[WOS] de: Vortrag Lutterbeck/Ishii

Volker Grassmuck wos@mikrolisten.de
Sat, 31 Jul 1999 04:53:35 +2


Kei Ishii & Bernd Lutterbeck
Technische Universit=E4t Berlin
Forschungsgruppe Internet Governance
17. Juli 1999 



                Open Code and Open Societies [1]

                        Wizards of OS: Offene Quellen und Offene
                        Software
                         16.-17.7.1999, Haus der Kulturen der Welt,
                         Berlin 



Inhalt

     Die Fragestellung:
     Ever the Imperialist, Ever the Lawyer 
     Die Fakten:
     Regulierung durch Code oder Lex Informatica 
          Modellbildung 
          Werte von Internet und Open Source 
     Die L=F6sung:
     Internet Governance statt starrer rechtlicher Regularien 
     Literatur 



Die Fragestellung:
Ever the Imperialist, Ever the Lawyer 

Lawrence Lessig von Harvard ist wahrscheinlich derjenige amerikanische
Rechtswissenschaftler, der der Open Source-Bewegung am n=E4chsten steht.


K=FCrzlich hat er einen Vortrag gehalten mit dem sch=F6nen Titel : Open
Code and Open Societies: Values of Internet Governance[1]. Er erz=E4hlt
darin von einem Dialog mit seinem jungen Assistenten Joe Reagle. Joe
arbeitet an Internet-Protokollen des W3-Konsortiums, wechselt so
ziemlich t=E4glich seine Haarfarbe, er sei aber der beste <<techno
policy geek>>, den er =FCberhaupt kenne, meint Lessig. 

Du lehrst doch die impliziten Werte unser Verfassungstradition, sagt
Joe Reagle eines Tages. Du argumentierst immer wieder, da=DF wir diese
Werte der Verfasung, wie etwa die Meinungsfreiheit, in den Cyberspace
=FCbertragen m=FCssen. Wie steht es aber mir den Werten, die der Tradition
des Internet zugrunde liegen? Warum sollten wir nicht diese Werte
identifizieren und auf die reale Welt =FCbertragen? 

Lawrence Lessig =FCberlegt nur kurz. Joe hat recht, res=FCmiert er : Ever
the imperialist, ever the lawyer. Ich habe immer angenommen, da=DF die
reale Welt dem Cyberspace viel zu erz=E4hlen hat. Aber es k=F6nnte doch
genau umgekehrt sein. 

Lawrence Lessig und ich sind als Juristen ausgebildet. Wir wissen
sofort, was es hei=DFt, wenn man Joe Reagles Umkehrung der Fragestellung
f=FCr m=F6glich, vielleicht sogar f=FCr erfolgversprechend h=E4lt: Joe Rea=
gle
stellt in Wahrheit die Machtfrage. Wir wissen, wie sie normalerweise
entschieden wird. Ever the imperialist, ever the lawyer. 

Inzwischen habe ich einige praktische Erfahrungen mit dieser Umkehrung
der Fragestellung gemacht, die ich mit Joe Reagle und Lawrence Lessig
wohl gemeinsam habe. Ich habe sie mehrfach, angereichert mit
Beispielen aus dem Urheberrecht, vor durchaus illustren deutschen
Juristen vorgetragen. Ich kann mich nicht erinnern, jemals in meiner
beruflichen Laufbahn =F6ffentlich so beschimpft worden zu sein wie bei
diesen Gelegenheiten. Unsinn habe ich sicher auch schon vorher
erz=E4hlt. Das alleine wird es nicht gewesen sein. Was veranla=DFt dann
erwachsene, sonst so besonnene und gestandene Juristen, =F6ffentlich so
zu p=F6beln? Ich kann Gleiches von einem Kollegen berichten, der ein
ziemlich bekannter Philosophieprofesor in Deutschland ist. Er hat es
gewagt, in seinem neuesten Buch eine =E4hnliche These zu vertreten. In
einer Rezension bescheinigt ihm der eigenem Anspruch nach f=FChrende
Cyberlaw-Spezialist der Bundesrepublik eine N=E4he zu
national-sozialistischem Gedankengut und eine rechtsphilosophische
Naivit=E4t und Unbedarftheit, die er nirgendwo anders gelesen habe. 

