[rohrpost] reine kunst?

Matthias Weiß mkazz at t-online.de
Die Aug 3 19:16:08 CEST 2004


Hi Iris, hi Liste,

ich finde andere Momente an dem Text skandalösm (zB: "im Reich der 
Ästhetik gehört allen alles" Was ist ein Reich? Warum muss Ästhetik mit 
Besitz verknüpft werden, warum gehört wem was an Ästhetik? und man 
schaue auf die Lit-Liste.). Allgemein: Kuratoren, Museumsleute, 
Kunsthysteriker und vor allem Medien- und sogenannte Bildwissenschaftler 
besitzen mittlerweile die Einbildung einer Diskurshoheit über die 
(Schlacht)Felder des Lebens. Fatalerweise, denn sie schreiben und 
schreiben über Bilder und nicht übers Leben -- bzw. sollten sie das, 
stattdessen schreiben sie übers Leben und vergessen die Bilder dabei, 
denn der Bildwissenschaftler an sich interessiert sich gar nicht für 
Bilder, sondern nur dafür, wie seine Sprachbilder werden und wirken. 
"Ich habe Dinge gelesen ..." Eine außerordentliche Differenz, die in den 
einschlägigen sogenannten Wissenschaften selbst nicht kapiert wird (man 
lese zB Herrn Belting über das "Ende der Kunstgeschichte", wo man sich 
ständig fragt, ob er nun über das Ende der Geschichte der Kunst, das 
Ende der Fachdisziplin der sogenannten Kunstgeschichte oder sonst etwas 
schreibt.).

Aber so ist das mittlerweile: Hehres Antragsdesign geht über abgewertete 
Inhalte. Grein. Schluchz, Heul ... und das Hochschulwesen plus Uni-TÜV 
(DFG) und BA-Umstellung etc. diktieren ohnehin hier alles, was an 
Pseudoutput in die Welt gedruckt wird. Warum sollte das in Sao Paulo 
anders sein? An der ubiquitären Perversion naturwissenschaftlicher 
Paradigmen ersticken wir alle über kurz oder lang, außer eben gute 
Antragsdesigner ;-)

Btw. Die Anmaßung des Kunstsystems, Heilung durch bildliche Alternativen 
vorstellbar zu machen, nur, indem ein paar verspielte Köpfe Videos 
drehen, Webseiten zusammen knüpfen, Unterschlupfe bauen, die armen 
Flüchtlingskindern und ihren Müttern Schutz gewähren, usf. Das ist doch 
albernes Pillepalle irgendwelcher Gutmenschler, die Kunst mit 
Sozialarbeit vertauschen, um Geld zu ziehen. Da halte ich's lieber mit 
dem alten Ad: Kunst ist Kunst und alles andere ist alles andere.

Hug: "Das Niemandsland der Ästhetik beginnt dort, wo die gewöhnliche 
Welt aufhört.":

Was heißt das denn, bitte?

Kurzum: Ich denke, dass es nicht damit getan ist, eine Technik gegen die 
andere auszuspielen. Und warum Malerei reaktionär sein soll, das werde 
ich ohnehin nicht kapieren. Denn dann ist der produktive und Unfall 
reiche Missbrauch von Museums- und/oder Kunstvereinsraum für 
Videoinstallationen im mindesten ebenso reaktionär.

So what, Iris, warum aufregen? Herrn Hugs Krempel doch nur eine Meinung 
neben 10000. Probleme der Welt sind nur dargestellt in der Kunst. Wenn 
Politik nicht als politics und PC-Geschwaller verschwurbelt wird, dann 
ist es (un)verantwortliches Handeln in der Gesellschaft und nicht - und 
das kapieren die Kulturfuzzis leider überhaupt noch gar nicht - im 
Displaying ihrer Symbolsysteme, mit welchen Apparaturen auch immer...

Best
Matthias
-- 
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