[rohrpost] <raum3> attachment, 1

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Die Aug 26 20:32:37 CEST 2003


  kino raum 3 -- ziegelstrasse 20 -- 10119 berlin -- http://bootlab.org/raum3/
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Sonntag, 31. August, ab 18.00 / Sunday, August 31, at 6PM
Bootlab / Raum 3, Ziegelstr. 20, 10117 Berlin


-18h. La Borde: Nicolas Philibert 'La moindre des choses' 1996, 105 min
(Französisch/french)


-19.30h. Kingsley Hall: Luke Fowler 'What You See Is Where You’re At' 2001,
30min (Englisch/english)


- 20.00 SPK (Sozialistisches Patienten Kollektiv): SPK-Video 1997, 33 min,
(English/english)


-21.00h Irren-Offensive, Berlin: "The Verdict of the Foucault Tribunal" von
Hagai Aviel ,1998 (Deutsch/german).


-21.30h Weglaufhaus: 'Fluchtpunkt: Wirklichkeit' von Christina Mast, 1999
(Deutsch/german)


organisiert von / organised by Ariane Beyn und Kobe Matthys


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Attachment


#D#


"Attachment" (Anhang, Anfügung, Anlagerung, Anschluß, Bindung,
Beschlagnahmung, Beiwerk...) ist der Titel einer Veranstaltungsreihe im Raum3,
die der Dynamik und Qualität von selbst-organisierter Wissensaneignung
nachspüren will. Geplant sind Treffen mit verschiedenen Initiativen und
Selbst-Hilfe Gruppen, die jeweils eine alltägliche, praktische Fragestellung
verfolgen.


Durch ähnliche Fragen bewegt zu sein, kann Menschen zur gemeinsamen
Lösungssuche stimulieren und dabei unterschiedliche Erfahrungen, Bedürfnisse
und Blickpunkte zum Einsatz kommen lassen. So gelingt es Gruppen, die aus
praktischer Problem-Lösungs-Hilfe heraus entstehen, ein auf ihren Erfahrungen
basierendes Wissen zu begründen, das die Kapazitäten des "Nutzers" zur
Selbst-Hilfe bestärkt. Aus den gewonnenen Kenntnissen ergeben sich breiter
gefächerte, neue Handlungs-Möglichkeiten und unabhängige Kommunikationsprozesse.


Die Veranstaltungsreihe "attachment" unternimmt den Versuch, über das Andocken
an eine Fragestellung weitere Fragenfelder ins Blickfeld zu rücken.
Gleichzeitig soll ein Austausch über die vielfältigen Strategien, Wissen zu
konstituieren, eröffnet werden.


Die geplanten Treffen möchten zu einer (Selbst-)Betrachtung der
unterschiedlichen Weisen, einer Fragestellung "verbunden" zu sein, anregen.
(So wie die Mitglieder des Bootlab beispielsweise die Nutzung von Computern
betreffende Fragen verbinden.) Mit dem Begriff "attachment" soll die
Entstehung von befähigendem Wissen im Verhältnis zu Anlaß und treibender Kraft
der Aktivitäten einer Gruppe untersucht werden.


#ENG#


"Attachment" is a series of encounters with groups that are attached to a
common practical question. Being attached to the same question triggers
self-organizing processes of communication. People affected by a common
problem are set into motion to solve this problem together, bringing into play
their different backgrounds and points of view.


Groups that emerge out of practical problem-solving support constitute
empowering knowledges based on experiences. Those empowering knowledges
strengthen the user's capacities for self-help, while their newly gained
awareness opens up new opportunities for action.


This series is an attempt to get attached through the act of "being attached".
It is a way of exchanging experiences among various groups on the different
possibilities of constituting empowering knowledges.


The "attachment"-meetings encourage to (self-)reflect on the different types
of attachments of singular groups. In Bootlab for example people are attached
to questions related to the use of computers. By exploring 'attachments' we
take a closer look at the articulation of empowering knowledge in relation to
the source of a group‘s action.


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Attachment 1


#D#


Seit den 50er Jahre haben auf Selbst-Hilfe ausgerichtete Initiativen das
öffentliche, institutionelle psychiatrische Hilfeangebot für sogenannte
"Geisteskranke" herausgefordert. Ausgehend von bekannten Beispielen
alternativer Psychiatrien der 50/60/70er Jahre und von zwei aktuellen Berliner
Projekten soll die (Erfolgs?)Geschichte solcher Versuche nachgezeichnet werden.