Wo so geholzt wird, scheinen die Argumente ziemlich nahe dem Zentrum
der Macht zu sein. Ever the imperialist, ever the lawyer.
Offensichtlich empfinden manche Leute etwas als bedrohlich, was man
auch in einer n=FCchternen Gleichung festhalten kann: 

Das Internet und die =D6konomie sind ein B=FCndnis eingegangen - mit dem
Ergebnis, da=DF sich traditionelle =F6konomische Modelle jedenfalls
teilweise =FCberlebt haben. 

Da das Recht jedenfalls teilweise =F6konomische Sachverhalte abbildet,
mu=DF es sich diesen Ver=E4nderungen unter Umst=E4nden anpassen. 

Dabei ist es m=F6glicherweise aussichtsreich, die Werte, die das
Internet und Open Source erfolgreich gemacht haben, der Modellierung
k=FCnftiger Regularien zugrunde zu legen. 

In dieser Sicht ist das Internet und Open Source ein Modell der
Informationsgesellschaft. 

Die Fakten:
Regulierung durch Code oder Lex Informatica

Die Umkehrung der Fragestellung also: Tradition und Realit=E4t des
Cyberspace kann dem Recht etwas erz=E4hlen. Aber was? 

Ich m=F6chte hier zwei Anregungen geben: Eine zur Modellbildung und eine
zu den Werten. 

Modellbildung

Zun=E4chst zur Modellierung. Es ist wohl allgemein bekannt, da=DF das
Recht reguliert, es ist ein Regulierungssystem. 

Das bedeutet: 

     Es reguliert innerhalb eines gesetzten Rahmens - dem
     physikalischen Territorium 

     Die Regulierungsinhalte oder -instrumente sind Vorschriften wie
     Gesetze, Verordnungen, oder Gerichtsurteile 

     Es gibt Regeln, die sich anpassen lassen, beispielsweise der
     Vertrag 

     Diese k=F6nnen durch verschiedene Anpassungsverfahren und mit
     verschiedenen Kosten angepa=DFt werden: entweder auf implizite
     Weise (z.B. beim Einkauf im Supermarkt), mithilfe von
     Standardvertr=E4gen (Arbeits-, Kauf-, Dienst- oder Werkvertrag),
     oder durch individuelle Aushandlung auf die jeweiligen
     Bed=FCrfnisse zugeschnitten werden. 

     Die haupts=E4chliche Durchsetzung erfolgt durch Gerichte mit der
     staatlichen Exekutive im Hintergrund. 

     Quelle, wie wohl gemeinhin bekannt, ist der Staat. 

Die erste Anregung, den ich Ihnen nahebringen m=F6chte, ist dieser: 

      Das wichtigste Regulierungssystem im Cyberspace ist der Code -
      Software, Protokolle und Standards. 

Der Code bestimmt, was man auf seinem Computer oder im Internet machen
kann und was nicht, bestimmt und begrenzt die M=F6glichkeiten der
Nutzung. Man bezeichnet dieses Regulierungssystem auch als Lex
Informatica[2]: 



                              Recht 	Lex Informatica           
Rahmen
                              physikalisches Territorium
                                                Netzwerk 
Inhalt
                              Vorschriften/Gerichtsurteile
                                               Technische F=E4higkeiten 
                                               Gewohnheitspraktiken  

Anpa=DFbare Regeln 
                              Vertrag
                                                Konfiguration

Anpassungsverfahren
                              implizit (niedrige Kosten) 
                              Standardformen (mittlere Kosten) 
                              individuelle Aushandlung (Hohe Kosten)
                                                Standardkonfiguration 
                                                Installierbare 
                                                Konfiguration 
                                                Benutzerauswahl       

Haupts=E4chliche Durchsetzung
                              Gericht
                                                 Automatisiert,
                                                 Selbstausf=FChrend     

Quelle
                              Staat
                                                  Informatiker,
                                                  Techno-Geeks

Werte
                              "Verfassungstradition"
                                                   ???


