[spectre] Newsletter | Vergabe der Stipendien der Stiftung Niedersachsen für Medienkunst am Edith-Russ-Haus 2020

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Thu Apr 9 14:54:00 CEST 2020


Newsletter | Vergabe der Stipendien der Stiftung Niedersachsen für Medienkunst am Edith-Russ-Haus 2020
 
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Die Stipendien der Stiftung Niedersachsen für Medienkunst am Edith-Russ-Haus 2020
 
Wir freuen uns, die Vergabe der Stipendien an Ayọ̀ Akínwándé, Mohanakrishnan Haridasan (Mochu) und Clara Jo bekanntzugeben.
 
Die Jury, die ihre Entscheidungen erstmals im Rahmen einer Online-Sitzung traf, bestand aus:
Natasha Ginwala, Kuratorin der Gwangju Biennale 2020, Colombo/Berlin
Robert Leckie, Direktor von Spike Island, Bristol
Edit Molnár, Leiterin des Edith-Russ-Hauses, Oldenburg
Marcel Schwierin, Leiter des Edith-Russ-Hauses, Oldenburg

 
Jurystatement
 
Die Jury war beeindruckt von der hohen Qualität der eingereichten Bewerbungen. Die diesjährigen Projektvorschläge zeichneten sich durch vielfältige Herangehensweisen an das Bewegtbild aus, die sich vor allem mit den räumlichen und virtuellen Effekten des Mediums und der filmischen Erfahrung beschäftigten. Die Jury hebt insbesondere den engagierten und formal überzeugenden Charakter vieler eingereichter Projekte hervor. Die Kunstschaffenden, die für das Stipendium 2020 ausgewählt wurden, erforschen furchtlos ebenso dringliche wie noch unerschlossene Aspekte der heutigen Lage der Menschheit und des Planeten. Ihre Arbeitsweisen beruhen auf Recherchen und legen Wert auf eine materiell stringente, gemeinschaftliche und sensible Ästhetik. Die drei erfolgreichen Einreichungen stützen sich auf verschiedenen Formen von Recherchen und auf Praktiken, die nicht nur theoretisch schlüssig, sondern auch in formaler Hinsicht überzeugend sind. Gegenstand der vorgeschlagenen Untersuchungen sind die Klangökologien von Protesten in Lagos und anderswo, die Vorgeschichten der Alt-Right-Bewegung in der hinduistischen Mythologie und die mögliche Rolle der virtuellen Realität bei der Bekämpfung psychischer Erkrankungen. Die Projekte greifen auf akustisches und körperliches Wissen zurück und lenken so den Blick auf die beunruhigenden virtuellen Tentakeln der globalen Politik, den veränderlichen Charakter von Massenwiderstand und die Virulenz, die gegenwärtig unter uns herrschen. 
 
Die Jury ist überzeugt, dass das Stipendium Ayọ̀ Akínwándé, Mochu und Clara Jo ermöglichen wird, wichtige neue Arbeiten und Rechercheprojekte auf den Gebieten von Bewegtbild, Sound, Performance und digitalem Raum zu realisieren und für das Edith-Russ-Haus neue Perspektiven zu eröffnen.
 
 
Die Stipendienprojekte
 
Ayọ̀ Akínwándé: MUMU LP VOL. 4: ALL THE WORLD’S PROTESTS
Ayọ̀ Akínwándés Projekt wird der vierte Teil seiner fortlaufenden künstlerischen Befragung des politischen Engagements im öffentlichen Raum sein, das er anhand der Klangökologien von Protesten in Lagos und anderswo erforscht. Akínwándé begann 2016 sein langfristig angelegtes Rechercheprojekt Archiving the Future, weil ihn die möglichen Formen und Eigenschaften künftiger Archive nachhaltig faszinierten. Er baute ein Archiv aus Screenshots von politischen Gesprächen in den sozialen Medien auf, das er um Gesprächsmitschnitte erweiterte, die an Zeitungskiosken in Lagos aufgenommen wurden. Diese Sprachaufnahmen bildeten die Grundlage für seine Zusammenarbeit mit Musikerinnen und Musikern, die die Aufzeichnungen mithilfe von Jazzinstrumenten in Musik transformierten.

Die Jury war beeindruckt, wie es dem Künstler gelungen ist, lokale Gemeinschaften eng in den Aufbau dieser Klangarchitekturen einzubeziehen. Akínwándé hält nicht nur politische Äußerungen fest und beschäftigt sich mit der lokalen Musikszene, sondern nutzt den Jazz als Möglichkeit, um mit anderen zusammenzukommen und als Gruppe eine gemeinsame und zugleich disparate Wirklichkeit zu verkörpern. Um sein Projekt fortzusetzen, möchte Akínwándé den Kontext seiner Sammlung von Lagos auf einen weltweiten Maßstab erweitern, Proteste in aller Welt einfangen und Gemeinsamkeiten zwischen lokalen und globalen Kämpfen herausarbeiten.
 
