[wos] Alternative Anhörung Urheberrechtsgesetz 23.1.03, 18:00

Volker Grassmuck wos@post.openoffice.de
Mon, 20 Jan 2003 23:02:29 +0100


+++ Alternative Anhörung Urheberrechtsgesetz +++

Do, 23. Januar 2003, 18:00
Humboldt Universität Berlin, Kinosaal, Unter den Linden 6


Mit einer derzeit im Bundestag verhandelten Gesetzesnovelle hat sich die 
Regierung das Ziel gesetzt, das Urheberrecht an die digitale 
Informationsgesellschaft anzupassen. Für die Nutzer stellt der kurz vor der 
Abstimmung stehende Entwurf aber einen Rückfall in die analoge Steinzeit 
dar. So wird sich der Verbraucher in Zukunft beispielsweise von einer 
geschützten Musik-CD keine Kopie mehr für Auto oder MP3-Player ziehen 
können. Die digitale Privatkopie soll abgeschafft werden. Im Internet sollen die 
heutigen Nutzungsfreiheiten für Bildung, Bibliotheken und die Allgemeinheit 
überhaupt nicht mehr gelten. Medienkonzerne erhalten stattdessen einen 
Freibrief ausgestellt: sie können mit Kopierschutz und anderen technischen 
Maßnahmen festlegen und kontrollieren, wie Information künftig genutzt wird. 
Fachleute äußern dagegen Verfassungsbedenken.

Privatkopie.net nimmt das zum Anlass, eine Alternative Anhörung zu 
veranstalten, um die gesellschaftlich prekären Folgen des Gesetzentwurfes 
aufzuzeigen.


Sprecher: 

John Perry Barlow,
Mitbegründer der Electronic Frontier Foundation (EFF), Fellow am Berkman 
Center for Internet and Society der Harvard Law School
http://www.eff.org/~barlow/

wird über vier Jahre Erfahrungen unter dem Digital Millenium Copyright Act 
(DMCA), der US-amerikanische Entsprechung zur deutschen Novelle 
berichten. An zahlreichen Fällen hat sich gezeigt, dass das Umgehungsverbot 
für DRM-Systeme in großem Umfang rechtmäßige Verhaltensweisen 
beeinträchtigt hat. Der DMCA gefährdet die Meinungs- und Forschungsfreiheit, 
schmälert Verbraucherrechte und bildet ein erhebliches Hindernis für 
Wettbewerb und Innovationen.

Barlow war Liedtexter der Grateful Dead und tritt seit langem für ein radikal 
neues Verständnis von Urheberrecht ein. Er gilt als Netzaktivist der ersten 
Stunde und ist der Verfasser der legendären "Unabhängigkeitserklärung für 
den Cyberspace".


Dirk Günnewig, M.A.
Universität Dortmund, Politikwissenschaftler am FB Mathematik, und digital-
rights-management.de
http://digital-rights-management.de/

gibt einen Überblick über die technologischen Grundlagen der Digital Rights 
Management Systeme, für die das neue Gesetz einen Umgehungsschutz 
schafft. Ihr Kernbestandteil sind Verfahren der Nutzungskontrolle digitaler 
Güter, die meistens durch einen Kopierschutz ergänzt werden. DRM soll 
illegale Nutzungen verhindern und neue Geschäftsmodelle für Filme, Musik 
und Texte ermöglichen. DRM kontrolliert, wer, was, wann, wo, wie nutzt. Wird 
DRM nicht reguliert, müsste es mit "Digital Restriction Management" 
übersetzt werden.


Till Kreutzer,
Institut für Rechtsfragen der Open Source Software (ifrOSS)
http://www.ifross.de/

erläutert die Regelung der Schranken im vorliegenden Gesetzentwurf. 
Schranken begrenzen die Rechte der Urheber und Verwerter und erlauben 
Bildung, Bibliothken, Behinderten und -- in Form der Privatkopie -- jedermann 
bestimmte Nutzungen ohne Zustimmung. Beim Einsatz von DRM ermöglicht 
der Gesetzentwurf den Begünstigten, die Mittel zur Nutzung eines Werkes von 
den Verwertern einzufordern. Davon ausgenommen bleibt allerdings die 
digitale Privatkopie. Im Onlinebereich sollen diese 
Durchsetzungsmöglichkeiten ganz entfallen.


Prof. Dr.iur. Bernd Lutterbeck
Professor für Informatik und Gesellschaft der Technischen Universität Berlin
http://ig.cs.tu-berlin.de/bl

wird den vorliegenden Gesetzentwurf in Bezug auf Unterricht und Forschung 
bewerten. Das Recht auf Zugänglichmachung z.B. in einem Intranet wird 
bestätigt. Auf die Stellungnahme des Bundesrates hin hat die 
Bundesregierung jedoch die Bildungsschranke verengt. Nun soll sie nur noch 
für „kleine Teile eines Werkes“ oder „Werke von geringem Umfang“ gelten. 
Filmwerke sollen ganz ausgenommen werden. Und die neue 
Bildungsschranke soll nun vergütungspflichtig sein.


Annette Mühlberg,
Leiterin des Referats Neue Medien und eGovernment beim ver.di 
Bundesvorstand, Berlin
http://www.verdi.de

wird die gesellschaftlichen Auswirkungen der Umsetzung des Gesetzentwurfs 
in einen breiteren Zusammenhang stellen, und herausarbeiten wie die 
Bundesregierung mit diesem Vorhaben ihre eigen politischen Leitlinien 
konterkariert.


Andreas Bogk,
Chaos Computer Club
http://www.ccc.de

wird über die Werkzeuge und Technologien sprechen, die das neu zu 
schaffende Umgehungsverbot illegal macht, und welche Folgen das für die 
tagtägliche informatische Praxis hat.


Moderation:
Jeanette Hofmann, Wissenschaftszentrum Berlin und 
Volker Grassmuck, 
Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik der Humboldt-Universität


Veranstalter:
Initiative privatkopie.net, Chaos Computer Club, Arbeitsgruppe Informatik 
und Gesellschaft der Humboldt-Universität, Netzwerk Neue Medien und 
mikro/Wizards of OS

Ermöglicht durch Unterstützung von:
Deutscher Bibliotheksverband, ver.di, Forum InformatikerInnen für Frieden 
und gesellschaftliche Verantwortung und Grüne Jugend

Der Eintritt ist frei.



Weiter Informationen zum Thema: 
<http://www.privatkopie.net/>

Initiative zur Rettung der Privatkopie
info@privatkopie.net