Auch hier haben wir also die f=FCr Regulierungssysteme
charakteristischen Elemente: 

     Der Rahmen: Selbstverst=E4ndlich das Netzwerk 

     Die Inhalte: Dies sind die technischen M=F6glichkeiten, die der
     Code vorgibt, und die Praktiken, die von diesen M=F6glichkeiten
     benutzt werden. 

Ein Beispiel: Das HTTP-Protokoll gibt vor, auf welche Weise durch ihn
kommuniziert werden kann: Es reguliert - zusammen mit der Software,
also dem Apache-Server - die spezifischen M=F6glichkeiten dieses
Dienstes. 

Aber sicher werden nicht alle M=F6glichkeiten, die das Protokoll bietet,
auch genutzt werden. Vielleicht implementiert der Apache-Server
bestimmte Protokollelemente nicht, da sie sowieso keiner benutzt.
Technische F=E4higkeiten und Gewohnheitspraktiken also. 

     Auch der Code l=E4=DFt sich - soweit vorgegeben - anpassen an die
     jeweiligen Bedingungen. Alle Computernutzer werden dies kennen:
     Voreinstellungen von Programmen, Service Packs und Makefiles,
     Systemerweiterungen oder Nutzerpr=E4ferenzen: Hier werden die
     Regeln des Codes von Benutzer, durch Standardkonfiguration oder
     bei der Installation angepa=DFt. 

     Die haupts=E4chliche Durchsetzung erfolgt unmittelbar. Wenn ein
     Browser keine Einstellung bietet, die Cookies abzuschalten, so
     wird diese Regel einfach durchgesetzt (ich sprach ja nicht davon,
     da=DF man die Regel nicht umgehen kann - durch Wahl eines anderen
     Browsers. Schmerzlicher schon, wenn die Durchsetzung beim
     Internetprovider passiert... 

     Und schlie=DFlich eine wichtige Konsequenz dieses Modells der Lex
     Informatica: Die Quelle der Regulierungen, die Regulierer in
     diesem System sind Informatiker, 'Techno-Geeks', und Nutzer 

Sie bestimmen =FCber die technischen F=E4higkeiten der Software,
M=F6glichkeiten und Optionen von Standards und Protokollen, und die
jeweiligen Anpassungen - Einstellungen ihrer Software. 

Meine erste Anregung also - Lex Informatica, und Sie selber sind
Regulierer. 



Werte von Internet und Open Source

Erinnern Sie sich an Joe Reagle: Werte der Verfassungstradition, des
Rechts, klar. Aber die Werte, die der Tradition des Internets, der
Open Source zugrundeliegen? 

Hier ist die zweite Anregung, die ich Ihnen heute nahebringen m=F6chte:
Diese Werte des Cyberspace, der Lex Informatica, stehen hinter dem
Erfolg des Internets, der Open Source-Bewegung. 

Je klarer wir uns dieser bewu=DFt werden, je deutlicher man sie
heraussch=E4len kann, desto besser. F=FCr einen Dialog mit Juristen. F=FCr
die Lex Informatica. Und f=FCr Open Source und Cyberspace. 

Ich habe versucht, Umrisse zwei solcher Werte zu skizzieren. Und Sie
werden sehen, es klingt so gar nicht spektakul=E4r, so neu. Genau das
macht ja einen Wert aus, da=DF er implizit in den Menschen und ihren
T=E4tigkeiten vorhanden ist. 

Aber es ist gar nicht leicht, Selbstverst=E4ndlichkeiten auf den
Begriff, als Grundwert zu formulieren, explizit in Worte zu fassen. 