 
Mohanakrishnan Haridasan (Mochu): BASILISK FILES
Mochus Arbeit beschäftigt sich mit den Geschichten der visuellen Kultur und insbesondere mit Techno-Fiction, Quasimythologien und Kunstgeschichte. Seine jüngsten Projekte betrachten beispielsweise die indischen Hippie-Subkulturen im Hinblick auf das Erbe der kybernetischen Theorie und der psychedelischen Kunst. Ausgehend von einer fiktiven Annahme wird Mochus vorgeschlagene Mehrkanal-Videoinstallation die historisch weit zurückreichenden Grundlagen der neoreaktionären Tendenzen in Indien und ihre Nähe zu techno-utopischen Idealen untersuchen. Das Projekt wird sich damit beschäftigen, wie die antiegalitären, futuristischen Ideen des amerikanischen Software-Entwicklers Curtis Yarvin und des britischen Philosophen Nick Land nachträglich in das mythologische Universum des hinduistischen Denkens integriert wurden. Es wird untersuchen, wie diese übereinstimmenden Ideologien zunehmend instrumentalisiert wurden, um über das Internet die Emotionen des Publikums zu manipulieren. Die Jury war begeistert von Mochus ambitioniertem Projektvorschlag, der „beabsichtigt, diese engen Verknüpfungen und verdeckten Kollaborationen zu kartieren und ihnen nachzugehen.“
 
 
Clara Jo: BETWEEN LIVED EXPERIENCE AND SIMULATED PRESENCE: EXPLORING MEMORY, EMPATHY, AND EMBODIMENT IN THE CLINICAL CONTEXT THROUGH VIRTUAL REALITY
Clara Jos interdisziplinäres, recherchebasiertes Projekt untersucht mithilfe von Virtueller Realität (VR) Erinnerung, Empathie und Verkörperung im klinischen Kontext. Ihre jüngsten Arbeiten beschäftigten sich mit den bildgebenden Technologien von Museen, digitaler Ethik und Orten, die in revisionistischen Geschichtsschreibungen eine Rolle spielen. Das von Jo vorgeschlagene Projekt wird in Zusammenarbeit mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Londoner King’s College aus den Bereichen Psychologie, Kunst, Wissenschaft und Lehre VR-Schnittstellen in immersiven filmischen Environments entwickeln. Diese sollen dazu dienen, die Sinnes- und Wahrnehmungsveränderungen von Menschen zu erforschen, die von Autismus, Essstörungen und insbesondere von Schizophrenie betroffen sind. Jo strebt an, die Erfahrungen der Virtuellen Realität zu erweitern, um Aufschlüsse über den allgemeinen psychosozialen Gesundheitszustand der globalen Community, die therapeutische Funktion der Kunst und die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen Menschen, Tieren und extremen geografischen Orten zu erhalten. Der riskante spekulative Denkansatz und die experimentelle Stringenz des komplexen Projektvorschlags haben die Jury überzeugt. Jo wird mithilfe einer Verbindung aus Filmen, Feldforschung und virtueller Relationalität eine kritische Untersuchung zu Toxizität, mentaler Gesundheit, gemeinschaftlicher Fürsorge und Trauma durchführen und damit für die Zeit, die wir gerade durchleben, einen innovativen Ausblick bieten.
 
 
Die Stipendien
 
Ermöglicht durch die Stiftung Niedersachsen hat das Edith-Russ-Haus für Medienkunst für das Jahr 2020 drei sechsmonatige und mit 12.500 Euro dotierte Arbeitsstipendien vergeben. Insgesamt hatten sich 390 Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt für die Stipendien beworben.
Die Stiftung Niedersachsen fördert das Stipendienprogramm des Edith-Russ-Hauses kontinuierlich seit 2001. Das Programm ist zu einem Aushängeschild des Edith-Russ-Hauses geworden. Viele der in Oldenburg entstandenen Arbeiten wurden nach ihrer Realisierung in internationalen Ausstellungen präsentiert und mit Preisen ausgezeichnet.
Mit ihrer Förderung will die Stiftung Niedersachsen eines der führenden Häuser für Medienkunst in Deutschland nachhaltig stärken, seine an Qualität orientierte Profilierung unterstützen, um so die Schaffung von Kunst zu ermöglichen und internationale Vernetzungen und lokale Anknüpfungspunkte zu schaffen.
 

 
 
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Grants for Media Art of the Foundation of Lower Saxony at the Edith-Russ-Haus 2020
 
We are pleased to announce that the three award winners are Ayọ̀ Akínwándé, Mohanakrishnan Haridasan (Mochu) and Clara Jo.
 