#ENG#


Groups attached to the problem of 'mental health'-care challenge traditional
psychiatric approaches of 'mental health'. We invite people from two groups in
Berlin 'IrrenOffensive' and 'Weglaufhaus' and confront these with initiatives
in Paris 'La Borde', London 'Kingsley Hall' and Heidelberg 'SPK'.



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la Borde


#D#


Die Clinique de la Borde in Cour-Cherverny, etwas südlich von Paris, wurde
1953 von dem Psychiater Jean Oury gegründet. Ourys Methode institutioneller
Psychiatrie setzt bei der Aufhebung der formalen Unterscheidung zwischen
Patient und Mitarbeitern an. Die Bewohner können sich in der Einrichtung frei
bewegen und beteiligen sich aktiv an der Instandhaltung des laufenden Betriebs
der Klinik. Ab 1955 arbeitete Felix Guattari gemeinsam mit Oury in La Borde.
Guattari betrieb dort die Recherchen für sein und G. Deleuzes Konzept der
"Schizoanalyse".


In "La moindre des choses" verfolgt der Dokumentarfilmer Nicolas Philibert die
Hochs und Tiefs während der Proben zu einer Theateraufführung der Mitarbeiter
und Bewohner von La Borde im Sommer 1995. Aufgeführt wird Witold Gombrowiczs
absurder Bühnentext "Operetta" (1966) über die Geschichte und Revolutionen des
20. Jahrhunderts. Entlang der Vorbereitung zu diesem Ereignis zeigt der Film
das Leben in La Borde, die tägliche Routine, scheinbar nebensächliche Details,
die Einsamkeit und die Erschöpfung, Momente allgemeiner Heiterkeit und die
besondere Aufmerksamkeit, die sich die Bewohner von La Borde gegenseitig
schenken.


#ENG#


La clinique de la Borde in Cour-Cheverny, South of Paris, was founded in 1953
by the psychiatrist Jean Oury. La Borde proposes a new method of
"institutional psychiatry" with annuling the formal distinction between
patient and staff. Not only are the residents free to move in the facility,
they actively participate in running it. From 1955 on Felix Guattari
collaborated with Oury at La Borde and researched on his and G. Deleuzes
concept of "schizoanalysis".


In 'La moindre des choses' filmmaker Nicolas Philibert follows the ups and
downs of the rehearsals of a theatre performance by staff-members and
residents of La Borde in summer 1995. They are putting on stage Witold
Gombrowicz's grotesque dramatic text "Operetta" (1966) on the history and
revolutions of the 20th century. Along the preparation of the event the film
describes life at La Borde, the daily routine, seemingly insignificant
details, the loneliness and the fatigue, as well as moments of collective
merriment and the extreme attention all devote to one another.


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Kingsley Hall


#D#


Kingsley Hall: In ihrem berühmten Buch 'Sanity, Madness and the Family' (1964)
führen Robert Laing und Aaron Esterson klinische Beweise dafür an, dass einige
Formen der Schizophrenie durch mangelnde Kommunikation innerhalb des Systems
Familie verursacht werden können. Das konventionelle "Psychiater-Patient"
Verhältnis habe versäumt, die sozialen Lebensumstände des Patienten in
Betracht zu ziehen. 1965 gründeten Laing und eine Gruppe von 20
psychiatrischen Patienten eine therapeutische Hausgemeinschaft, den Kingsley
Hall Therapeutic Center, in Londons East End. Das fünf Jahre dauernde Projekt
wird fälschlicherweise oft mit LSD-Therapie in Verbindung gebracht. Laing gilt
heute als einer der Begründer der Anti-Psychatrie Bewegung - ein Begriff, den
Laing zeitlebens ablehnte.


'What You See Is Where You’re At' (2001) von dem schottischen Künstler Luke
Fowler ist eine Kollage von historischem Filmmaterial aus dem R.D. Laing
Archiv der Glasgow University und aktuellen Interviews mit ehemaligen
Bewohnern von Kingsley Hall.


