[Lizenzen] Arbeitstreffen

Till Jaeger TillJaeger@ifross.de
Mon, 24 Sep 2001 21:35:42 +0200


Liebe Listenmitglieder,

um der Diskussion etwas Input zu geben, haben sich am Sonntag Abend
getroffen:

Volker Grasmuck (mikro e.V.), Olaf Koglin (ifrOSS), Christian Hartje
(Element of Crime) und Till Jaeger (ifrOSS). Im Folgenden einige Anmerkungen
und Ergebnisse des fruchtbaren Gesprächs. Im Mittelpunkt stand dabei
naheliegender Weise das Thema „Open Music“. Dennoch lassen sich daraus auch
einige Erkenntnisse für sonstigen Open Content gewinnen. Es gilt noch das
folgende Potpourri etwas zu strukturieren. Sobald diese Punkte (und u.U.
noch fehlende Gesichtspunkte, v.a. aus anderen Werkgattungen) geklärt sind,
kann dann die eigentliche Lizenzabfassung beginnen.

1.
Zunächst hat sich herauskristallisiert, dass die Verwendung einer
generellen, einheitlichen Open  Content Lizenz für verschiedene Werkarten
nur dann sinnvoll sein dürfte, wenn mit der Freigabe bestimmte
übereinstimmende Ziele verfolgt werden. Um diesen Ansatz zu verdeutlichen:
Wer beabsichtigt, mit einer (begrenzten) Freigabe seiner Werke neue
Vertriebsmöglichkeiten zu nutzen, wird mit einer an die GPL angelehnten
Lizenz weniger gut beraten sein. Für das Beispiel Musik heißt das etwa
Folgendes: Wer seine Musik für die reine Nutzung über das Internet freigeben
möchte, wird eher eine der speziellen Open Music Lizenzen des Linuxtags
verwenden. Wem es hingegen darauf ankommt, eine Weiterentwicklung seiner
Musik zu ermöglichen, also insbesondere Änderungen ermöglichen will oder zu
einem größeren Werk beitragen will, hat eine Interessenkonstellation, die
derjenigen bei Freier Software in etwa entspricht.

2.
Zunächst sind daher wohl einige Kriterien zu erarbeiten, anhand derer
deutlich gemacht werden kann, wann eine generelle Open Content Lizenz und
wann eine spezielle Open Music Lizenz oder ähnliches anzuraten ist. So
können die Interessen geordnet werden und es wird vermieden, dass wegen
unterschiedlicher Zielsetzungen kein Konsens möglich ist.
Dabei haben wir schon folgende Anhaltspunkte gesammelt: Eine GPLartige
Lizenz ist dann sinnvoll, wenn das Werk schon auf Änderungen und
Modifikationen angelegt ist oder diese jedenfalls erwünscht sind. Nur dann
macht eine kooperative, kollektive Werkerstellung Sinn und der
"Copyleft"-gedanke kann seine Stärke entfalten. In dem Bereich Musik wird
diese Voraussetzung aber eher im Ausnahmefall gegeben sein. Beispiele dafür
könnten sein: Improvisationen, bei denen Musik als Prozess begriffen wird,
besondere Formen der experimentellen oder elektronischen Musik (vor allem
auch Sampling).
Außerhalb des Bereichs Musik wird eine kooperative Werkerstellung vor allem
bei großen Projekten (z.B. Enzyklopädien) und im Wissenschaftsbereich von
Interesse sein. Denn hier sind die einzelnen Urheber auf die konkreten
Arbeitsergebnisse Dritter angewiesen und bauen auf ihnen auf. In diesen
Bereichen ist dann auch die erforderliche „Solidarität“ zu erwarten, die für
freie Projekte erforderlich sein dürfte. In weiten Bereichen der
herkömmlichen Unterhaltungsmusik ist dies wohl nicht zu erwarten, wie z.B.
die Erfolglosigkeit der IG Rock in den 70iger Jahren gezeigt hat.

Zusammenfassend kann man wohl sagen, dass sich der Urheber zunächst darüber
klar werden muss, aus welchen Motiven er sein Werk freigeben möchte. Bei
einer generellen Open Content Lizenz erscheint mir daher ein entsprechender
Hinweis in der Präambel oder in erläuternden Dokumenten als sinnvoll.

