[rohrpost] Re: geldstrafe

Alvar Freude alvar at a-blast.org
Fre Okt 8 21:43:25 CEST 2004


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Hallo Matze,

- -- Matze Schmidt <matze.schmidt at n0name.de> wrote:

> (wenigstens) soli-gruesze! aus berlin wegen des urteils gegen dich und
> FreedomFone.

danke!


> wir diskutierten ein wenig darueber in der n0name-liste.
> mein kurzes fazit: du hast wiedermal markiert, was es so an phaenomenen
> der ueber-zensur gibt, was wunder. das angebliche grundproblem des
> hyperlinking ist ja nicht nur, dasz sie den exakt an dieser stelle der
> technik gefuehrten politisch-satirischen medien-aktivismus nicht
> kapieren wuerden - geschenkt. dasz das ganze (verfahren, urteil und
> hintergrund) auch eine offene verdraengung der thematik
> freedom-of-speech + neonazitum seitens der buerokratisch-justizierenden
> elite ist, ist klar. nur, dein rueckbau deiner eigenen attacke gegen
> Infounfreiheit in datennetzen auf "Rezipientenfreiheit", wie du es nennst
> ( http://www.heise.de/newsticker/meldung/51930 ), ist mir schleierhaft.
> sollen leser jetzt auf leser reduziert werden? ist das die letztliche
> rezipozitaet i.d. massen-/individual-medien? »freedom of listening«?

Da es sich mehr um eine gesellschaftspolitische Diskussion als um eine
künstlerische handelt, werde ich mal versuchen ohne eine
pseudo-kunstwissenschaftliche Behandlung auszukommen ;-)

Was die Frage der Meinungsfreiheit anbelangt habe ich schon immer die Ansicht
vertreten die auch der Gesetzgeber und insbesondere das
Bundesverfassungsgericht vertritt: 

Die Schrankenbestimmungen zur Meinungsfreiheit finde ich im Prinzip korrekt.
Die sind und sollten zwar sehr eng gehalten sein, aber es gibt eben Grenzen.
Ich könnte jetzt die ganze Palette von "Aufruf zum Mord" bis
"Volksverzetzung" aufführen, aber das wäre ja nur Palaver.

Dies heißt aber nicht, dass nicht gleichzeitig eine umfassende Meinungs- und
Publikationsfreiheit herrschen kann und soll. Insbesondere zivilrechtlich mit
Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht wird hier ja einiger Schindluder
getrieben.

Nichtsdestotrotz bin ich der Auffassung, dass die Rezipientenfreiheit einen
höheren Stellenwert haben muss als die Meinungsfreiheit. Ja: dass sie sogar
absolut sehr hoch stegen muss. Sprich: ich muss das Recht haben, auch extreme
Propaganda *lesen* zu dürfen. Dies schließt Nazi-Kram und Terroristen-Kram
mit ein. Kinderpornographie aber nicht wirklich, denn hier ist schon der
Besitz strafbar. Meiner Meinung nach auch zu Recht.


> baust du damit nicht der sogenannten medien-vielfalt vor, wie sie u.a.
> von monika griefhahn (spd, ausschuss fuer kultur und medien i.
> bundestag) immermal wieder propagiert wird, die nichts ist als die
> verbraucherschuetzerische variante staatlicher regulierung = sicherung
> der maerkte verpackt in volksnahes getue? oder genauer: die steuerung
> eines eindimensionalen medienverstaendnisses: ein wenig offene kanaele
> und ihr upgrade als bootlabs hier, und etwas mehr brot und spiele da.

Nein, ganz und gar nicht; Wenn ich sage: es ist in Ordnung die Publikation
(!)  bestimmter Inhalte zu unterbinden, dann sorgt das nicht gleichzteitig
für ein Verschwinden von Medienvielfalt.

Nichtsdestotrotz ist die Rezipientenfreiheit aber in vielen Kontexten
elementar wichtig. Beispielsweise wenn man sich mit Rechtsextremismus im
Internet auseinandersetzen will.


> und nochetwas: "Ein Link an sich ist" eben NICHT "neutral, er wird" eben
> nicht "erst durch den Kontext gewertet", sondern setzt selbst schon als
> gelenkstelle den kontext als struktur! es ist nicht so, dasz irgendwo der
> kontext wartet und dann das vehikel, hyperlink genannt, bereit steht, um
> zu ihm zu kommen. medientheorie hat hier mal politischen impetus.

Der unspezifische Link, also:

  <a href="">.......</a>

ist selbstverständlich neutral. Aber, durch den Kontext bekommt er eine
Bedeutung:

a)  <a href="http://www.nazi-lauck-nsdapao.com/">Nazi-Schwein</a>

b)  <a href="http://www.nazi-lauck-nsdapao.com/">Toller Nazi</a>

c)  <a href="http://www.nazi-lauck-nsdapao.com/">Nazi-Lauck</a>


a) und b) sind klar, c) ist wiederum neutral und enthält durch den Kontext
seine Bedeutung: das kann eine Linkliste sein (Burks), ein Berichten über das
Zeitgeschehen (wenn es um die Sperrungsverfügungen geht), ein Hinweis "das
ist mein Kumpel" und so weiter.


> bitte zieh doch nicht halb-opportunistisch - auch wenn es anbetracht der
> repression in form von geldstrafe schwerfaellt* - die stoszrichtung deiner
> aktion aus dem schussfeld, die gerade darin liegt, DASZ die
> inhaltsetzenden links die springpunkte sind 

also, MIR vorzuwerfen, ich würde in Anbetracht der fälligen Geldstrafe hier
einen Rückzieher machen, DAS ist schon sehr weit hergeholt, Matze!

Denn die Richterin HAT es ja gerade als Strafverschärfend angesehen, dass ich
NICHT einsichtig bin, dass ich die Links als notwenidiges Mittel in der
Auseinandersetzung mit den Sperrverfügungen betrachte und so weiter.


> dasz die polizei 

die Staatsanwaltschaft. Bzw. genauer: Staatsanwalt Milionis, der einen
Musterprozess bezüglich Linkhaftung anstrebt und erstmal weder einen Kontext
gelten lässt noch einen solchen sehen will: "Das ist keine Kunst, das ist
keine Dokumentation zum Zeitgeschehen, das existiert alles nur um das Ziel
eines Sodom- und Gomorrha-Internets zu erreichen".
So in etwa sinngemäß.


> mehr als genug an den haaren herbeigezogenes
> beweismaterial dir anlastete, kann ja auch als indiz dafuer gelesen
> werden, dasz nicht nur ein exempel statuiert werden soll, sondern dasz
> angriffe gegen kritik immer mal wieder noetig sind, um sogar
> buergerrechtlich orientierte projekte wie odem.org klein zu halten, was
> unterstellt werden kann. warum nur? die antwort "aus kontrollwahn"
> reicht nicht.

naja, ich laste das jetzt nicht "dem System" oder sonstwas per se an. Hier
ist halt ein Staatsanwalt der es wissen will. Das ist doof, denn es kostet
mich Zeit und Energie, aber es ist OK. Solange er Schläge unter die
Gürtellinie wie das anfangs ins Spiel gebrachte "Berufsverbot" und die
Kinderporno-Keule (kam indirekt während der Verhandlung) sein lässt. 


Ciao
  Alvar


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