#ENG#


Kingsley Hall: With their book 'Sanity, Madness and the Family' (1964) Robert
Laing and Aaron Esterson provided clinical evidence that some schizophrenia
was caused by communication breakdown within the family system. They argued
that the 'psychiatrist-patient' relationship failed to consider the patients'
life-in-context. In 1965 Laing and a group of 20 psychiatric patients
initiated a therapeutic community household, the Kingsley Hall Therapeutic
Center in the East End of London - a clinical space within which people could
overcome psychotic breakdowns in a non-institutional context. The five-year
project is today wrongly connected with LSD Therapy, while Laing is considered
one of the founders of the anti-psychiatric movement. He was especially
opposed to the use of lobotomies, electro-shock therapy and the dehumanizing
effects of incarceration in psychiatric hospitals.


Scottish artist Luke Fowler's 'What You See Is Where You’re At' is a collage
of found footage from the Glasgow University R.D. Laing archive and interviews
with former residents. Fowler provides an inside-view of life at Kingsley Hall
Center.


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SPK


#D#


SPK (Das Sozialistische Patientenkollektiv) : 1965 von Dr. Wolfgang Huber von
der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg initiiert. 1970 trat das
Kollektiv mit der ersten Patientenvollversammlung der Welt "pro Krankheit"
öffentlich als Sozialitisches Patientenkollektiv hervor und stellte alles
Bestehende in Frage, nicht zuletzt auc die Zustände in der Psychiatrischen
Poliklinik selbst. Nach Hungerstreiks, Besetzungen von Dienstzimmern und des
Rektorats, zahllosen Go-Ins, Sit-Ins und Teach-Ins ergingen Morddrohungen,
auch gegen Huber. Jean-Paul Sartre war "außerordentlich beeindruckt". Der
deutsche "Staatsschutz" war anderer Meinung. Fest steht: In den gerade mal 17
Monaten seiner umkämpften Existenz radikalisierte sich das
antipsychiatrisch-revolutionäre Kollektiv bis hin zur Bewaffnung, und nach
seinem Ende schlossen sich über ein Dutzend seiner Mitglieder dem bewaffneten
Kampf der "RAF" an, der in den folgenden Jahren die Republik erschüttern sollte.


Das SPK-Video (1997) von KRANKHEIT IM RECHT / SPK führt die SPK-Aktionen in
Heidelberg in den 70er Jahren ein: in der psychiatrischen Poliklinik, in der
die Patienten Anfang 1970 die erste arztfreie Patientenvollversammlung der
Welt abhielten, das Verwaltungs-Direktionsgebäude der klinischen
Universitäts-Anstalten, in dem der Hungerstreik der Patienten Ende Februar
1970 stattfand, das Universitätsrektorat, das von den SPK-Patienten im Juli
1970 besetzt wurde usw.


#ENG#


SPK (Das Sozialistische Patientenkollektiv): initiated in 1965 by Dr. Wolfgang
Huber of the Psychiatric University Clinic of Heidelberg. In 1970 the
socialistic patients collective went public with the first patients "pro
illness" plenary meeting in the world. It questioned everything, also the
conditions in the policlinic. After hungerstrikes, occupations of the
director's office, numerous Go-Ins, Sit-Ins and Teach-Ins threats on Huber's
life. Unlike the German Police, Jean-Paul Satre was "very impressed". In the
17 months of its existence the collective got radical up to the point of
getting armed. After the end of the collective over a dozen of its members
joint the RAF.


The SPK-video (1997), published by KRANKHEIT IM RECHT /SPK introduces the
SPK's actions in Heidelberg in the 70ties: in the Psychiatric Polyclinic,
where the SPK patients held their first general assembly of patients and a
patients' congress, a self-organized plenum of patients; the administration
building of the university clinics, where the first hunger strike of the
patients took place at the end of February 1970; the office of the rector of
Heidelberg University, which was occupied by SPK patients in July 1970 etc.