   1.Die Open Source Initiative arbeitet zur Zeit an einer Open Source
   Definition[3], die so etwas wie die Essenz der
     verschiedenen Lizenzen darstellt. 

     Darin habe ich eine Regel gefunden, die diesen ersten Wert f=FCr
     deren Zwecke so fa=DFt: 

                                 No Discrimination Against Fields of
                                 Endeavor 
     [4] 

     Eine Open Source soll man lesen, studieren, kopieren,
     modifizieren und weiterentwickeln k=F6nnen, ohne auf irgendein
     Anwendungsgebiet beschr=E4nkt zu sein. Niemand darf die Zwecke
     bestimmen, f=FCr die die Software benutzt oder weiterentwickelt
     wird. 

     Lessig nennt dies "Open Forking"[5], also Offenheit des Codes,
     sich in beliebige Richtungen zu verzweigen. 

     Und dieser Wert ist auch im Internet zu finden, z.B. bei den
     Sourcen von HTML-Seiten, die beliebig angesehen, kopiert,
     modifiziert und weiterverwendet werden k=F6nnen. 

     Vielleicht ein alter Hut f=FCr gestandene Open-Sourcer. Aber gerade
     darum: ein Grundwert der Open Source. 

     Eine Bedingung f=FCr diesen Wert ist es aber zum Beispiel - das
     sprach Dirk Hohndel (SuSE) gestern nebenbei an -, da=DF zu einem
     'genialen Code' auch eine 'anf=E4ngerverst=E4ndliche Dokumentation,
     Kommentare' geh=F6ren. Je klarer der Code, desto mehr k=F6nnen ihn
     verzweigen, desto st=E4rker kann dieser Wert durchgesetzt werden. 

   2.In mehreren Vortr=E4gen gestern klang der zweite Grundwert mehrfach
   an, und auch unser Vorredner Prof. Szyperski
     erw=E4hnte ihn. Aber nicht als spektakul=E4re Aussage, sondern
     einfach so, nebenbei. 

     So Claus Kalle =FCber die Arbeit der Internet-Gremien (Internet
     Engineering Task Force, IETF): 

                          "Nur interoperierende, funktionierende
                          Implementationen z=E4hlen" 

     Und Kalle Dalheimer zum Projekt KDE: 

        "Projektleiter ist nicht der mit dem h=F6chsten akademischen
        Grad, l=E4ngste Zugeh=F6rigkeit oder lautestes Mundwerk,
                                      sondern der beste Entwickler" 

     Dahinter steckt ein ganz zentraler Wert der Open Source, des
     Cyberspace und vielleicht sogar f=FCr eine wie auch immer geartete
     <<Informationsgesellschaft>>: 

     Nicht durch akademischen Grad, Seniorit=E4t, lautes Mundwerk, nicht
     durch k=F6nigliche Geburt, formale Verfahren, oder Wahlen wird man
     Projektleiter. 

     Jeder darf teilnehmen, mitmachen. Und die Autorit=E4t gewinnt man
     durch die funktionierende Implementation, durch "running code",
     als bester Entwickler. 

     Der Wert ist also, da=DF jeder - ungeachtet seines Standes - durch
     seine Arbeit an Reputation, an Autorit=E4t gewinnen kann. Die
     Offenheit, da=DF jeder einen Beitrag leisten kann, und da=DF er nur
     danach bewertet wird und Autorit=E4t, Vertrauensw=FCrdigkeit
     erlangt.[6] 

Soweit diese Umrisse von Werten. Aber wozu n=FCtzt das Modell von Lex
Informatica, n=FCtzt die Arbeit, ihre Werte herauszuarbeiten? 

Ever the imperialist, ever the lawyer. F=FCr die meisten Juristen -
insbesondere deutsche - scheint es nur ein Regulierungssystem zu
geben, n=E4mlich das Recht. 

Aber wie man gesehen hat, gibt es mit der Lex Informatica ein
gleichrangiges Regulierungssystem. Sie besitzt Grundwerte, hat
Verfahren und Regulierer. 

