[wos] wem gehört die mona lisa - thema fuer die wos3?
Inke Arns
inke at snafu.de
Mon Jan 12 11:55:35 CET 2004
[Vielleicht waere das auch ein Thema fuer die WOS? Gruss, Inke]
DIE ZEIT
http://www.zeit.de/2004/03/Bildrechte-digital
03/2004
Wem gehört die Mona Lisa?
Digitale Kopien von Kunst sind ein Milliardenmarkt. Verlage
fürchten um ihre Existenz, Wissenschaftler um die freie Forschung
Von Rita Gudermann
Mona Lisa lächeln zu lassen bringt dem reichsten Mann der Welt
viel Geld. Nicht weil ihm das Gemälde gehört, sondern weil Bill
Gates über seine Bildagentur Corbis die Rechte an digitalen
Reproduktionen des berühmten Werks aus dem Pariser Louvre
erworben hat.
Das Recht an Mona Lisa ist nur eines unter Millionen anderen.
Corbis hat Verträge mit Museen wie der Londoner National Gallery
und dem russischen Staatsmuseum in Sankt Petersburg
geschlossen und ist damit einer der großen Akteure in einem
entstehenden Markt. Jennifer Hurshell, Vizechefin für Entwicklung
und Kommunikation bei Corbis, schätzt sein Volumen schon auf
zwei Milliarden Dollar. Andere Experten gehen von deutlich höheren
Summen aus, die für diesen ganz besonderen Rohstoff gezahlt
werden.
Bilder von Schätzen, die Museen angehäuft haben, füllen Bücher,
schmücken Cover und sind die Vorlagen für Plakate. Ob Miniaturen
aus mittelalterlichen Handschriften, Gebrauchsgrafiken aus den
zwanziger Jahren, die Werke Picassos oder die Pressefotos der
Zeitgeschichte: Sie sind in Schul- und Sachbüchern zu finden, in
Off- und Online-Enzyklopädien, in Kunstkalendern und
Werbebroschüren und umgeben uns auf Schritt und Tritt. Content
ist zum wichtigsten Produktionsfaktor des Informationszeitalters
geworden, Originalität ist Mangelware.
Die Museen kassieren dabei kräftig mit: In der Regel sind sie zu
etwa 50 Prozent an den Umsätzen beteiligt. Auch deutsche
Einrichtungen haben entdeckt, wie lukrativ die Vermarktung der
Bilder ihrer Sammlungsschätze ist. Immer mehr schließen
Verträge mit kommerziellen Bildarchiven die Bayerischen
Staatsgemäldesammlungen und das Kunstmuseum Bonn zum
Beispiel. Andere wie die Museen der Stiftung Preußischer
Kulturbesitz in Berlin vermarkten ihre Schätze selbst.
Das bleibt nicht ohne Folgen für die Nutzer des Angebots
insbesondere Verlage und Werbeagenturen stöhnen. Die
Bildkosten explodieren. Das macht unsere Arbeit wahnsinnig
schwer, sagt Claudia Bauer, Kunstlektorin beim Prestel-Verlag. Je
nach Verwendungszweck und Auflagen variieren die Preise: Eine
Abbildung in einem Fachbuch oder auf einer Homepage kostet
einige hundert Euro, das Titelfoto eines Nachrichtenmagazins
bereits eine vierstellige Summe. Richtig teuer wird es, wenn sich
ein Kunde etwa das Recht sichert, für eine große Werbekampagne
ein Bild exklusiv zu nutzen.
Aber ist es überhaupt rechtmäßig, dass die Museen die Bilder von
den Bildern vermarkten? Die hohen Kosten für Bildrechte stören
beispielsweise Wissenschaftler, die täglich mit historischen
Bildquellen arbeiten. Die Kommerzialisierung der Fotos von
Sammlungsgegenständen sei mit dem kulturellen Auftrag der
Museen nicht vereinbar, kritisiert der Freiburger Historiker Klaus
Graf. Denn die von Museen und Archiven gesammelten Schätze
wurden mithilfe öffentlicher Gelder angeschafft.
So weit wie Graf geht Klaus Dieter Lehmann, Präsident der Stiftung
Preußischer Kulturbesitz in Berlin, nicht. Aber er lehnt die Praxis
vieler Museen ab, die Bildrechte exklusiv an eine Agentur zu
vergeben. Dazu zwinge ihn schon sein Berufsethos. Wissenschaft
muss zu öffentlichem Wissen werden. Und deswegen betrachtet
er auch die Berliner Erklärung der Wissenschaftsorganisationen
zum Open Access vom Oktober dieses Jahres mit Sympathie. Sie
fordert, dass nicht nur wissenschaftliche Publikationen, sondern
auch Kulturgut frei im Internet zugänglich sein soll.
