[WOS] WOS2 startet durch

Hendrik Naumann wos@mikrolisten.de
Sun, 27 May 2001 12:33:29 +0200


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Lieber Volker

Hier meine Gedanken zu einigen auf der Internetseite veröffentlichten
Themen:


1. Informationsvielfalt: Eigentum an Informationen in Wissenschaft und
Business

... ist ein sehr wichtiges Thema und ich stimme in fast allen Punkten
mit dem abstract überein. Eine Sache möchte ich kritisieren: Das
Zentrale Dogma der Genetik.

Aufhängen möchte ich meine Bemerkungen an folgendem Zitat:

Over the last ten years, with the aid of increased computing power,
robotic sequencing tools, large scale database management tools, and
the internet, biology has developed into a computationally intensive
science as well. This computational change has affected biology
itself, not just its management: there are now software tools for
semi-automated discovery of genes from gene fragments, the 3D
visualization of protein folding which can aid understanding structure
and function, and large scale _in silico_ screening of molecules that
might prove active as drugs against known pathways.


Zentrales Dogma: Es ist eine Arbeithypothese das die Gene das
bestimmende Element in der Zelle sind. Das also die Kenntniss der Gene
auch den ganzen Menschen erklären kann.

Wunderbare Texte darüber finden sich von vielen (vor allen
feministischen) Wissenschaftshistoriker/kritikerInnen - z.B. Evelyn
Fox Keller. Ich habe auch in den Anhang einen kurzen Text
aus dem CTheory-Zine angefügt.

Nicht nur das die Bioinformatik ignoriert, daß die Gene wahrscheinlich
nicht das einzig steuernde Zentrum der Zelle sind, sie ignoriert
soweit ich weiss auch komplexe Mechanismen der Genregulation. Um es
kurz zu fassen ist die Bioinformatik der momentane Endpunkt einer
meiner Meinung nach fahrlässigen Kette von Vereinfachungen (die
übrigens ganz in der Tradition weißer männlicher Naturwissenschaft
liegen)

Zelle ==> Gene ==> Code.
 
Auf den Schulter dieser Analogien werden Veränderungen in unserer
Gesellschaft vorgenommen, Daten gesammelt und patentiert, Milliarden
ausgegeben.

Einen wunderbaren Artikel dazu hat Stephan Geene in der Jungle World
geschrieben. In dem er die Versprechen der Biotechbranche/Biologie mit
den Versprechen der Weltraumindustrie/Physik vergleicht. Das baldige
Heil der Gesellschaft werde im Weltraum/Genom liegen.

Ich möchte nicht vorschlagen, sich damit auf dem Kongress zu
beschäftigen - ich möchte nur bitten, vorsichtiger mit diesen
Zusammenhängen umzugehen, um der Etablierung dieser Ideologien nicht
noch weiteren Vorschub zu leisten. Letztlich bietet diese Sichtweise
einen weiteren Ansatzpunkt die im abstract geschilderten Entwicklungen
hinterfragen.
 
Um sich nicht zu sehr auf
gentechnische/biotechnologische/pharmazeutische Probleme zu legen,
schlage ich vor auch ein paar andere Gruppen einzuladen, die sich
ebenfalls mit freiem Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen
beschäftigen. 
z.B Public Library of Science
http://www.publiclibraryofscience.org

Eine Initiative die sich für die kostenlose Veröffentlichung aller
wissenschaftlichen Publikationen im Internet einsetzt. Vielleicht
auch als Reaktion darauf, wurde im Onlineportal der Zeitschrift Nature
ein Diskussionsforum zu diesem Thema eingerichtet. Leider hab ich
jetzt auf die Schnelle nicht den Link gefunden.

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2. Freie Software -- wirtschaftliche und gesellschaftliche Trends 

Hier ist der WOS-Kongress wieder genau zum richtigen Zeitpunkt
angesiedelt. Gerade jetzt wo im Zuge der Dot.com Krise auch einige
Linux-Firmen Probleme haben, oder schliessen müssen. Siehe Eazel, VA
Linux Entlassung von XFS-Entwicklern bei SGI. Manchmal stellt sich mir
da die Frage: haben sich einige OS-Projekte zu sehr auf die Hilfe von
Unternehmen eingelassen? Klar den Nautilus-Browser steht unter der
GPL, aber viel Kritiker schon vor der Pleite von Eazel haben die
Eigenbrötlerei - lieber eine inhouse-Lösung zuschriben als schon
verfügbare OS-Tools zu integrieren - angemahnt. Was macht der Gnome
jetzt mit diesem riesen Brocken Browser Software? Seit Netscape ist
bekannt, wie schwer sich OS-EntwicklerInnen tun, wenn es ans annehmen
von nicht sehr offen entwickeltem Code geht. Ist die
Community-Vorgehensweisse von Koqueror (KDE) konsequenter und nicht so
störungsanfällig? Weiter gehts mit Ximian und Gnome.

