sich an die ohnmächtige 
    Vorstellung der Welt als Kaufhaus. Viel eher bietet das Web aber 
    all jenen neue Möglichkeiten, die sich bisher nicht weltweit zu 
    Wort melden konnten, sich zu vernetzen und eigene hybride 
    Medienkulturen zu entwickeln.
    Uberraschung? Zwischen den ,realen` und den ,virtuellen` 
    Territorien findet eine Übersetzung statt, die man einerseits 
    als nutzloses soziales Rauschen bezeichnen kann, andererseits 
    als Ausdruck von Kultur. Das Netz ist hier noch am Anfang, 
    entwächst gerade erst der kryptischen Folklore eingeschworener 
    Gruppen und hat seinen Anfang bereits hinter sich. Die Phantasien 
    der ,anderen Welt' hinter der realen reihen sich ein in eine 
    Galerie der verpatzten Utopien: eine davon ist die Stadtmetapher. 
    Ein neuer „radikaler Pragmatismus" (Geert Lovink) zieht ein, viele 
    versuchen aufs neue, ihr Metier zur Meisterschaft zu bringen, 
    andere finden Themen und Ideen, die noch unbeachtet blieben, und 
    manche veränderte Konturen werden erkennbar.
    
    99
    
    Kultur ist hierbei nur ein Platzhalter für eine Zone des Tauschs 
    und eines Mehrwerts, der sich schwerlich in Geld fassen läßt. Es 
    geht um soziales Arbeiten, individuell sinnvolle Information, die 
    Erkundung des Sektors zwischen staatlichen Institutionen und 
    Firmenwelt. Kultur karin alles bedeuten, wenn sich daran eine 
    gewisse Passion anschließt, die sich einer ausschließlichen 
    merkantilen Nutzbarmachung entzieht.
    Die derzeitige Situation ist gekennzeichnet von einem Aufholen der 
    Nachzügler. Das digitale Deutschland kämpft noch immer mit 
    überhöhten Telekommunikationsgebühren, doch der Otto-Normal-User 
    gewinnt die Oberhand. Zwischen dem Solipsismus der Konsumenten und 
    strukturel-lem Konservatismus der Verkäufer gedeihen kleine lokale 
    Wissens- und Medienkulturen, die jenen Geistern und Handwerkern 
    den Bodensatz liefern, die weder als Medienmacher noch als 
    Cybersklaven ihre ganze Erfüllung finden. Ruhelos, unzufrieden, 
    konzentriert, individualistisch und verunsichert, experimentieren 
    sie hier mit neuen Formaten, versuchen, soziale Phantasien und 
    Bewegungen mit ganzheitlichen Entfaltungs-möglichkeiten der 
    Artikulation zu versehen, kollektive Äußerungsgefüge für 
    Subjektivität zu finden, die in der Fernsehgesellschaft verloren 
    gehen. Schlagworte sind auszuprobieren und auf ihren praktischen 
    Sinn zu prüfen: Wissensgesellschaft, Interaktion, Interface, 
    Simulation, Spiele, Überwachung, Cyberfeminismus, New Labour, 
    Öffentlicher Datenraum ...
    