Verfolgt man diesem Gedanken weiter, so mu=DF das Verh=E4ltnis zwischen
Cyberspace und Recht - und die =D6konomie als Dritten im Bunde - neu
bestimmt, neu erstritten werden. 



Die L=F6sung:
Internet Governance statt starrer rechtlicher Regularien

Wesentlich f=FCr den Erfolg von LINUX und anderer freier Software ist
das Entwicklungsmodell. Der finnische Student Linus Torvalds, der die
Entwicklung von LINUX 1991 angesto=DFen hat, beteiligte von Anfang an
eine Vielzahl von Fachleuten, die nat=FCrlich =FCber das Internet
miteinander verbunden waren, in aller Welt an der Programmentwicklung.
Entstanden ist so ein "riesiges Unternehmen ohne Mauern, ohne
Aktion=E4re, ohne Geh=E4lter, ohne Werbung und Einkommen" (Le Monde), ein
Unternehmen, das mit einer einfachen Methode das Produkt immer besser
gemacht hat: Jeder macht Anstalten, LINUX zu verbessern und jeder
bekommt das bessere Ergebnis zur=FCck. 

Offensichtlich werden so gro=DFe Werte erzielt, die aber mit Geld
nichts, oder doch praktisch nichts zu tun haben. Andererseits mu=DF auch
Linus Torvalds das Geld f=FCr seine Pizza von irgendwo und irgend jemand
herbekommen. 

In diesem =F6konomischen Mikrokosmos f=FChrt also minimaler Einsatz von
Ressourcen (Assistentengehalt, Transaktionskosten im Internet) zu
einem maximalen Ergebnis. Im Gegensatz dazu entwickelt Microsoft als
absoluter Marktf=FChrer und Quasi-Monopolist mit hohem Kapitaleinsatz
Produkte, die in ihrer Qualit=E4t vermutlich sogar schlechter sind. Man
kann sagen, da=DF dieses Entwicklungsmodell der Open Source-Bewegung auf
alternative Entwicklungspfade in der Marktwirtschaft verweist und
vielleicht deshalb von der Fach=F6ffentlichkeit noch nicht zur Kenntnis
genommen wird. Statt dessen ist diese Fach=F6ffentlichkeit von =D6konomen
und Juristen im B=FCndnis mit der deutschen und europ=E4ischen Politik
dabei, die Entwicklungsstrategie von Microsoft & Co mit Hilfe des
Urheberrechts zu verfestigen. 

