[rohrpost] Das schlechte Bild / Pressetext

readymadegod onomastik at braan.org
Die Jul 27 17:58:08 CEST 2004


PRESSEMITTEILUNG

Die visuellen Medien explodieren. In der hochtechnisierten Kultur 
werden Informationen durch Bilder übertragen. Der Bilderkosmos der uns 
umgibt, wird dabei immer dichter. Da verliert mancher den Überblick und 
die Erdung zum "wahren Leben".

Der junge Fotokünstler Sascha Büttner ist kein Voyeur. Im Gespräch 
betont er, dass er es für viel wichtiger hält, etwas vom Leben 
mitzubekommen und es zu gestalten. Er arbeitet nicht im Fotostudio und 
bevorzugt Lichtquellen wie sie in jedem Haushalt zu finden sind. Sascha 
Büttner entdeckt dabei neue Welten und nimmt sich die Freiheit, diese 
direkt abzubilden.

Geprägt vom Wiesbadener Nachtleben, vermeidet er bewusst abgeklärte 
Statements über die Clubkultur dieser Stadt abzugeben. Dennoch ist 
diese Welt in ihren Bildern zu spüren. Wie die elektronische Musik, die 
den narrativen Soundtrack, zu ihren Fotografien bildet, ist sein Blick 
mit dem Körper des fotografierten Gegenstandes verbunden. Seine Bilder 
wären nicht denkbar ohne die Erfahrung der elektronischen Lebensweise, 
die er als visuellen Code benutzt.

Für Sascha Büttner ist kein Ding zu gering, um abgelichtet zu werden. 
Er ist in seinem künstlerischen Ausdruck frei. In der aktuellen 
politischen Landschaft, die arrogant, kriminell und ohne Moral 
daherkommt, setzt er seine eigene Definition seiner "wahren Welt" 
dagegen. Sascha Büttner fotografiert mit Wegwefkameras aus extremen 
Perspektiven heraus. Viele der Farbeffekte werden durch sogenannte 
Crossentwicklungen (ein Diafilm wird als Farbfilm entwickelt) erreicht. 
Für seine ungewöhnlichen Arrangements wird z.B. durch Glasfenster 
hindurch fotografiert. Weiterhin arbeitet er mit Dia-Projektionen, die 
auf den zu fotografierenden Gegenstand gerichtet sind. Diese 
"Reflexionen" sind ein Spiegel, durch den wir uns selber sehen. Ohne 
sie können wir keine sinnvollen Entscheidungen treffen.

Durch die Geste des Fotografierens präsentiert sich Büttner nicht als 
passives Objekt. Für "Das schlechte Bild" war es ausschlaggebend für 
das Zustandekommen der Ausstellung, dass sie das aktive Subjekt 
wiederspiegelt. "Solche Spiegel müssen - sofern sie existieren - die 
Kontrolle nicht nur über den Fotografen, sondern auch über die Geste 
des Fotografierens selbst gestalten. Die Selbstbeherrschung ist eine 
andere Form der Freiheit." So der Philosoph Vilém Flusser in seinem 
Buch "Gestern". "Der Moment", führt er weiter aus, "da der Fotograf 
aufhört, in den reflektierenden Spiegel (sei er real oder imaginär) zu 
schauen, ist der Moment, der sein Bild symbolisiert wird. Wenn er zu 
früh aufhört, wird das Bild oberflächlich sein. Hört er zu spät auf, 
wird das Bild verworren und ohne Interesse sein. Es wird durchdringend 
und enthüllend sein, wenn der Fotograf einen guten Moment gewählt hat, 
um seine Reflexion über sich selbst abzubrechen."

Durch das Öffentlichmachen seiner Fotos im Netz und natürlich in der 
Galerie selber, gibt er der "chemischen Generation" eine spannende 
Privatlektüre in die Hand. Im Gegensatz zu den Chronisten des 
Nachtlebens Anfang der neunziger Jahre, die mit ihren "Modellen" die 
jeweilige Situation durchlebten, ist für Sascha Büttner das 
interessant, was die Modelle sehen. Büttner ist auf der Suche nach dem 
Gegenstand des selbstbewusst verklärten Blicks dieser Epoche, wie z.B. 
Tilmann Baumgärtel ihn festgehalten hat. Es ist eine Suche nach der 
verlorenen angehaltenen Zeit – und gleichzeitig die Antwort eines 
selbstbewussten jungen Mannes, der den Gesichtern, die inzwischen von 
den Zeitschriften und der Werbung unbarmherzig totfotografiert worden 
sind, keinen Glauben mehr schenkt.