Demgegenüber verteidigt Jennifer Hurshell von Corbis ihr
Geschäftsmodell: Herr Gates hat Millionen in Kulturgut investiert
und es mit viel technischem Aufwand gesichert. Diese Gelder
werden wir niemals zurückbekommen. Ein ganzes Team von
Spezialisten sei allein damit beschäftigt, die Urheber- und
Persönlichkeitsschutzrechte zu klären. Einige Millionen der
schönsten und wichtigsten Bilder der Welt sind durch uns
zugänglicher als je zuvor in der Geschichte. Zudem liefere Corbis
zusammen mit den Bilddaten eine sehr spezielle Dienstleistung:
unsere Expertise in den Bereichen Technik, Kommunikation und
Infrastruktur.
Corbis verfügt gegenwärtig über etwa 70 Millionen Motive aus allen
Themengebieten, unter ihnen auch die Nachlässe so berühmter
Fotografen wie Ansel Adams oder das berühmte Bettmann-Archiv
mit elf Millionen historischen Fotos. Und ein Heer erstklassiger
Fotografen der Gegenwart liefert die historischen Fotos von morgen.
Hinzu komme, so argumentiert Holger Gehrmann, Geschäftsführer
eines Spezialarchivs für Gemäldefotografie namens Artothek, dass
der Nutzer die Bilder bei uns um ein Vielfaches schneller
bekommt, als wenn er sie bei einem kleinen oder bürokratisch
organisierten Museum anfordern muss. Die Kunden, bei denen es
sich überwiegend um Verlage und andere Medienunternehmen
handelt, seien dankbar für das breite Sortiment suchten sie doch
in der Regel nicht nach einem konkreten Bild, sondern nach
Motiven, etwa für eine Serie von Weihnachtspostkarten oder das
Cover einer CD. Die Museen dagegen könnten durch die Symbiose
mit einem professionellen Anbieter einen weitaus größeren
wirtschaftlichen Nutzen erzielen. Gehrmann: Das ist doch sogar
im Sinne des Steuerzahlers: Die Museen erhalten Geld für neue
Objekte, der Steuerzahler wird entlastet.
Die Nutzung der Rechte an Werken von Kunst und Kultur ist
eigentlich durch das Urheberrecht geregelt, das selbstständige
kreative Leistungen schützen will: Zu Lebzeiten verfügt der Künstler
selbst über die Rechte an seinem Werk und kann sie gegen ein
Honorar beispielsweise an einen Verlag abtreten. Während eines
Zeitraums von bis zu 70 Jahren nach seinem Tod geht dieses
Recht auf seine Erben über. Danach werden die Werke gemeinfrei,
das heißt, jeder kann sie nach Belieben reproduzieren und die
Reproduktionen verkaufen.
Was ist jedoch, wenn ein einzigartiges Werk im Besitz eines
Museums oder eines Archivs ist? Darf ein Museum den Nachlass
eines gerade verstorbenen Fotografen vermarkten, wie es der
Fotograf selbst getan hätte? Und ist es uneingeschränkter Herr
über die vom Museumsfotografen angefertigten Reprofotos eines
bereits gemeinfreien Werkes? Können Reprofotografien überhaupt
urheberrechtlich geschützt sein, da es sich bei ihnen doch um
möglichst originalgetreue Kopien und gerade nicht um
eigenständige kreative Leistungen handelt? Was ist, wenn jemand
eine Reproduktion aus einem Buch erneut reproduziert und
verkauft? Die Ansichten dazu gehen weit auseinander, die
Rechtsprechung hat den Berg an urheberrechtlichen Problemen,
der sich da aufgetürmt hat, noch nicht annähernd erklommen, und
immer ausgefeiltere Digitalisierungstechniken sowie wachsende
Speicherkapazitäten bringen neue Nutzungsformen hervor.