Das klassische Urheberrecht ist in seiner =F6konomischen Wirkung ein
tempor=E4res Monopolrecht. Durch gezielte Wettbewerbsbeschr=E4nkungen, die
dem Sch=F6pfer geistiger Werke einger=E4umt werden, will man Wettbewerb
erm=F6glichen. Der europ=E4ische Gesetzgeber und in seinem Gefolge
Deutschland haben schon fr=FCh die =F6konomische Relevanz der Informatik
mit ihren Produkten erkannt und entsprechende Regelungen erlassen:
Eine Computerprogramm-Richtlinie; eine Vermietrechts-Richtlinie,
Kabel- und Satelliten-Richtlinie, Schutzdauer-Richtlinie und
Datenbank-Richtlinie; eine Richtlinie, die den Rahmen f=FCr das
europ=E4ische Urheberrecht setzen will, ist in der Diskussion. Das
=F6konomische Modell dieser Konzepte unterstellt, da=DF Geist eine knappe
Ressource ist, dessen Entfaltung durch besondere
Wettbewerbsbeschr=E4nkungen gesch=FCtzt werden mu=DF. Im klassischen Konze=
pt
mu=DFten geistige Werke eine bestimmte "Sch=F6pfungsh=F6he" vorweisen
k=F6nnen, um in den Genu=DF der urheberrechtlichen Monopolrechte zu
kommen. Inzwischen ist dies Einschr=E4nkung weitgehend aufgegeben
worden, insb. im sog. sui generis Schutz von Datenbanken, der durch
das neue Informations- und Kommunikationsdienstegesetz (IuKDG) des
Bundes schon in deutsches Recht umgesetzt wurde. Ein prinzipieller
Unterschied zwischen einem Autor wie Goethe mit seinem Faust und einer
Firma, die ein Telefonbuch herausgibt, wird nicht mehr gemacht. Diese
Regelungen haben f=FCr das Internet - der Basisstruktur der
Informationsgesellschaft - nachgerade absurde Konsequenzen: Fast jede
Sammlung von Hyperlinks und die meisten Zusammenstellungen von
Informationen aus Homepages unterstehen damit dem Schutzregime des
seit 1. Januar 1998 geltenden Urheberrechts. Es gew=E4hrt dem
Datenbankhersteller etwa ein 15 Jahre w=E4hrendes Recht, die Datenbank
zu ver=E4ndern, zu vervielf=E4ltigen etc. Mir kommt es hier weniger auf
den verfassungsrechtlichen Gehalt dieser Regularie an, denn man k=F6nnte
mit guten Gr=FCnden einen Versto=DF gegen die Informationsfreiheit
annehmen. Wichtig ist mir der Hinweis auf das problematische
=F6konomische Modell, das diese Regularien abbilden. Urheberrechte sind
geschichtlich entstanden aus dem stetigen Kampf der Sch=F6pfer geistiger
Werke gegen die Willk=FCr des jeweiligen Souver=E4ns. Autoren sollten ihre
Rechte aus sich selbst erhalten und mit ihren Werken auch verdienen
k=F6nnen. Am Ende dieses Kampfes stand 1883 die Berner =DCbereinkunft zum
Schutz von Werken der Literatur und Kunst, die das Prinzip freien
geistigen Schaffens weltweit legitimierte und =F6konomisch hoff=E4hig
machte. 

Die erw=E4hnten Richtlinien und Gesetze haben nun diesen Ansatz nach der
Formel Onlinerecht =3D Offlinerecht im gro=DFen und ganzen unver=E4ndert a=
uf
Software, Netze und Datenbanken =FCbertragen. Es gibt jetzt aus der
Sicht des Urheberrechts keinen prinzipiellen Unterschied mehr zwischen
Goethes Faust, dem WINDOWS NT-Betriebssystem und einer strukturierten
Linksammlung auf meiner Homepage. Vor einer solchen Entwicklung hatte
der Supreme Court der Vereinigten Staaten in seiner ber=FChmten
"Feist-Entscheidung"[7] von 1991 noch gewarnt. Der Einsatz von noch
soviel Kapital f=FCr die Entwicklung eines Produktes k=F6nne keine
Rechtfertigung f=FCr die Begr=FCndung von Urheberrechten sein. 

Die aktuelle Rechtsentwicklung in der Welt hat zwar diese Warnung
au=DFer acht gelassen, doch zeigt ein so hochrangiges Votum immerhin,
da=DF auch andere Fachleute eine grundlegende systemische
Fehlentwicklung bef=FCrchten. Dabei ist die =F6konomische Rationalit=E4t d=
er
Supreme Court-Entscheidung offensichtlich. Der Wettbewerb um immer
h=F6here Qualit=E4t mu=DF nicht durch Urheberrechte gesch=FCtzt werden. Im
Gegenteil: Hohe Qualit=E4t wird durch Urheberrechte verhindert. Wo es
unbillig zugeht, kann Lauterkeitsrecht oder irgendein anderes neues
Rechtsgebiet Abhilfe schaffen. So hat es den Anschein, als w=FCrde der
vorhandene europ=E4ische Regulierungsansatz die jetzt schon Starken
beg=FCnstigen. 

