[rohrpost] [monochrom] Seele? Trading Futures? // Diskussionsveranstaltung

das ende der nahrungskette jg at monochrom.at
Sam Dez 6 18:15:19 CET 2003


SEELE? TRADING FUTURES?

Diskussionsveranstaltung mit Univ.-Doz. Dr. FRANK HARTMANN, Mag.Mag.
ANDREAS LEO FINDEISEN und Johannes Grenzfurthner im monochrom-Raum,
Museumsquartier, 8. Dezember 2003, 20 Uhr.

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"Die Seele ist für einen Bürger das, was für eine Stadt die Fußgängerzone
ist. Tagsüber boomt das Geschäft, aber nach Ladenschluß torkeln nur noch
ein paar Zerzauste herum." 
(Max Goldt, "Ae")

Der 29. Oktober 1998 war ein bedeutender Tag. Sachbearbeiter Nowak
genehmigte (in Beisein eines Vertreters der Bezirksvorstehung für den 1.
Bez., eines Vertreters der MA 22 sowie des Pol. Dion. Pol. Koat. f. d. 1.
Bez.) dem Verein zur Förderung der selektiven Rezeptionsforschung im Sinne
futurologischer Belange (ergo: monochrom) für den 1. November 1998 (12 Uhr
bis 18 Uhr) die Errichtung zweier Tische/Sonnenschirm/Plakatständer am
Versammlungsort 1., Stock-im-Eisen-Platz beim Brunnen nächst dem Abgang
Kärntner Straße zur U-Bahn zwecks Erwerb von Fremdseelen.

---> http://www.monochrom.at/seele/
 
Und am 1. November 1998 war es dann aufgebaut, das spirituokapitalistische
Standl. Es war zwar nur sieben Stunden geöffnet, aber dennoch ein
bedeutender Erfolg. Die PassantInnen der Wiener
Innenstadt/Stock-im-Eisen-Platz hatten lange genug Zeit, mit uns in
Geschäftsverhandlungen zu treten und uns für 50 Schilling ihre Seelen
abzutreten. 

Insgesamt wurden fünfzehn hochqualitative Seelen (resp. Astral- oder
Ätherleiber) per Kaufvertrag erworben und registriert. 
Das war - auch auf Grund der Intervention einer fundamentalistisch
orientierten Christin - nicht immer so einfach.
 
Wir verstanden (und verstehen) das Projekt - abseits aller philosophischen
Diskurse und Gottesbeweisführungen - im klassischen Sinne als durch Angebot
und Nachfrage gesteuert. Die Seele ist ein Form von tradeable investment,
sozusagen eine Form virtuellen Kapitals. Der geplante Weiterverkauf der
Seelen an Drittpersonen rückt bereits in greifbare Nähe, da nach fünf
Jahren bei manchen Seelen die Gewinnspanne schon bei 900% liegt. 

Was es aus der Perspektive aktueller Theorieentwicklungen mit dieser
thematischen Provokation auf sich haben könnte, werden Frank Hartmann und
Leo Findeisen am 8. Dezember 2003 im Museumsquartier zu umkreisen versuchen.
Was ist das Handelsgut "Seele"? Was ist virtuelles Kapital? Was ist
Definitionsmacht? Was ist - zum Teufel - immaterielle Arbeit?
 
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Die Diskutanten: 

Univ.-Doz. Dr. FRANK HARTMANN (Wien) ist tätig als Autor (Medientheorie und
Medienkultur), Wissenschaftsjournalist (u.a. ORF Science, Telepolis) und
freier Medienberater (Neue Medien, Publizistik, Unternehmenskommunikation);
lehrt als externer Dozent für Medien- und Kommunikationstheorie an der
Universität Wien. Hartmann gehört zu den exponiertesten Vertretern der
Medienphilosophie im deutsprachigen Raum. Seine aktuellen Publikation
"Mediologie. Ansätze einer Medientheorie der Kulturwissenschaften" könnte
für die Diskussion vielleicht hilfreich sein. Die Bezeichnung "Mediologie"
wurde in den 90er-Jahren von dem französischen Intellektuellen Régis Debray
eingeführt. Dieser Begriff - im deutschsprachigen Raum noch weitgehend
unbekannt - verspricht einen integrativen Ansatz zur Medienanalyse. Eine
fortschreitende Medialisierung von Kultur verlangt zu ihrer Analyse einen
methodischen Neuansatz. Daher der Versuch, unter diesem programmatischen
Titel eine medientheoretische Grundlegung von Kulturwissenschaften
vorzuschlagen. In verschiedenen Essays werden die methodischen Fragen zur
Reflexion der aktuellen Medienkultur mit dem gegenwärtigen Diskussionsstand
zu Theorie, Technik und Ästhetik der neuen Medien verknüpft und damit die
Konturen des medienwissenschaftlichen Diskurses verdeutlicht.

Mag.Mag. ANDREAS LEO FINDEISEN studierte u.a. klassische Sprachen,
Philosophie und Komposition in Deutschland, Israel und Österreich;
Stipendiat des DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst); seit 1996
Mitarbeiter des deutschen Philosophen Peter Sloterdijk am Lehrstuhl für
Kulturphilosophie und Medientheorie, Akademie der bildenden Künste Wien;
unterrichtet, forscht und publiziert vornehmlich im Bereich der Medienkunst
und Medienphilosophie; seit 1996 zahlreiche Zusammenarbeiten mit
europaweiten Netzwerken in Bereichen Architektur, Kunst, Wissenschaft und
öffentlichen Medien; z.Zt. Abfassung einer Dissertation über die Geschichte
der künstlichen Intelligenz, Plansprachenbewegungen und der
Free-Software-Bewegung.

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