3.
Praktische rechtliche Probleme können sich aus dem Verhältnis GEMA und Open
Music ergeben. Der Musiker, der mit der GEMA einen Wahrnehmungsvertrag
abgeschlossen hat, überträgt damit seine ausschließlichen Nutzungsrechte an
allen gegenwärtigen und zukünftigen Werken, für die er noch die Rechte
besitzt, an die GEMA. Damit wird es ihm praktisch unmöglich, Werke unter
eine Open Content Lizenz zu stellen. Denn dafür bedarf es die Einräumung
eines einfachen Nutzungsrechts an jedermann. Der Künstler müsste dafür
selbst an die GEMA Gebühren abführen, was wegen der unüberschaubaren
Vielzahl an Einzellizenzen weder praktisch noch finanziell möglich ist.
Daher dürfte die Freigabe von Musik nur für solche Künstler möglich sein,
die nicht Mitglied der GEMA sind.

4.
Die Mitgliedschaft in der GEMA kann auch wieder gekündigt werden. Damit
stellt sich das Folge-problem, ob und wann es für einen Künstler von
Interesse sein kann, diese Mitgliedschaft zu kün-digen. Aus finanziellen
Gründen dürfte dies für Künstler, die viel in Rundfunk und Fernsehen
ge-spielt werden, wenig interessant sein. Für diejenigen, die ihre Einnahmen
hauptsächlich aus „mechanischen“ Aufführungsrechten erzielen, könnten
alternative Verwertungsmodelle (Freibank-Modell) denkbar sein. Dieser
Bereich betrifft dann weniger die Lizenzerstellung selbst, als die
wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Aber auch hierzu sind
Anregungen gerne willkommen.

5.
Ein interessanter Aspekt ist es, ob und inwieweit der Musiker die Tonspuren
mit freigeben soll/muss. Dies dürfte wiederum nur bei einer kooperativen
Werkerstellung von Interesse sein. Dann entsprechen die Tonspuren in einer
gewissen Weise dem Sourcecode bei Software, da sie bestimmte Formen von
Modifikationen erlauben, die ansonsten nicht oder nur unter Schwierigkeiten
möglich wären.

6.
Der Interpret erwirbt durch die Darbietung eines Musikstückes selbst
(ausschließliche) Leistungs-schutzrechte. Dem Gedanken der GPL folgend, ist
dabei zwischen kommerzieller und proprietärer Nutzung zu unterscheiden. Dem
ausübenden Künstler soll es gestattet sein, für die Dienstleistung
„Darbietung“ eine Vergütung zu verlangen. Allerdings würde es den
Grundgedanken einer freien Content Lizenz widersprechen, wenn er seine
Leistungsschutzrechte proprietär nutzen dürfte(d.h. Lizenzgebühren
verlangen, die Weiterverbreitung verbieten). Daher müsste in einer Lizenz
klar geregelt sein, dass nicht nur Urheberrechte, sondern auch
Leistungs-schutzrechte, die durch die Nutzung eines freien Werkes erworben
werden, ebenfalls wieder unter der Content Lizenz freigegeben werden müssen.

7.
Wer seine Musik nicht zur kooperativen Werkerstellung freigeben möchte,
sondern um neue Ver-triebswege zu nutzen, benötigt wohl ein speziell darauf
abgestimmte Lizenz. Auch wenn die Erstellung solcher Lizenzen den Rahmen der
WOS 2 sprengen dürfte, hierzu einige Anmerkungen:

a)
Veränderungen und Modifikationen, die nicht nur für den eigenen, privaten
Gebrauch vorgesehen sind, dürften in vielen Fällen wenig erwünscht sein.
Dies ist etwa in der roten Lizenz des Linuxtages berücksichtigt.

b)
Von besonderem Interesse kann es sein, nur die Rechte für einzelne
Nutzungsarten freizugeben, insbesondere das Online-Recht (Angebot im
Internet). So kann die Verbreitung gefördert werden, der Künstler bekannt
werden und trotzdem noch im Wege herkömmlicher Lizenzierung Einnahmen
generieren. Die Linuxtag-Lizenzen sehen ein solches Wahlmodell vor. Wie
gesagt: ein eigenes Thema, das sich von Open Content im Sinne von Freier
Software schon einiges entfernt.


Volker, Olaf und Christian werden meine Zusammenfassung sicherlich noch mit
Anmerkungen näher ausführen und mit weiterführenden Links versehen.

Soviel von hier.

Viele Grüße

Till