[wos] [Fwd: Berlecon Aktuell: Patentpools können Open Source Software unterstützen]

Soenke Zehle soenke.zehle at web.de
Tue Mar 8 15:32:27 CET 2005


<http://www.berlecon.de/newsletter/ba/2005_03_08.html>

Aktuelle Spotlight-Analyse:
Patentpools können Open Source Software unterstützen

Im Kampf gegen Softwarepatente hat die Open Source Community am Montag
dieser Woche eine schmerzhafte Niederlage erlitten. Die in ihrer
gegenwärtigen Form heftig umstrittene Richtlinie zur Regelung
"computerimplementierter Erfindungen" in Europa wurde vom EU-Ministerrat
verabschiedet und kann jetzt die weiteren Stufen des
Gesetzgebungsverfahrens durchlaufen. Der nächste Schritt ist die zweite
Lesung im Europäischen Parlament.

Zwar kann die Richtlinie dort modifiziert oder abgelehnt werden, die
Hürden dafür sind aber hoch: Für jede einzelne Änderung wie auch für die
Ablehnung ist eine absolute Mehrheit aller Sitze notwendig. Die
Richtliniengegner wie etwa die Initiative NoSoftwarePatents.org werden
zwar nichts unversucht lassen, um die endgültige Verabschiedung zu
verhindern. Aber man muss der Realität politischer Prozesse ins Auge
sehen: Mit der Ratsentscheidung ist die Wahrscheinlichkeit deutlich
gestiegen, dass Softwarepatente in Zukunft auch in Europa eine größere
Bedeutung erhalten.

Für die Open-Source-Community ist das eine fatale Entwicklung, denn
unter bestimmten Voraussetzungen sind Softwarepatente nicht kompatibel
mit dem Open-Source-Modell und den Open-Source-Lizenzen. Das ist z.B.
dann der Fall, wenn für die Nutzung der Patente Lizenzgebühren verlangt
werden. Selbst kostenlose Patentlizenzen können aber mit
Open-Source-Lizenzen wie der GNU Public License unvereinbar sein, etwa
wenn sie personengebunden und nicht übertragbar sind.

Softwarepatente bedrohen also das Open-Source-Modell, und deshalb ist
der Widerstand dagegen aus diesen Kreisen besonders stark. In der Hitze
des Gefechts wird dabei allerdings einer alternativen Strategie für die
Sicherung des Open-Source-Modells zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt,
nämlich der Bildung eigener Patentpools durch Open-Source-Initiativen.

Patente werden nämlich in der Industrie oft ganz anders genutzt als es
in der Öffentlichkeit suggeriert wird. Die allgemeine Vorstellung ist
die eines Erfinders, der eine bahnbrechende Entdeckung macht und durch
die Lizenzgebühren aus der Patentverwertung für seine jahrelange Mühe
belohnt wird. So rührend dieses Bild ist, und so gerne das Klischee von
den Befürwortern der Softwarepatente wiederholt wird, so wenig spiegelt
es die Realität vollständig wider.

Patente sind nämlich auch strategische Waffen. Mit Patenten kann man
unerwünschte Konkurrenten von der Nutzung eigener Ideen ausschließen,
indem man ihnen keine Nutzungsrechte einräumt. Man kann auch über die
Jahre einen Pool von Patenten anlegen, die dann eine interessante
Verhandlungsmasse sind. Ergebnis einer solchen Verhandlung sind dann oft
Kreuzlizenzierungen. Dabei erlaubt das Unternehmen A dem Unternehmen B
die Nutzung all seiner Patente in einem bestimmten Bereich und bekommt
im Austausch ähnliche Nutzungsrechte an den Patenten von A. Dabei fließt
meist kein Geld, aber die beiden Unternehmen können ihre
Geschäftstätigkeit fortsetzen ohne befürchten zu müssen, die Rechte des
jeweils anderen zu verletzen.

Solche Pools können natürlich prinzipiell auch von
Open-Source-Initiativen gebildet werden. Mittlerweile besteht ja die
Open-Source-Gemeinschaft nicht mehr nur aus einzelnen Programmierern,
sondern es gibt Rechtspersönlichkeiten wie z.B. die Apache Software
Foundation oder die Mozilla Foundation, die für Open-Source-Projekte
organisatorische, rechtliche und finanzielle Unterstützung
bereitstellen. Diese Institutionen könnten Patente und Lizenzen
verwalten und auch Entwickler bei der Anmeldung unterstützen.

Die Institutionen könnten bei der Lizenzierung der Patente einen
Unterschied zwischen Open-Source und anderer Software machen:
Open-Source-Projekte können die Patente ohne Gebühren und Registrierung
nutzen, von Anbietern kommerzieller Software könnte man Lizenzgebühren
verlangen. Dabei kann man kleine Anbieter von der Lizenzzahlung
ausnehmen. Von den Einnahmen können dann die Patentverwaltung und
-anmeldung finanziert werden.

Vor allem hätten die Open-Source-Initiativen aber in diesem Modell eine
bessere Verhandlungsposition gegenüber rein kommerziellen
Softwareanbietern mit Patenten. So war im vergangenen Herbst der
Standard "Sender ID" zur Bekämpfung von Spam an Patenten von Microsoft
gescheitert. Die Redmonder wollten ihre Patente nur zu Bedingungen
lizenzieren, die nach Einschätzung der Apache Software Foundation nicht
mit dem Open-Source-Modell vereinbar waren. Mit einer besseren
Verhandlungsposition der Open-Source-Gemeinschaft hätten wir jetzt
vielleicht weniger Spam.

Die Idee von Patentpools für Open-Source-Projekte ist nicht neu und in
den vergangenen Jahren immer mal wieder aufgegriffen worden. Die meisten
Initiativen, z.B. OpenPatents, sind aber im Sande verlaufen.
Mittlerweile könnten ihre Erfolgschancen aber größer sein. Denn viele
wichtige Open-Source-Projekte sind deutlich professioneller organisiert
als noch vor einigen Jahren. Es gibt also inzwischen den notwendigen
organisatorischen Unterbau für solche Aktivitäten. Außerdem wird Open
Source Software zunehmend Teil der IT-Infrastruktur vieler Unternehmen,
was das Interesse an einem Überleben des Modells erhöht.

Wäre aber nicht die Welt ein besserer Ort ohne Softwarepatente?
Vermutlich schon, und dafür kann man ja auch weiter kämpfen. Aber
solange es Softwarepatente gibt, muss sich auch die Open Source
Community mit den ungeliebten Realitäten auseinandersetzen. Und da gilt
nun mal: "If you can't beat them, join them".

Dr. Thorsten Wichmann, tw at berlecon.de



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