    Zur Situation in Berlin
    
    Berlin ist auch digital im Transitraum. Aufbruch ist überall, aber 
    es fehlt die Infrastruktur oder sie wird gerade erst geschaffen: 
    Reichlich spät kommt etwa die Hochschule der Künste auf den 
    Neuen-Medien-Trichter und selbst das ist bestenfalls zaghaft zu 
    nennen, vergleicht man es etwa mit der Situation in Köln 
    (Kunsthochschule für Neue Medien), ganz zu schwei-gen von 
    Amsterdam (Rietfeld Akademie), London (Hyper Media Research 
    Center) und anderswo, wo Bildungsmaschinen die digitalen 
    Handwerker-künstler jedes Jahr dutzendweise in die schöne neue 
    Datenwelt einspeisen. Aber in den nächsten Jahren wird Berlin 
    hier nachholen, und der ,Brain drain' zieht auch manche kreativen 
    Köpfe von anderswo hinein in die Stadt. Es entstanden die ersten 
    HTML-sweat-shops, manche wie Pixelpark verkaufen sich inzwischen 
    großartig. Künstler, Netzwerke und Digiterati sind hier in 
    wachsender Zahl zu finden. Es gibt den von Boris Gröendahl 
    organisierten „Cyberstammtisch", das Hackertreffen „Discordia" 
    des Chaos Computer Clubs, die „mikro.lounges" im WMF. Von Berlin 
    aus moderiert der Amerikaner David Hudson die Mailinglist und das 
    e-zine Rewired, die zu den besten Quellen für digitale Reflexion 
    zählen. De:Bug ist eine ganze Zeitschrift für elektronische 
    Lebensaspekte, die in Clubs, Bars und anderen ‚locations' noch 
    umsonst ausliegt. Thing.de, Neid, convex tv., Radio 
    Internationale Stadt, Sero.org, C-base sind Netz-
    
    100
    
    Adressen, die einen Besuch lohnen. Und mit billund5000 gibt es die 
    erste regelmäßige Zeitung für digitalen Info-Klatsch, 
    sinnigerweise unter japani-schem Pseudonym der Autoren und als 
    Newsletter per e-mail zu empfangen. Um ein aktives Gegengewicht 
    gegen die kömmerzielle Vereinnahmung des Netzes zu schaffen, haben 
    öffentliche Institutionen wie Universitäten, Bibliotheken, Museen 
    und auch Behörden eine enorme Verantwortung. Sie haben äber auch 
    ein enormes Potential: ihren content. Niemand hat in den Archiven 
    und in ihren Netzwerken soviel content in der Hand wie sie. Aber 
    bisher ist das im Netz nur rudimentär zu erkennen und noch ist 
    nicht abzu-sehen, ob überhaupt ein ausreichendes Bewußtsein dafür 
    besteht, daß dieser Reichtum (noch) in ihren Händen ist. Oder 
    bekommen wir eine neue „ursprüngliche Akkumulation des Kapitals" 
    (Karl Marx), diesmal durch die Kapitalisierung des Wissens und 
    die Privatisierung der Archive und Bildungsinstitutionen? Sind 
    das Bildarchiv von Bill Gates oder Regio Online von debis erste 
    Schritte in diese Richtung? Entsteht auf der anderen Seite nach 
    dem „doppelt freien Lohnarbeiter" – frei von Eigentum und frei 
    von feudalen Bindungen und Absicherungen – auf dem Neuen Medien-
    markt der „doppelt freie Mitarbeiter", der seine intellektuelle 
    und/oder künstlerische Arbeitskraft als Unternehmer seiner selbst 
    auf dem freien Markt verkaufen muß? Wer fordert und erkämpft das 
    Bürgerrecht auf Information? Was tun mit der ungeklärten Recht- 
    und Verhältnismäßigkeit von Urheberrechten? Wie die 
    Monopolisierung der Wissensmärkte verhin-dern? Wie wird die Frage 
    der Bereitstellung von Basisinformationen für eine chancengleiche 
    offene Bildung angegangen? So viele Fragen, würde Brecht sagen.
    
    Fazit
    
    Die konkrete Situation der nebeneinander existierenden 
    Medienkulturen und Kleinszenen, die oft ihre Hauptaktivität in 
    das Schützen ihrer Nischen setzen und sich gleichzeitig in 
    mikropolitischen und ideologisch geprägten Szene-Kriegen 
    untereinander verstricken, ist ebenso typisch für Berlin, wie 
    es eine Fortentwicklung auf internationaler Ebene behindert. Die 
    Versäumnisse der verantwortlichen Institutionen im Bereich 
    Medienkultur, Medientheorie, Medienkunst, vor allem was den 
    Anschluß an einen inter-nationalen Diskurs betrifft, lassen sich 
    nur wettmachen, wenn hier umge-dacht wird. Benötigt werden eben 
    keine Unterabteilungen bestehender Spielorte, keine Reformation 
    existierender Subventions-Kolosse, sondern die Investition in 
    temporäre, punktuelle und kosteneffektive Veranstal-tungen und 
    Initiativen, die gerade auf die teure und repräsentative Ebene 
    verzichten können, dafür aber in Qualität, Originalität und 
    internationaler Vernetzung weit voraus sind. Die Schaffung eines 
    Fonds zur Förderung von Medierikulturen, die Gründung kleinerer 
    stadtteilorientierter Medien-und Netzlabors auf Basis von Vereinen 
    würde der Herausbildung von
    
