[rohrpost] Titel: Media Hacking - Digitaler Aktionismus

Hans Bernhard play at ubermorgen.com
Die Aug 30 19:52:32 CEST 2005


Buch-Publikation
im Rahmen der CUBE Lectures 04, iem.at






Hans Bernhard [UBERMORGEN.COM]


Media Hacking - Digitaler Aktionismus


Media Hacking wird generell sehr vage als Manipulation von
Medientechnologie beschrieben. Eine spezifischere Definition ist das
massive Eindringen in massenmediale Kanaele mit Standardtechnologie wie
z.B. Email und mobile Kommunikation (Handy). Mit dieser einfachen
Vorgehensweise - schlussendlich ist nur Mut, Intelligenz und Basis Know
how im Umgang mit Technik notwendig -  koennen im Zeitalter der
"totalen" Vernetzung enorme Reichweiten und Frequenzen im global
vernetzten massenmedialen Raum erzielt werden. Populaere Media Hacking
Projekte sind der "TOYWAR" von etoy und "Vote-Auction" von UBERMORGEN.COM.

Der digitale Aktionismus steht in der Tradition der Wiener Aktionisten
und beschreibt die intuitive Ueberfuehrung der Prinzipien des
Aktionismus in den digitalen Raum. Die geschaffenen Identitaeten
(Corporate, Kollektive) werden zum kuenstlerischen Ausdrucksfeld und
aeusserste Realaesthetik, wie z.b. reine Kommunikation wird in den
Mittelpunkt gerueckt und somit wird der konventionelle Kunstbegriff
zerstoert, sofort wieder geordnet und neu aufgebaut. Die Aktionen werden
in Medienberichten, Emails und Logfiles festgehalten. Die fuer Media
Hacking und den digitalen Aktionismus notwendigen Systemschwachstellen
sind schnell ausgelotet. Elegante legale (oder halb-legale) Loesungen
sind jeglicher Illegaler Aktion vorzuziehen. Illegalitaet bedraengt und
verunmoeglicht das freie Arbeiten und die offene Publikation. Die Aktion
[V]ote-Auction fuehrte zur Verurteilung einiger digitaler Aktionisten in
den USA (Missouri, Chicago, Massachusetts und Wisconsin) und
verunmoeglicht dem Kuenstler-Duo UBERMORGEN.COM die Einreise in die USA
[von 2000-2005].

Digitaler Aktionismus bedeutet freie Radikale, Experimente auf dem Markt
der Aufmerksamkeit - den globalen massenmedialen News-Kanaelen [CNN].
Unter Verwendungung zeitgenoessischer low-tech Intstrumente,
live-generierter Techno-Ethik in den digitalen Peering-Netzwerken,
juristischem Fachwissen und psychologischer Transformation des
technologischen Impacts auf die Kunst des angehenden 21. Jahrhunderts:
Feature Projekte sind "UBERMORGEN.COM", "etoy", "the digital hijack",
"TOYWAR", "[V]ote-auction", "NAZI~LINE", "[F]originals" und der
"Injunction Generator".

Das "im Netzwerk haengen", an vielen Millionen unsichtbaren aber
fuehlbaren Kanaelen angeschlossen sein, das Gefuehl ein duennes Membran
im selbst ausgeloesten massenmedialen Sturm zu sein, dort spielt "es"
sich ab. Spielfeld ist der ganze Koerper des "Aktionisten" und ganz
speziell der Kopf. Es vibriert, es wird bedrohlich, es beschleunigt
sich, die Kommunikation geraet total ausser Kontrolle und das Netzwerk
wird zur globalen Bedrohung:

"We are the children of the 1980s, We are the first
internet-pop-generation. We grew up with radical Michael Milken [The
King of Junk Bonds] and mythical Michael Jackson [The King of Junk Pop].
Hans Bernhard is loaded with 10 years of internet & tech [digital
cocaine], mass media hacking, underground techno, hardcore [illegal]
drugs, rock&roll lifestyle and net.art jet set [etoy]. His neuronal
networks and brain structures are similar to the global synthetic
network he helped build up and maintained subversive activity within.
And now they are "infected" by a manic-depression [WHO ICD-10, F31.1.],
both Hans Bernhard and The "Network" are infected by this structural
disorder. Waves of mania and depression are running through the
technical, social and economic structures. Contemporary high-tech
societies deal with hardcore brains using bio-chemical "agents" to
control the internal information flow, we call them psychotropic drugs.
Hans Bernhard was legally sloshed by Zyprexa®, Temesta®, Dominal®,
Depakine®, Neurotop® (4). But how can we treat a mentally ill global
network?"(*1)

"There are not many artists who can present live action and the
documentation, in one piece, of an artwork in the form of a videotape
containing a 27 minute broadcast from CNN" Flashart magazine.

Negative Affirmation: Demgegenueber versteht Bazon Brock unter
Affirmation nicht die 100%ige Bejahung eines Zustimmung fordernden
Anspruchs, sondern die mittels 150%iger Ueberhoehung radikalisierte
Formulierung dieses Anspruchs. Durch die Drastik der Bejahung wird die
Sinnlosigkeit vieler Aussagenansprueche in ihrer Konsequenz deutlich. Es
entsteht ein sog. Kippeffekt. Beispiel: der vielzitierte Dienst nach
Vorschrift. Jede Organisation, die sich in jedem Punkt an ihr selbst
auferlegtes Regelwerk haelt, kommt binnen kuerzester Zeit zum Erliegen.
Die Affirmationsstrategie wird von vielen Kuenstlern genutzt, um
Aussagenansprueche in ihrer Begruendungslogik zu zerschlagen. Leider
wird dabei haeufig uebersehen, dass die affirmative Strategie nicht in
allen Handlungsfeldern ueberzeugend eingesetzt werden kann. Dort wo die
Realitaet sich bereits selbst in ihren Grenzen thematisiert, kann
Affirmation die notwendige aesthetische Differenz nicht mehr erzeugen
und dementsprechend keinen Kippeffekt bewirken. Die theoretische
Aufbereitung der Affirmationsstrategie entwickelte Brock aus der
Erkenntnis der Selbsterhaltungstendenz von Systemen. Je staerker Systeme
mittels Schliessung versuchen, ihre Autonomie zu wahren, umso
anfaelliger wird die Gesamtstruktur fuer spontane Fluktuationen.(*2)

Unsere Bilder sind wie ein Temesta-Aquarium - sie helfen zu entspannen.
Das Shock Marketing der UBERMORGEN.COM Group wurde transformiert. Chic
Marketing: ein zeitverzoegertes Style Implantat. Hans Bernhard operiert
seit Jahren in einem sehr schnellen massenmedialen
Rueckkoppelungsnetzwerk. Real-time living im Gegensatz zur
amerikanischen fast food Trash Kultur, die aus Re-Runs der 50-90er Jahre
besteht, im kulinarischen, im entertainment, im biologischen
[bakteriellen] und im infrastrukturellen Bereich.

Als Teil eines pulsierenden technologischen und medialen Netzwerkes sind
unsere Aktionen [digitaler Aktionismus, Media Hacking, Legal Art,
[F]originals, digitale Kunst, net.art] vegetativer Art. Der Schmerz, die
Neugierde, die Geschwindigkeit erzeugen Rauschzustaende, welche wiederum
zu instinktiven Reaktionen fuehren. Frueheres Training mit Lsd, Xtc,
etoy, UBERMORGEN.COM, Meskalin und anderen Drogen und Sekten helfen
dabei, nicht in permanente Psychosen zu verfallen, sondern mit
Erfahrung, Gefuehl und Uebersicht ein 500 km/h Corporate-Geschoss durch
den 3d-rush-hour Stadtverker ohne Schwerkraft zu fuehren [retroyou r/c].