Man erkennt an diesem Beispiel, da=DF es sich bei den unterschiedlichen
Entwicklungsstrategien von Open Source und beispielsweise Microsoft
nicht um den allseits bekannten Kampf Marktwirtschaft gegen staatlich
regulierte Wirtschaft handelt, denn beide Strategien k=F6nnen
miteinander verbunden werden. Ob diese Verbindung die zukunftsweisende
Variante ist, l=E4=DFt sich gegenw=E4rtig nicht beweisen. Ich neige dazu,
sie zu bejahen: Denn die LINUX-Entwickler und viele andere moderne
Unternehmen haben ein entscheidendes Moment der
Informationsgesellschaft besser als andere verstanden und umgesetzt.
Das Netz wird nicht nur zur Daten=FCbertragung genutzt wie beim
herk=F6mmlichen Gesch=E4ftsverkehr, sondern seine dezentrale Struktur ist
Moment der Produktion von Dienstleistungen selber. In diesem Sinne ist
das Netz der Markt, ein Markt, den die vielen Menschen auf der Welt
bilden. Nat=FCrlich wird dieser Markt wie andere auch ohne Regeln nicht
funktionieren k=F6nnen. 

Es gibt aber gute Gr=FCnde f=FCr die Annahme, da=DF klassische
Regulierungsans=E4tze dieser neuen Wirklichkeit nicht mehr gerecht
werden. In der internationalen Diskussion ist es =FCblich geworden, die
n=F6tige andere Sicht durch den Begriff Internet Governance
auszudr=FCcken. Dieser Begriff betont die weichen =DCberg=E4nge zwischen
verschiedenen Regulierungstypen, sieht Selbstregulationsmechanismen
und Lex Informatica vor und legt geringeren Wert auf rechtliche
Regeln. Deutschland und die Europ=E4ische Union t=E4ten gut daran, diese
Philosophie mindestens solange zu =FCbernehmen, wie das Netz sich in der
augenblicklichen Dynamik entwickelt. Hierf=FCr gibt es nicht nur
=F6konomische Gr=FCnde - die Menschen, die schon in der
Informationsgesellschaft angekommen sind, sind nicht mehr die
gleichen, die die Industriegesellschaft am Laufen gehalten haben. 

Was hei=DFt dies alles zusammengefa=DFt: 

Erstens: 

Die Werte der Open Source-Bewegung haben sich deshalb durchgesetzt,
weil sie eine ad=E4quate Antwort auf die Organisation der von mir aus so
zu nennenden Informationsgesellschaft sind. Open Source ist die
richtige und zukunftweisende Antwort auf einen neuen Gesellschaftstyp.


Zweitens: 

Wenn aber, wie wir behaupten, Open Source Pate stehen kann und soll
f=FCr das Modell von Gesellschaft =FCberhaupt, dann mu=DF der kozeptionell=
e
Rahmen der Betrachtung erweitert werden. Es geht nur auch um die
Offenlegung von irgendwelchen Programmsourcen. Es geht um das Prinzip
der Offenheit in modernen Demokratien insgesamt. Wieder kann man von
Lessig lernen, was Offenheit in diesem weiten Sinne zumindest
beinhalten mu=DF: 

Nat=FCrlich Open Source, oder Open Code, wie er es nennt. 

Dar=FCberhinaus aber: 

     Open Governance 
     Open Education 
     Open Content 
     Open Security 

Und selbstverst=E4ndlich 

     Open Law. 

So ungef=E4hr m=FC=DFte eine juristische Programmatik von Open Source
aussehen. 

In Deutschland sind wir noch Lichtjahre von einem solchen Ansatz
entfernt. Es lohnt sich also, Lawrence Lessig im Berkman Center for
Internet and Society der Harvard Law School einmal zu besuchen. 