Jury members:
Natasha Ginwala, Curator of Gwangju Biennale 2020, Colombo/Berlin
Robert Leckie, Director of Spike Island, Bristol
Edit Molnár, Director of Edith-Russ-Haus, Oldenburg
Marcel Schwierin, Director of Edith-Russ-Haus, Oldenburg

 
The Jury statement
The jury was impressed by the quality of the applications received. This year’s entries revealed a variety of approaches to the moving image, particularly considering the spatial and virtual impact of the medium and its experiential terrain. The jury took note of the engaging and formally compelling character of many of the submitted projects. The artistic practitioners selected as 2020 grant recipients are unafraid of extending inquiries into urgent as well as untapped aspects of today’s human and planetary realities. Their approaches are research driven while privileging materially rigorous, communal, and sentient aesthetics. The three successful applications are all underpinned by forms of research and practice that are theoretically rigorous and formally compelling. They propose, respectively, explorations of the sonic ecologies of protest in Lagos and elsewhere; the prehistories of the alt-right in Hindu mythology; and the possible role of virtual reality in combating mental health issues. The awardees draw from sonic and corporeal knowledges while also highlighting the troubling virtual tentacles of global politics, changing nature of mass resistance and virulence in our midst. 
 
The jury is convinced that the awarding of these grants will enable Akínwándé, Mochu, and Jo to produce major new works and research projects across moving image, sound, performance, and the digital sphere, bringing new perspectives to the Edith-Russ-Haus over the coming year.
 
 
 
The grant projects
 
Ayọ̀ Akínwándé: MUMU LP VOL. 4: ALL THE WORLD’S PROTESTS
 
Ayọ̀ Akínwándé’s project will be the fourth iteration of his ongoing artistic interrogation of political engagements in the public realm through exploring the sonic ecologies of protest in Lagos and elsewhere. In 2016, Akínwándé began a long-term research project called Archiving the Future to satisfy his endless fascination with the possible forms and natures of future archives. He built up an archive by collecting screenshots of political conversations on social media, and further extended this to include audio conversations recorded at newspaper stands in Lagos. This vocal material became the basis for building a collaboration with musicians, transforming the recordings into music using jazz instruments.
 
The jury was fascinated by how the artist has managed to involve local communities in such an intense way in building an architecture of sounds. In addition to capturing political views and engaging the local music scene, he uses jazz as a way of coming together and embodying a shared yet disjunctive reality as an ensemble. To continue the project, Akínwándé wants to widen the context of his collection from a Lagos-specific to a global scale, tapping into protests worldwide and finding commonalities between local and global struggles.
 
Mohanakrishnan Haridasan (Mochu): BASILISK FILES
Mochu’s work deals with the histories of visual culture, with a focus on techno-fiction, quasi-mythologies, and art history. Recent projects, for example, look at hippie subcultures in India in light of the legacies of cybernetic theory and psychedelic art. Using a fictional premise, Mochu’s proposed multichannel video installation will explore the deep histories of Indian neo-reactionary tendencies and their affinities with techno-utopian ideals. Focusing on how the anti-egalitarian, futurist ideas of the American software engineer Curtis Yarvin and the British philosopher Nick Land have been retroactively integrated with the mythological universe of Hindu thought, the project will explore how these converging ideologies have increasingly become weaponized to manipulate public sentiment online. The jury was thrilled by the ambition of Mochu’s proposed project, which “intends to map and trip through these dense interlinks and covert collaborations.”
 
 
Clara Jo: BETWEEN LIVED EXPERIENCE AND SIMULATED PRESENCE: EXPLORING MEMORY, EMPATHY, AND EMBODIMENT IN THE CLINICAL CONTEXT THROUGH VIRTUAL REALITY
Clara Jo’s interdisciplinary, research-based project explores memory, empathy, and embodiment through virtual reality (VR) within the clinical context. Her recent work has examined museological imaging techniques, digital ethics, and sites implicated in revisionist histories. In collaboration with psychologists, artists, scientists, and academics at King’s College London, the proposed project will develop VR interfaces within immersive cinematic environments that explore sensory and perceptual shifts among individuals who experience conditions such as autism, eating disorders, and particularly schizophrenia. Jo seeks to extend VR experiences to examine broader psychosocial conditions of health as a global community, the therapeutic role of the arts, and the interdependencies between humans, animals, and extreme geographies. The jury was convinced by the risk-taking, speculative thinking, and experimental rigor of the elaborate proposal. Jo will take on a critical inquiry into toxicity, mental health, communal care, and trauma through conjoined streams of cinema, field research, and virtual relationality, presenting a refreshing prospect for the times we are living through.
 
 
The grants
 
The Edith-Russ-Haus for Media Art has awarded three six-months work grants for 2020. 390 artists from all over the world have applied for the grants.The grants of 12.500 Euro are sponsored by Stiftung Niedersachsen.
Stiftung Niedersachsen sponsors the grants at Edith-Russ-Haus for Media Art continually since 2001. Many of the works developed in Oldenburg have been shown in international exhibitions and have been awarded various prizes.
With their support Stiftung Niedersachsen intends to encourage one of the leading sites for media art in Germany, in its highly qualitative profiling to make art creation possible and to create international networks as well as local cooperations.
 
 
 
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Edith-Russ-Haus für Medienkunst
Edith-Russ-Haus for Media Art
Katharinenstr. 23
D-26121 Oldenburg
 
t. +49 (0) 441 - 235 3208
f. +49 (0) 441 - 235 2161
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