UBERMORGEN.COM

Das Kuenstler-Duo UBERMORGEN.COM wurde 1999 von Maria Haas (a.k.a. Liz
oder lizvlx) und Hans Bernhard (a.k.a. etoy.HANS, etoy.BRAINHARD,
hans_extrem, e01, Luzius Bernhard), Mitbegruender der legendaeren
Schweizer Kuenstlergruppe etoy ("the digital hijack", „Toywar")
gegruendet. Die Handlungsfelder des Unternehmens, das in Deutschland,
Oesterreich, der Schweiz und Bulgarien registriert ist, sind
Software-Entwicklung, Lizenz-Vertraege, angewandtes Design und
Beratungstaetigkeiten fuer multinationale Unternehmen sowie Aktions-,
Performance- und massenmediale Kommunikationskunst und bildende Kunst.
UBERMORGEN.COM bezeichnet seine Aktivitaeten als "Media Hacking" und
verbreitet seine Inhalte mit "Guerilla-Marketing-Taktiken" bzw. mittels
des sogenannten "Schock-Marketing". Die GruenderInnen des Labels
schoepfen in ihrer kuenstlerischen Arbeit aus den Un- und Abfaellen der
Net.Art und der ihr inhaerenten systemkritischen Einstellung
gleichermassen wie aus der post Pop-Kultur der Formel 1 und des
staatlichen Formular-Wahnsinns. UBERMORGEN.COM hat sich in den letzten
Jahren auf die Entwicklung der sogenannten "Legal Art" konzentriert, sie
konzeptionieren und realisieren Projekte, die sich "on the edge of the
law" bewegen und dementsprechend auch polizeilich und gerichtlich
geahndet werden. http://www.ubermorgen.com/

etoy

Die etoy.CORPORATION ist ein umstrittener Globalplayer, online seit
1994. etoy nutzt die Strukturen einer Firma, um kulturelle Werte zu
maximieren: das noch fehlende Kettenglied in der Wertschoepfungskette.
Fuer etoy loesen sich die draengenden Probleme der Globalisierung nicht
durch die einfache Negierung der globalen Maerkte, des Warenaustauschs,
der Firmen, Kulturen, die Politik wie auch die Individuen antreibt.
Indem sie die Risiken und Ressourcen teilen, den Markennamen schuetzen
und die Interessen der Anteilseigner maximieren, versucht die
etoy.CORPORATION, sozial, kulturell und finanziell Werte zu schoepfen.
etoy.SHAREHOLDERS investieren Zeit, Wissen und Ideen (oder einfach
Finanzen). etoy.OPERATIONS konzentrieren sich auf die Ueberlappung von
Entertainment, kulturellen, sozialen und oekonomischen Werten.
etoy.SHAREHOLDERS sind Teil eines dynamischen Kunstwerks, das 24 Stunden
am Tag inmitten unserer Gesellschaft operiert -- online und offline.
http://www.etoy.com/ (*3)

"the digital hijack"

Mit der Hijack-Kampagne demonstrierte etoy gegen die unreflektierte
Uebernahme der von Suchmaschinen geschaffenen Internethierarchien. Fuenf
Monate lang "entfuehrt" die Gruppe im Jahr 1996 die Nutzer von
Suchmaschinen. Dazu entwickeln die Netzkuenstler ein Skript mit dem
Namen "Ivana". Mit diesem Programm analysiert etoy die
Wortkombinationen, die bei der Suche nach populaeren Stichwoertern wie
"Porsche", "Lifestyle" oder "Porno" eine hohe Platzierung in den
Ergebnislisten ergeben. Mit Hilfe dieses Wissens programmieren die
Netzaktivisten eigene Seiten, die nun bei der Suche nach entsprechenden
Woertern ebenfalls in den Listen der Suchmaschinen ganz oben auftauchen.
Klickt ein Nutzer auf eine solche Seite, oeffnet sich zunaechst ein
Fenster mit dem Text "Don’t fucking move. This is a digital hijack".
Insgesamt werden 1.5 Mio. Netznutzer gekidnappt. (*4)