Im Fall der Auseinandersetzung der internationalen Bridgeman Art
Library gegen die kanadische Bildagentur Corel Corporation
entschied der New Yorker Richter Lewis A. Kaplan im Jahr 1999,
dass die von der Bildagentur vertriebenen Reprofotos von
gemeinfreien Gemälden nicht copyrightfähig sind. Nicht immer
urteilen Gerichte so eindeutig, und genau das ist eine Sorge des
deutschen Kritikers Graf. Er vertritt die Haltung: Wer die Mona
Lisa fotografiert, möchte mit einer fremden kreativen Leistung,
nämlich der von Leonardo da Vinci, Kasse machen. Er ist
gewissermaßen ein Schmarotzer, der die Begrenzung des
Urheberrechtsschutzes umgehen und dessen festgesetztes Ende
70 Jahre nach dem Tod des Künstlers hinausschieben will.
Wenn die Museen als Eigentümer der Originale mit den
Reproduktionen bereits gemeinfrei gewordenen Kulturguts handeln,
treiben sie nach Ansicht von Graf Raubbau an einer reichen Public
Domain. Denn anstatt gemeinfrei gewordenes Kulturgut zu
remonopolisieren, müsse es als Teil unseres kulturellen Erbes
allen zugänglich gemacht werden. Museen und Archive hätten
dagegen sogar die Aufgabe, Kultur zu verbreiten, und dafür nicht
mehr als die Erstattung der Herstellungskosten zu verlangen
Eigentum verpflichte schließlich.
Die Museen leiten ihr Recht an den Reproduktionen aus dem
Urheberrecht am Reprofoto und aus ihrer Verfügungsmacht über
das Originalkunstwerk ab. Ihre starke Stellung stammt aus einer
Zeit, in der sie sich als Gralshüter der Kultur verstanden, die davor
geschützt werden sollte, durch minderwertige Reproduktionen oder
missbräuchliche Darstellung entwertet zu werden etwa durch die
Verwendung eines Rubens in einem pornografischen Werk. Noch
immer machen viele Museen und Archive die Nutzung von
Sammlungsfotos von ihrer ausdrücklichen Zustimmung abhängig,
auch wenn sie die Vermarktung einer Agentur überlassen haben.
Bei den von Sparzwängen gebeutelten Sammlungsdirektoren
haben sich die Schwerpunkte dagegen verändert. Einige begrüßen
die anklopfenden Bildagenturen mit offenen Armen. Andere
verwandeln ihre Reproabteilungen in kleine Unternehmen, lassen
sie die Vermarktung selbst organisieren und orientieren sich in
ihrer Preisgestaltung an kommerziellen Bildagenturen. Die
schwierige finanzielle Situation zwingt die Direktoren schließlich
dazu, nach neuen Wegen zu suchen. Wie viel sie damit verdienen,
sagen sie allerdings nicht wohl aus Angst, ihnen könnten
anderswo Zuschüsse gekürzt werden.
Einen Weg, allen Interessen gerecht zu werden, versucht der
Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Lehmann, zu
gehen. Er ist Herr über 17 Museen, die Staatsbibliothek und das
Geheime Staatsarchiv in Berlin und sich der Tragweite des
Problems bewusst. Zusammen mit anderen europäischen
Kultureinrichtungen baut er gerade ein gigantisches Kulturportal im
Internet auf, das große Teile der staatlichen Sammlungen
präsentieren und als zentrale Serviceeinrichtung für alle
Kulturinteressierten dienen soll.
Im geplanten Netz sind die Bilder in geringer Auflösung für jeden
einsehbar ein unschätzbarer Fundus für Forschung und Lehre.
Sobald ein Werk publiziert werden soll, wird jedoch eine
Anmeldung und die anschließende Bezahlung für die hoch
aufgelösten Bilddaten erforderlich.
Genauestens will er dabei zwischen gemeinnütziger,
wissenschaftlicher und kommerzieller Nutzung unterschieden
wissen: Wenn jemand ein eigenes Produkt mit unseren Bildern
herstellen will, dann soll er auch bezahlen. Dem Steuerzahler
würde sonst zu viel zugemutet, weil wir einseitig bestimmte
Branchen begünstigten. Schließlich ist die Digitalisierung eine
weitere zusätzliche Präsentationsform, die einen neuen
wirtschaftlichen Kreislauf öffnet. Und an dem möchten viele
partizipieren.
Inke Arns
http://www.v2.nl/~arns
IRWIN: Retroprincip 1983-2003
After taking place in the Kuenstlerhaus Bethanien
(Berlin, Sept 26 - Oct 26, 2003) and the Karl Ernst
Osthaus-Museum (Hagen, Nov 15, 2003 - Jan 4, 2004)
the exhibition is now travelling to the
Museum of Contemporary Art
Belgrade, April 17 - May 17, 2004
(opening on April 17, 2004 at 1 pm)
http://www.irwin-retroprincip.de
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