[rohrpost] Niedergang von "Telepolis"

Matze Schmidt matze.schmidt at n0name.de
Mit Aug 27 11:15:51 CEST 2003


Tuesday, August 26, 2003, 4:10:15 PM, Cornelia wrote:
> aber ein kleines Honorar ermöglicht
> nicht nur, sich Brötchn zu kaufen, sondern bedeutet einfach auch die Honorierung der eigenen Arbeit.

nennt man das nicht Selbst-/Fremdausbeutung?
mir ist auch die konzeptidee sehr suspekt, auf soetwas wie 'alternative
bezahlung plus inhaltlicher korrektheit' zu setzen. die Lohnschreiber
werden lohnschreiber bleiben und die bezahlenden Leser werden bezahlende
leser sein.

der blog-ansatz ist mir mitunter sympathischer, weil ich da nicht sofort die
knoten-hierarchie-bildung zu erkennen vermag, wie sie in den
anti-senf-aeuszerungen diverser stars auf dem parkett herauskommt.

ich denke, dasz schreiben fuer oder wider auf best. plattformen neben dem
persoenlichen 'engagement' und dem engagement, fuer das man tasaechlich
gage erhaelt, viel mit credits und was man so "kulturkapital" nennt, zu tun
hat (banal): ich schreibe hier, weil ich mir einen folgeauftrag bwz. connections
erhoffe -- d.h. weil nichts materielles aber erloese aus versprechungen und psychogewinn
erwartet werden. der niveau-streit haengt also zunaechst und an 1. stelle
mit dem komplex aus geld und versprechen zusammen. oder anders gefragt:
was vespricht eine andere plattform fuer einen hungerlohn, den die besagte
*plattform im niedergang* nicht einzuloesen vermag? und (jetzt mal bordieu
beiseite), sein eigenes schreiben zu verkaufen, ist ein ehrenwerter beruf; ich habs
so die letzten 3 jahre an der uni gehalten, die einem als wissenschaftler
textproduktion geradezu aufzwingt und alle anderen wissen-generierungs-formen
fuer dieselben wissenschaftler nahezu negiert. naja, und die beruehmten broetchen,
die man ja bekanntlich von dem isst, dessen lied man singt, kommen durch
die faktische Ich-AG ja auch rein.

ach ja, "ich finde es gut", dasz die telepolis inhaltlich abgebaut hat --
endlich wieder eigene texte schreiben ("Der Pulitzerpreistraeger hat
gerade den Saal verlassen") und kritisch de-ver-netzen, anstatt diesem
buergerinitiativlichen und verschleierenden "alle Bürger der
Informationsgesellschaft, die den Umgang mit der Informationstechnologie
mitgestalten wollen." (http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wissen/netzwerk/?sid=340760c42af05a4d5271db0135ae05d3&cnt=278455)
hier liegen die falschen versprechen.

dann besser illusionslos dem diktum von geert lovink folgen und zynisch
genug "das, was man wirklich, wirklich will" zum hobby machen und den
markt mit allen seinen zensuristischen und stilfeindlichen mechanismen den
echten lohnschreibern ueberlassen.

ich schlage also den schizo-kurs vor: weder Redaktion noch Plattform;
vom der elitaeren SymbolverarbeiterInnen-Position abschied nehmen; jobben
gehen und die sogenannte "Kultur" inkl. aller politischen Fuelljetons ein
wenig kollabieren lassen, statt sie alternativ-erneuernd zu stuetzen;
keine Verhandlungen mit dem Symbol"arbeitgeber".

m