    101
    
    Teilöffentlichkeiten und kreativen Zirkeln dienen, aus denen sich 
    ‚Bottom-up' erst die viel zitierte Innovationskraft entwickeln 
    kann. Hierbei kann freilich nicht auf die Mitfinanzierung aus 
    privater Hand und freiwillige ehrenamtliche Mitarbeit verzichtet 
    werden.
    
    Szenarien zur Förderung von Medienkulturen in Berlin könnten zum 
    Beispiel sein:
    
    <> Palast der Republik des Wissens und Zusammenlegung mit der 
    <> AGB nach dem Modell Centre Pompidou
    <> Öffnung und Erweiterung der technischen Studiengänge der 
       Universitäten
    <> Anschluß an ein Europäisches Netz von Cybersalons Surfschulen / 
       Sommerakademien
    <> Internationale Kongresse für ,Small media' auf Breitenbasis ...
    
    Statt einer Nachbemerkung:
    
    Wer in eine Stadt kommt, läßt sich von seiner Imagination und von 
    vorläu-figen Informationen leiten. Nach und nach, sei es bei 
    wiederholtem Besuch, sei es mit der wachsenden Eifahrung des 
    alltäglichen Lebens in ihr, bekommt er ein konsistentes Bild, 
    erhält die Stadt eine Gestalt, wird erkennbar, bekannt, vertraut. 
    Diese Vertrautheit ist entweder der Aus-gangspunkt für weitere 
    Entdeckungen und Eroberungen oder der Lande-platz für die sich im 
    alltäglichen Rhythmus wiederholenden Lebens-vollzüge. Er/Sie hat 
    einen Platz in ihrem Gewebe, an dem er/sie mitwirkt. In dieser ´
    Physiognomie des Urbanen ist einiges thematisiert, was auch für 
    Bewegungen im Netz gilt. Wer Berlin im Netz entdecken und nutzen 
    will, wird seinen eigenen Weg finden, wir haben hier lediglich 
    Vorschläge unter-breitet. Manche der im Anhang (S. 178-181) 
    aufgelisteten Websites werden sich bei Erscheinen dieses Bandes 
    verändert haben, verschwunden sein oder an anderer Stelle wieder 
    auftauchen; das heißt: es bleibt alles, wie immer, ohne Gewähr.
    
    GEHEIMTIPS:
    Thorsten Schilling: Cafeteria in 
    der Slaatsbibliothek – die unter-
    schwellige Erotik des Geistes auch 
    in den Lesesälen.
    Pit Schultz: „Palakpanier" beim 
    Inder in der Johannisstraße neben
    dem WMF.
    
    102"

    in: Thomas Krueger (Hg.). _Die bewegte Stadt_. Berlin: FAB Verlag, 
    1998. S. 95-102. Hier mit deutschen Umlauten, ohne kursive Woerter.

Yelena Simc

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3.

Rezension von Sabine Nuss. _Copyright & Copyriot_ 5


"(...) dass zum Beispiel in der Softwareproduktion die Leute ihre 
Produktionswerkzeuge jetzt in der Hand halten", wie behauptet[1] 
ist unhaltbar und schoener Traum. Serverfarmen, Strom und Telefon-
Netzwerke, die groszen Distributionskanaele gehoeren nach wie vor 
dem Kapital (personifiziert z.B. in Form von Steve Jobs usw.[2]), die 
Banken mit Festplatten und Software sind nicht gesprengt, die meisten 
Kodiererinnen sind Scheinselbststaendige, also relativ billige und 
ohnehin Lohnarbeitskraefte der Softwareindustrie.