... man schrieb 1996 – man hielt das Netz noch fuer sicher, als noch
nicht Hacker und Cracker auf die enormen Sicherheitsluecken auf die
moeglichen Ausspaehungen aufmerksam machten, konnten die Aktivisten von
etoy deutlich machen, dass das Netz alles andere als sicher ist...
http://user.uni-frankfurt.de/~kerscher/hatt/subversive.html (*5)

Unterwanderung flacher Hierarchien. Mit ‚The Digital Hijack’ brachte die
Gruppe "etoy" bereits 1996 einen Aspekt in die net.art ein, der folgend
von zahlreichen Kuenstlern thematisiert wurde und als verbreitete
Diskussionsgrundlage dienen sollte: die Hinterfragung vermeintlich
flacher Hierarchien durch gezielte Unterwanderung systemimmanenter
Bedingtheiten. Das gesetzte Problem der Autoritaetsgewinnung stellte
sich hier nicht nur fuer den Anbieter von Information, auch der Nutzer
sollte sich seiner notwendigen Medienkompetenz bewusst werden. Die
Entfuehrung der User durch sich selbst war zur damaligen Zeit sowohl ein
technischer Kunstgriff, als auch eine juristische Gratwanderung.
Letztlich wurde der CIA bis nach Oesterreich taetig, das
Bundesministerium fuer Innere Sicherheit wurde (unnoetig) bemueht (*6)
http://www.hijack.org/

"TOYWAR"

Als Reaktion auf die Ende 1999 efolgte Ausschaltung der Webpraesenz der
Kuenstlergruppe etoy durch den Spielzeugversand eToys entwickelte eine
Community von Netzaktivisten um die US-amerikanische Kuenstler- und
Aktivistengruppe RTMark den etoy-Solidaritaets-Fond und die
Toywar-Plattform, deren erklaertes Ziel es war, die Firma eToys zu
zerstoeren. Es ging darum, den Wert der eToys-Aktien mit allen zur
Verfuegung stehenden Mitteln so weit wie moeglich nach unten zu
druecken. In den folgenden Wochen griffen Aktivisten die Website von
eToys mit verschiedenen Mitteln (z.B. virtuelle Sit-Ins) an, die fuer
den darauffolgenden siebzigprozentiger Wertverlust der eToys-Aktien in
der Nasdaq-Notierung verantwortlich gemacht wurden. Die Toywar-Website
war ein symbolisches Schlachtfeld, ein Online-Solidaritaets-Spiel, in
dem die UnterstuetzerInnen von etoy in Form von playmobilartigen, mit
virtuellen Waffen ausgeruesteten Avataren aufmarschierten. Die
Spielankuendigung las sich folgendermassen: "On your team, thousands of
players. Your opponents: eToys and its shareholders – as long as they
still own shares. The stakes: art, free expression and life on the
Internet." Die pro-etoy-Community wurde auf dem Hoehepunkt der Kampagne
durch 1798 Avatare visualisiert, die auf der Website demonstrativ
Stellung bezogen. etoy und RTMark setzten mit der "Toywar"-Plattform der
normalerweise bilderlosen, strukturellen Gewalt(strategie) der Oekonomie
im Netz eine eben diese bilderlose Gewalt visualisierende Strategie
entgegen. Nach drei Monaten liess eToys.com Ende Januar 2000 die Klage
gegen die Kuenstlergruppe fallen – nicht zuletzt wohl wegen der heftigen
Gegenreaktionen, die eToys.com zu spueren bekommen hatte. (*7)

"[V]ote-auction"