Nicht auszudenken was passiert, wenn VA Linux mit samt Sourceforge
(welches wahrscheinlich extrem defizitär läuft), das für immer mehr
wichtige OS-Projekte zur zentralen Entwicklungsplattform wird.

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3. Kooperative Modelle der Kreativität 

Ich weiss das Heidi Schelhowe bei uns an der TU einen Vortrag gehalten
hat, wie sich sowas in einem internationalen Projekt, wie der IFU
integrieren lässt. Ich konnt leider zu diesem Termin nicht und würde
allein deswegen gern nochmal was davon hören. Das klingt nämlich alles
wunderbar, aber ist wenn man es dann konkret angehen möchte unheimlich
schwierig und scheitert oft an ganz banal klingenden Dingen, wie
mangelnder Akzeptanz für das Medium.

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4. Betriebssysteme der Wissensgesellschaft, Die Rechtliche Ordnung des
Wissens Urheberrecht, Rechtliche Ordnung ­ das Information Commons

Hier ist zumindest mein Theoriebedarf schon ganz gut gedeckt. Viel
interessanter würde ich es finden, wenn Projekte/Initiativen
vorgestellt würden, die sich konkret "politisch" für - z.B die
Liberalisierung des Urheber/Verwertungsrecht - einsetzten. Es
ist erschrecken, daß bei der Verabschiedung der Europäischen
Sicherheitsgesetze eigentlich nur die Bedenken der Providerlobbygruppe
gehört wurden, deren Forderungen sich in diesem Fall glücklicherweise
an einigen Stellen, mit denen von anderen AktivistInnen
überschnitten. 

Also Plattform geben. :)

Auf dem CCC-Kongress in Berlin waren sich recht viele sicher, daß alle
Versuche die Freiheit im Internet einzuschränken, technologisch nie
durchführbar sind. Ich bin mir langsam nicht mehr so
sicher. Vielleicht kann der Kongress dazu beitragen neue Allianzen zu
schmieden? Volker hatte ja auch einmal den Vorschlag eine Kampagne zu
starten gepostet, leider hab ich nichts mehr gehört.

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5. Betriebssysteme der Wissensgesellschaft  Bildung

Zu diesem Punkt werde ich mich nochmal mehr umhören. Es gab zu diesem Thema 
einen recht guten Kongress letzten Herbst, der von der Rosa Luxenburg Stiftung
und dem Asta der TU-Berlin organisiert wurde. Da ist mir
ein sehr interessanter Mensch vom BDWi aufgefallen. Letztlich ist
dieses Thema wohl recht länderspezifisch.

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6. Sicherheit

Vielleicht könnte man ihr auch das Spannungsverhältnis zwischen
Sicherheit und dem "Informationsbedürfnissen der Executivorgane" :)
beleuchten. Ist momentan ja auch ganz heiss.

Ganz technisch: 

  1. Würde mich interessieren was das kommende IP Protokoll IPv6,in
  Punkto Sicherheit jetzt wirklich bietet.

  2. Systeme mit denen ich meine Anonymität im Internet wahren kann,
  halte ich ebenfalls für wichtig. Da gibts ein
  Projekt an der TU-Dresden. Das steht im krassen Gegensatz zum
  Betreiben der Innenminister und Polizeioberüberwacher :).  

  3. gnupg kann nicht genug gehypt werde, allerdings wäre bei denen
  auch mal interessant was die mit den 200.000 oder 300.000 DM
  Fördergeldern gemacht haben. Sie sollten soweit ich weiss einen
  Windowsclient schreiben, wofür sich scheinbar recht wenig
  OS-EntwicklerInnen gefunden haben. 


Bei näheren Interesse würde ich mich auch für Recherchen zur Verfügung 
stellen.

Tschuess Hendrik

 


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