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Irren-Offensive


#D#


"Irren-Offensive: Die Irren-Offensive e. V. (IO) 1980 gegründet und erste
selbstbestimmte und antipsychiatrische Initiative ehemaliger
Psychiatrie-Insassen. Das Psychiatrie-Beschwerdezentrum e. V. ein Verein der
Beratungen anbietet und Beschwerden aufnimmt. Es werden Rechtsanwälte
vermittelt. Diesen Begegnungsort benennen wir nach Werner Fuß, einem
bedeutenden Mitbegründer der Irren-Offensive. Werner wurde erst in seinem 34.
Lebensjahr erlaubt, sich aus der Bevormundung zu befreien. Er nannte sich
selber "der Ausbrecherkönig der Psychiatrien" und war Gründungsmitglied der
Irren-Offensive.


"The Verdict of the Foucault Tribunal" (1998), von Hagai Aviel, Vorsitzender
des Isreali Association Against Psychiatric Assault.
Die Irren-Offensive ist Mit-Organisator des Foucault-Tribunal, gemeinsam mit
der Freien Universität Berlin und der Volksbühne Berlin, wo das viertägige
Seminar zum aktuellen Stand der Psychiatrie 1998 stattfand. Ankläger waren
u.a. Thomas S. Szasz, Gerburg Treusch-Dieter, Wolf-Dieter Narr.


#ENG#


"Irren-Offensive: (nuts-offensive) was founded in 1980 as the first
self-determined and anti-psychiatric initiative of former psychiatry inmates.
The Psychiatrie-Beschwerdezentrum e. V. (center for psychiatry complaints) is
an organization that offers advisory service, accepts complaints and connects
people with laywers. The meeting center is named after Werner Fuß, an
important member and co-founder of the Irren-Offensive. Only with 34 years
Werner was freed from paternalism and he later referred to himself as "king of
breaking out of psychiatries".


"The Verdict of the Foucault Tribunal" (1998), from Hagai Aviel, Chairperson
of Isreali Association Against Psychiatric Assault. The Irren-Offensive is
co-organizer of the "Foucault-Tribunal" together with Freie Universität,
Berlin and Volksbühne, Berlin, where the four-day seminar on the state of
psychiatry took place in 1998. "Prosecutors" were Thomas S. Szasz, Gerburg
Treusch-Dieter, Wolf-Dieter Narr and others.


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Weglaufhaus


#D#


Weglaufhaus: Das Weglaufhaus in Berlin-Frohnau »Villa Stöckle« ist ein
antipsychiatrisch orientiertes Wohnprojekt, das wohungslosen oder akut von
Wohnungslosigkeit bedrohten psychiatriebetroffenen Menschen die Möglichkeit
bietet, sich dem psychiatrischen System zu entziehen und ihr Leben wieder in
die eigenen Hände zu nehmen. Träger und Initiator des Projekts ist der Verein
zum Schutz vor psychiatrischer Gewalt e.V.. Seit 1982 engagierte sich die
Sozialpädagogin und mehrmalige "Psychatrie-Insassin" Tina Stöckle für die Idee
des Weglaufhauses. Ihr zu Ehren trägt das Weglaufhaus den Namen »Villa Stöckle«.


In ihrem Film "Fluchtpunkt: Wirklichkeit" (1999) begleitet die
Dokumentarfilmerin Christine Mast die Bewohner des "Weglaufhaus" über einen
längeren Zeitraum bei ihrer gemeinsamen Alltagsroutine, beim Kochen, Putzen
und Einkaufen. Dabei führt sie zahlreiche Gespräche mit Bewohnern und
Mitarbeitern des Hauses.


#ENG#


Weglaufhaus: Das Weglaufhaus (run-away house) in Berlin-Frohnau, at "Villa
Stöckle", is a anti-psychiatric oriented living-project. It gives homeless and
people threatened to lose their homes, who are psychiatry-affected, the
possibility to leave the psychatric system and to take their lives into their
own hands again.
Operator and Initiator of the project is the Verein zum Schutz vor
psychiatrischer Gewalt e.V. (organization for protection from psychiatric
violence). Since 1982 social-pedagogue Tina Stöckle engaged herself for the
idea of the Weglaufhaus. To honor her the house in Berlin was named "Villa
Stöckle".


In the documentary film "Fluchtpunkt: Wirklichkeit" (vanishing point: reality)
filmmaker Christina Mast accompanies the residents of the Weglaufhaus during
their daily activities of cooking, cleaning, shopping and approaches their
lives in several conversations with residents and staff members.

 
 
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