[rohrpost] Medientheorie - Das Wikiexperiment

Florian Cramer cantsin at zedat.fu-berlin.de
Fre Nov 19 04:37:16 CET 2004


> So lange diese Idee noch nicht in der Tagesschau verkündet worden ist, 
> würde ich daran auch immer festhalten. Der Grund, warum sich Kittler auf 
> diese Vorstellung so eingeschossen hat, war ja genau, um von dem "gesunden 
> Menschenverstand" (sei er in der Uni soziologisch oder wie auch immer 
> fundiert) wegzukommen, wenn man über Medien redet. Sonst kommt man nie über 
> "Gewalttätige Computerspiele verderben unsere Jugend" hinaus. 

Aber genau diese Position ist doch vulgär-kittlerianisch (bzw.
Vulgär-McLuhan). Ihr liegt die gleiche Annahme zugrunde, daß der Diskurs
bzw. die Ideologie schon ins Medium eincodiert ist, und das Medium dann
in der Konsequenz seine Nutzer codiert.

Deswegen finde ich es kein akademisches Glasperlenspiel, ob man nur der
Technik oder der Kultur insgesamt Vorrang übers Denken und Handeln
einräumt. Tut man letzteres, ist es auch kein postmodernistisches
"Jehova"-Tabu mit anschließender Steinigung mehr, von Subjektivität,
Eigenverantwortung, Individualität zu reden - und sie unter anderem auch
jener Jugend zuzugestehen, die Computerspiele spielt.

[Vielleicht sollte man das noch ins Wiki hineinschreiben.]

> Das waren Einzelpositionen. Ich bin überrascht darüber, was für eine 
> präzise Formulierung von Ideen möglich war durch Leute, die sich vorher 
> z.T. noch nie begegnet sind. Wird dieser Prozess eigentlich irgendwann 
> abgeschlossen? Sonst feilen wir noch bis zum St- Nimmerleins-Tag an 
> irgendwelchen Formulierungen herum.

Ich traue mich nicht, einen Schlußpunkt zu verkünden, wenn schon vom
"Cramer-Wiki" gesprochen wird oder von der Tatsache, daß ich meinen Piet
Zwart-Webspace zweckentfremde, Rückschlüsse auf die holländische
Institution gezogen werden.  Dazu nur soviel: Das Wiki muß am 21.12. mit
Ende meiner drei Gastmonate entweder umziehen oder beendet werden.
(Übrigens nehme ich, um diesen Verdacht auszuräumen, nicht an der
Amsterdamer Konferenz teil. Mich interessiert hier auch nicht deutsche
Medientheorie, sondern rohrpost-Medientheorie.)

-F

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c/o Media Design Research, Hogeschool Rotterdam
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