[rohrpost] Kreuzbergbuch

verbrecher-verlag@gmx.de verbrecher-verlag@gmx.de
Mon, 17 Dec 2001 12:05:15 +0100 (MET)


Lieber Florian,
da stimme ich Dir nicht zu. Zwar glaube ich auch, dass eine wie auch immer
geartete "Polizei", und sei sie nun eine des Kiezes, nicht gerade das richtige
ist, und eher den deutsch-autoritären Zwangscharakter dieser "PolizistInnen"
offenbart, als ein tatsächlich POLITISCHES Denken. 
Gleichzeitig aber weiß ich, dass der Exodus Richtung P-Berg und Mitte vor
allem mietpreisbedingt war, hinzu kam Abenteuerlust und "Selbstverwirklichung",
was nicht selten hieß Ost-Omis oder Ost-Ärsche zu verdrängen, um die
"eigene" Galerie, die eigene Bar oderwasweißich aufzumachen. Also beste
Kleinkrämerei, aus der manche Großkrämer erwachsen sind.
Im Buch findet man die Geschichte des Fischbüros, und wer mit dem Namen Ralf
Regitz was anzufangen weiß, weiß, wo das enden konnte. 
Daran hat, glaube ich, die "Kiezpolizei" dann kaum schuld. Obschon sie gern
daran schuldig geworden wäre, weil sie ja - ganz deutsch darin - den Kiez
"sauber" halten wollte, so wie heute noch die Berliner Bündnisgrünen
Saubermänner sein wollen, selbst wenn sie Frauen sind.
Kreuzberg ist also schon an den Mängeln in der Konstruktion eines "freien
Bezirks" eingegangen, in dem der sog. Antikapitalismus auch bei ALDI einkaufen
ging, sich aber weiter für "anders" und, klaro, besser hielt als den Rest.

Das war und ist das Problem.

Bestes wünscht

Jörg Sundermeier





> Am Sat, 15.Dec.2001 um 12:16:40 +0100 schrieb verbrecher-verlag@gmx.de:
>  
> > Kreuzbergbuch 
> 
> [...]
> 
> > Mit Texte und Bilder von: 
> > Doris Akrap, Jim Avignon, Annette Berr, Françoise Cactus, Tatjana Doll,
> > Sonja Fahrenhorst, 
> > Oliver Grajewski, Darius James, Meike Jansen, Jürgen Kiontke, Almut
> Klotz,
> > Dietrich Kuhlbrodt, Leonhard Lorek, Max Müller, Wolfgang Müller,
> Thorsten
> > Platz, Christiane Rösinger, Sarah Schmidt, Stefan Wirner, Deniz Yücel
> 
> Schade, daß das Buch nicht eine in den späten 1980er Jahren geschriebene
> Kreuzberg-Reportage von Jane Kramer, damalige Mitarbeiterin und spätere
> Chefredakteurin des "New Yorker", enthält. In ihr geht es um die Aspekte
> des "Mythos Kreuzberg", die von denen, die ihn gelebt zu haben glauben,
> gerne verdrängt werden: autonome "Kiezpolizei",
> "Anti-Porno"-Rollkommandos, kurzum eine zweihundertprozentige politische
> Korrektheit und reaktionäre Kiez-Bunker-Mentalität, die spätestens nach
> den Mai-Krawallen von 1987 einzog und noch vor dem Mauerfall
> Institutionen der Off-Kultur (wie z.B. das "Frontkino" in der
> Waldemarstraße, dessen Betreiber systematisch terrorisiert wurde)
> vertrieb. Nicht zuletzt daraus erklärt sich der rasante West-Berliner
> Exodus nach Mitte und Prenzlauer Berg in den frühen 1990er Jahren - und
> letztlich auch die Diagnose:
> 
> > Inzwischen ist es ruhiger geworden um diesen Bezirk, der in der
> > größeren Konstruktion Friedrichshain-Kreuzberg aufgegangen ist. 
> 
> 
> Florian
> 
> 
> -- 
> http://userpage.fu-berlin.de/~cantsin/homepage/
> http://www.complit.fu-berlin.de/institut/lehrpersonal/cramer.html
> GnuPG/PGP public key ID 3200C7BA 
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