[rohrpost] Thing Frankfurt und die Justiz

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Fre Aug 20 13:40:09 CEST 2004


Die Anwälte der Stiftung sind trotzdem weiter der Auffassung, dass die 
Pflege des Werks Adornos nicht "in Form von unberechtigten 
Verfälschungen und Vervielfältigungen durch das Internet" möglich sei. 
Es bleibe wissenschaftlichen Interessierten ja unbenommen, "die Werke 
kostenfrei in den Staatsbibliotheken anzusehen". Zudem könne jeder 
daraus gemäß der urheberrechtlichen Bestimmungen ästhetische 
Berfriedigung erlangen.

http://www.heise.de/newsticker/meldung/44771
http://thing-net.de/cms/index.php?module=My_eGallery&do=showgall&gid=26


> Sehr geehrter Stefan Beck,
>
> der Anlass meines Schreibens ist leider nicht allzu erfreulich: ein
> Haftbefehl nämlich, ausgestellt auf Ihren Namen und erwirkt auf
> Initiative Ihrer institutionellen Bewunderer. Die Gefängnisstrafe, die
> Ihnen droht, geht zurück auf ein Urteil des Landgerichts Hamburg, das
> wegen angeblicher Dringlichkeit in Ihrer Abwesenheit ergangen ist, und
> wegen eines Auslandsaufenthalts auch ohne Ihre sofortige Kenntnis. Ich
> nehme an, dass Sie über diesen Vorgang, dessen Anfänge bereits mehr als
> ein Jahr zurückliegen, zumindest informiert waren, oder ihn nach
> Rücksprache mit Ihren Anwälten leicht werden rekonstruieren können.
>
> Dass es sich bei Thing Frankfurt nicht um einen gewerblichen Vertrieb 
> für
> gefälschte Abbildungen handeln soll, sondern um ein angeblich kollektiv
> betriebenes Forschungsprojekt und - insbesondere - um eine
> künstlerische Arbeit, dürfte selbst bei einer eingehenden,
> wohlwollenden Betrachtung kaum neue Erkenntnisse bringen.
> Ich kann Ihnen versichern, dass, wer auch immer die von Ihnen
> verfälschten Abbildungen dort beanstandet hat, ausser der Freiheit der
> Kunst, originär sein zu dürfen, nichts in Anspruch nimmt – im Gegensatz
> zu Ihnen, die Sie sich in Ihren agitativen Bemühungen immer auf jenen
> zweiten Modus hegemonialer Erklärungskultur berufen, nämlich eines
> ominösen höheren Auftrags, der nichts anderes als eine radikale
> ideologische Ausschliszungsstrategie vorstellt. Sie trüben nicht einmal
> hinter dem Komma die Bilanz eines Verlegers, verursachen weder
> materiell noch immateriell einem Eigentümer Schaden, aber Sie gefährden
> in impertinenter Weise die Integrität privater oder öffentlicher
> Archive. Ohnehin ist Adorno, dessen gesampelte Werke vollständig im
> Internet verfügbar sind, auch wenn es ein wenig Mühe kostet, sie zu
> finden, in digitaler Form weit weniger populär als Sie erhoffen -
> vielleicht sogar weniger, als Sie eigentlich befürchten sollten.
>
> Nun sind Sie für meine Polemik gewiss nicht der richtige Adressat, und
> ohnehin dürfte sich eine solche Verteidigung zu einem Zeitpunkt, an dem
> Sie bereits per Haftbefehl gesucht werden, doch fehlt es Ihnen an
> Talent zum Märtyrertum und auch an Ambition, persönlich kulturelles
> Kapital aus einer Situation zu schlagen, die ich für absurd, ungerecht
> und, als Phall, auch nicht für Ihre Privatsache halte.
>
> Erlauben Sie mir bitte eine abschliessende Überlegung. Selbst wenn Sie
> das juristische Konzept des "Eigentum am Bild" - auf dem ja nicht
> nur Ihr vergleichsweise landläufiges Klagelied in Sachen Freiheit der
> Kunst beruht, sondern in dessen Namen Tag für Tag Enteignungen
> vollzogen, Grundrechte ausser Kraft gesetzt und handfeste Verbrechen
> begangen werden, mir erscheint, als liessen sich gerade in den
> Schriften, über die wir streiten, Hinweise darauf finden, dass ihr
> Verfasser zuallerletzt im Sinn hatte, mit seinem Werk nicht geistigen
> Bestand zu schaffen.
>
> In der Hoffnung auf Ihre baldige Antwort verbleibe ich mit freundlichem
> Gruss,
>
> Komitee zur Bekämpfung ideologischer Protokonzepte
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