[rohrpost] OFF SCENE - Call for Contributions -Beitr äge fü r das online-Magazin "genderzine" des Gendernet der UdK Berlin gesucht

andrea nienhaus links at udk-berlin.de
Mon Aug 9 13:00:17 CEST 2004


Wir wollen in dieser Ausgabe künstlerische und wissenschaftliche
Auseinandersetzungen zu den verschiedensten Begriffen und Ausdrucksweisen
des "Obszönen" veröffentlichen und fordern hiermit alle auf, uns
kommentierte Beiträge aller Art mit dem Betreff "off scene" bis zum 12.
Oktober 04 zu schicken an gender1 at udk-berlin.de.

Was ist obszön? Pornos? Darstellungen von (sexueller) Gewalt? Fragonards
Schaukelnde? Jeff Koons und Cicciolinas öffentlich zelebrierter Kunst-Sex?
Janet Jacksons entblößte Brust? Das
massenmedial verbreitete Fotoporträt eines toten Menschen? Kriegsbilder? Die
Werbung?

Wer in Lexika nach einer klaren Definition sucht, wird enttäuscht. Nebulös
erscheinen Bezeichnungen wie "schamlos", "unanständig" oder "unzüchtig" -
allesamt Termini, die eine Beziehung zu gesellschaftlichen Normen und
allgemein akzeptierten moralischen, sozialen Wertmaßstäben herstellen, von
denen sich das Obszöne als Indikator eines "Anderen" unterscheidet.
Tatsächlich besteht das Spezifische und Interessante des Obszönen in der
Sichtbarmachung von Grenzen. Als Ort der Kommunikation von Unterschieden
markiert das Obszöne die Nahtstelle zwischen dem, was gesellschaftlich
akzeptiert ist und dem, was sich außerhalb der Konventionen des "guten
Geschmacks" und "moralischen Anstands" bewegt. Das Obszöne zeigt nicht nur
das Verbotene, das, was besser verborgen - off-scene - geblieben wäre,
sondern es verweist auch auf die Normen, von denen es abweicht. Insofern ist
das Obszöne immer auch Indikator spezifischer gesellschaftlicher Tabus.

Besonders deutlich wurde dies in jüngster Zeit am Beispiel der
massenmedialen Verbreitung der Bilder von Gefangenen aus dem Abu-Ghraib
Gefängnis im Irak, die im Feuilleton und in aktuellen politischen Debatten
zu einer Aktualisierung des Begriffs des Obszönen in einer explizit
moralisch-ethischen Bedeutung geführt hat. Die in selbstgefälliger
Siegerpose aufgenommenen Aufnahmen von Folterungen und sexuellen
Demütigungen überschreiten militärische Konventionen ebenso wie die Regeln
zivilen Anstands und gesellschaftlicher Moral. Dabei machen die Aufnahmen
deutlich, dass die Zuschreibung als "obszön" eng verbunden ist mit
bestimmten Vorstellungen von Gewalt und Sexualität, in denen die
traditionellen Geschlechterhierarchien im Verhältnis Täter-Opfer eine
maßgebliche Rolle spielen.

Aber auch in Kunst und Werbung sorgt die Attributierung "obszön" immer
wieder für Sprengstoff - man denke in diesem Zusammenhang an die im Mai
zuende gegangene Ausstellung "When Love Turns to Poison" im Kunstraum
Kreuzberg, die in der Presse als "pornografisch" bzw. ³pädophil"
skandalisiert wurde und ebenfalls die Frage nach Grenzen ­ in dem Fall nach
denen zwischen Kunst und Pornografie -provozierte. Ganz offensiv an der
Erosion dieser Grenzen arbeiten Filme wie "Baise-Moi" oder "The
Raspberry-Reich", die Werbestrecken des Fotografen Terry Richardson für
Sisley sowie die Kampagne einer bekannten Zigarettenmarke, die derzeit mit
dem Slogan "mehr Handlung in Pornos" wirbt.

Das gendernet möchte den Grenzverläufen des Obszönen in der zeitgenössischen
Kultur nachspüren. In diesem Zusammenhang planen wir für die nächste Ausgabe
des Onlinemagazins "genderzine" einen Atlas des Obszönen mit einer möglichst
weiten Bandbreite von Bildern/Texten/Klängen. Dafür bitten wir um Beiträge.
Gefragt sind individuelle Obsessionen, geheime Orte, an denen sich
Vorstellungen des Obszönen manifestieren und materialisieren. Das können
Werbefotos ebenso sein wie Schnappschüsse der/des Geliebten, eigene
künstlerische Arbeiten, Skizzen, Textpassagen aus der Literatur, Comics,
"obszöne" Klänge und andere Abwegigkeiten. Wir freuen uns auf Zusendungen.




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Dr.Anja Osswald
gender und kultur. das fakultätennetz.
Universität der Künste Berlin
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