Lessig und wir haben ein weiteres Anliegen gemeinsam: 

Manche Netzaktivisten, der fr=FChe Barlow etwa[8], neigen dazu, die
eigenen Positionen zu =FCbersch=E4tzen. Keine noch so gute offen gelegte
Software wird je in der Lage sein, die Unterschiede von arm und reich,
von gerecht und ungerecht abzuschaffen. Immer mu=DF der Schutz der
Schwachen organisiert werden. Das m=FCssen spezielle Agenten =FCbernehmen.
Es gibt viele gute Gr=FCnde, dem Staat, vor allem dem deutschen Staat
insoweit eher zu mi=DFtrauen. Falls wir aber zur Auffassung gelangen,
da=DF manche Werte vom Staat am ehesten gesch=FCtzt werden sollten,
sollten wir nicht z=F6gern, den Staat mit dem Schutz dieser Werte zu
beauftragen. 

Wir wissen jetzt genug, um eine Prognose zu wagen: Dieser Staat ist
nicht mehr der alte Macho und Hierarch, dem unsere Eltern noch
zugejubelt haben. Er kooperiert mit uns in einem Geflecht, f=FCr dessen
Stabilit=E4t Informatiker und Techno-Geeks verantwortlich sind. Jurist,
der ich nun einmal bin, tr=E4ume ich seit Jahrzehnten davon, da=DF, es so
gelingen m=F6ge, eine =FCberkommene Weisheit jedenfalls ein wenig zu
widerlegen: 

                                 Ever the imperialist, ever the
                                 lawyer. 




Literatur

Barlow, John Perry 1996: 
     Unabh=E4ngigkeitserkl=E4rung des Cyberspace v. 8.2.1996. Deutsche
     =DCbersetzung unter
     http://www.heise.de/TP/issue196/terminal/1028/fhome.htm,
     30.5.1996. 
Cyberspace und der amerikanische Traum 1995: 
     Auf dem Weg zur elektronischen Nachbarschaft: Eine Magna Charta
     f=FCr das Zeitalter des Wissens. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung
     v. 26.8.1995; das englische Original v. 22.8.1994 z.B. unter
     http://TownHall.com/pff/position.html, 15.4.1995. 
Lessig, Lawrence 1998: 
     The Law of the Horse: What Cyberlaw Might Teach.
     http://cyber.law.harvard.edu/works/lessig/LNC_Q_D2.PDF,
     11.3.1999. 
Lessig, Lawrence 1999a: 
     Open Code and Open Societies: Values of Internet Governance.
     Draft 2. http://cyber.law.harvard.edu/works/lessig/kent.pdf,
     11.3.1999. 
Lessig, Lawrence 1999b: 
     The Limits in Open Code: Regulatory Standards and the Future of
     the Net. http://cyber.law.harvard.edu/works/lessig/BerkPub.pdf,
     10.7.1999. 
Lutterbeck, Bernd 1998: 
     Das Netz ist der Markt. Governance in der Online=F6konomie. In: Das
     Parlament v. 25.9.1998. 
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     Lex Informatica: The Formulation of Information Policy Rules
     through Technology. In: Texas Law Review, Vol. 76 No. 3 (February
     1998), pp.553-593. 




Fu=DFnoten

[1] Lessig 1999a. 

[2] Reidenberg 1998. Die Tabelle ebd., S. 569, =DCbertragung ins Deutsch
und Erweiterungen durch die Autoren. 

[3] The Open Source Definition, http://www.opensource.org/osd.html,
15.7.1999 (Version 1.4) 

[4] The Open Source Definition (V. 1.4), Artikel 6. 

[5] Lessig 1999a, S. 9f. 

[6] Lessig bezeichnet diesen Wert als "Universal Standing"; vgl.
Lessig 1999a, S. 12f. 

[7] Feist v. Rural Telephone Service, U.S. Supreme Court-Entscheidung
v. 27.3.1991, 499 U.S. 340 (1991),
http://laws.findlaw.com/US/499/340.html 

[8] Vgl. Barlows allgemein bekannte "Unabh=E4ngigkeitserkl=E4rung des
Cyberspace von 1996 und - immer noch bemerkenswert - die von Toffler
u.a. herausgegebene "Magna Charta des Wissens". 
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