Den Medien Hack zum Prinzip zu erheben, wie fuer das Projekt 
"Amazon Noir" geaeussert[3] haengt so etwas nach. Dem hier-und-besser,
-dort-aber-boese. Dem anti-essenziatlistischen inszenierten 
Kauf/Verkauf eigener Ware an jeweilige Haeuser fuer 10.000,- oder so.

Spekatulaeres Faelschen und "Eindringen in massenmediale Kanaele" ist 
selbst nicht bedingungslos emanzipativ. Bewegung in die Verhaeltnisse 
kommt mit dem man-weisz-nicht-war-es-fingiert erst Klau von Daten, 
dann Verkauf von der Instrumente an den Gehackten nur auf der Ebene 
der Dikussion. Aber welche Bewegung?

Manchmal muss man Namen nennen, die dann die eine oder andere 
Fluchtlinie erklaerbar machen:

"Ganz abgesehen davon aber gibt es auch Formen der Kooperation, die 
über die reine zur Verfügungsstellung von Wissen weit hinausgehen. 
Ganz besonders möchte ich in diesem Sinne Michael Heinrich danken, der 
mir in inhaltlichen Fragen zur Seite stand und mir engels-geduldig 
immer wieder einen Weg aus dem Chaos und den Zweifeln wies. Markus 
Euskirchen und Stephan Kaufmann haben mir neben wertvoller Redigier- 
und Formatierarbeit immer wieder verdeutlicht, dass nichts so heiß 
gegessen wird, wie es gekocht ist. Ingo Stützle und Henrik Lebuhn 
zwangen mich mit ihren kriti-schen Nachfragen häufig zur Überprüfung 
bereits getroffener Annahmen. Für die intensive Lektüre und 
interessierte Diskussion einzelner Passagen und Kapitel danke ich 
außerdem Klaus Arnold, Mario Candeias, Lydia Heller, Martin 
Krzywdzinski, Rainer Rilling, Christian Schmidt, Yunus Soner und Anne 
Steckner, für eine zu-verlässige Rechtschreibprüfung Sonja Euskirchen. 
Natürlich danke ich auch all den anderen hier nicht genannten 
Personen, die Teil des Diskussionsprozesses waren, der sich in dieser 
Arbeit niederschlug. Mein Dank gilt auch meinen Gut-achtern Raul 
Rojas und Elmar Altvater, der als Erstgutachter die Betreuung auch 
über seine Emeritierung hinaus fortsetzte und mir wertvolle Anregungen 
gab. Selbstverständlich danke ich der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Das von 
ihr gewährte Promotionsstipendium gab mir drei Jahre lang die 
materielle Freiheit, diese Ar-beit zu verfassen."

so

"Sabine Nuss"

am

"25. April 2006," in "Berlin"

in ihrem (?) Buch _Copyright & Copyriot: Aneignungskonflikte um 
geistiges Eigentum im informationellen Kapitalismus_. Muenster: 
Westfaelisches Dampboot, 2006. 269 S. - EURO 19,90. Erschienen: 
Oktober 2006
_____
[1] "Wuetend das Kino verlassen". Interview mit Ken Loach
    http://arranca.nadir.org/arranca/article.do?id=302
[2] Oder wie man es auch sagen koennte: "Bill Gates schrieb sich 1973 
    in Harvard ein und brach wenig spaeter dieses Studium wieder ab. 
    Er gruendete Microsoft und ist heute der reichste Mann der Welt!"
[3] "Medienhack als Prinzip", E-Mail From: betacity-request(at)
    betacity-lists.de, Subject: betacity Nachrichtensammlung, Band 91, 
    Eintrag 1, Date: Fri, 15 Dec 2006 11:06:59 +0100

Matze Schmidt


Rezension von Sabine Nuss. _Copyright & Copyriot_ 6 im n0name 
newsletter #100

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