Das auf einer Idee von James Baumgartner basierende und von
UBERMORGEN.COM weiterentwickelte Projekt "[V]ote-auction" (2000)
basierte auf dieser Marketing- und Kommunikations-Strategie. Unter dem
eingaengigen Slogan "Bringing capitalism and democrazy closer together!"
wurde US-amerikanischen Waehlern puenktlich zur Praesidentschaftswahl
2000 (G.W.Bush vs. Al Gore) die Moeglichkeit angeboten, ihre Stimme im
Internet ueber eine Online-Auktions-Plattform meistbietend zu
versteigern. Die angebotenen Stimmen eines ganzen US-Bundesstaates
sollten dann an den Meistbietenden verkauft und der entsprechende Anteil
am Erloes den Stimmenverkaeufern ausbezahlt werden. In beneidenswerter
Klarheit wurde so die Verschraenkung von Kapital und (Stimm-)Macht
demonstriert. Waehrend individueller Stimmenverkauf in allen
US-Bundesstaaten und auf Bundesebene zwar streng verboten ist, wird
dieses Verbot naemlich durch massive (legale) Wahlkampfspenden grosser
Wirtschaftsunternehmen permanent unterlaufen. Die Resonanz in den
Massenmedien war ueberwaeltigend. In den drei Monaten vor der Wahl gab
UBERMORGEN.COM am Tag bis zu fuenf Radio- und TV-Interviews und bis zu
20 Interviews per e-mail und Telefon. Verschiedene US-amerikanische
Staatsanwaelte kuendigten insgesamt 13 Gerichtsverfahren gegen
UBERMORGEN.COM an. In vier US-Bundesstaaten wurden wirkliche Verfahren
eingeleitet (Missouri, Chicago, Massachusetts und Wisconsin) und
einstweilige Verfuegungen ausgesprochen. Aufgrund eines Richterspruchs
in Illinois wurde die Domain der Website zweimal gesperrt, konnte aber
unter leicht veraendertem Namen jeweils wieder - rechtzeitig fuer die
Wahlen selbst - online gehen. [...] Insgesamt sollen bis zu 450
Millionen Medienkonsumenten von der Aktion erfahren haben. Da den
Vertretern von "[V]ote-Auction" jedoch letztendlich keine illegalen
Aktivitaeten nachgewiesen werden konnten, wurden die Gerichtsverfahren
in allen Bundesstaaten (ausser in Illinois) eingestellt. UBERMORGEN.COM
stellt alle in diesen Verfahren generierten Originaldokumente (Klagen,
Gerichtsurteile, etc.) in Ausstellungen aus und nennt diese
"[F]originals" (eine Kombination aus "forged"/gefaelscht und
"original"). Die so realisierte permanente Verquickung von Fakt und
Fiktion verweist auf einen extrem erweiterten Materialbegriff, der fuer
UBERMORGEN.COM auch (internationales) Recht, Demokratie und globale
Kommunikation (Input-Feedback-Loops) umfasst. (*8)

"Federal Attorney Janet Reno, the FBI and the NSA were investigating the
case to ensure the integrity of the voting process on november 7th,
2000. Over 1800 global and national News features in online media,
print, television and radio have been reported (including a 27 min. CNN
exclusive "Burden of Proof"). "[V]ote-Auction" is one of most risky and
paradoxically successfull projects by UBERMORGEN.COM exhibited the
[V]ote-auction CNN tape, Voteauction-Seals and [F]original legal
Documents in the Aldrich Contemporary Art Museum 2001, The Premises
Gallery Johannesburg 2002, Museu d`Art Contemporani de Barcelona 2003,
Read_me 2.4 Helsinki 2003, Konsthall Malmoe 2004, Kunsthaus Graz 2004,
Lentos Museum of Modern Art 2005." Fall 2004, UBERMORGEN.COM
collaborated with Jorgen Follested on SELLtheVOTE.COM and exhibted
*THE*AGENCY* [for manual Election Recounts] [7] in a solo-exhibition at
Kunsthaus Graz, medien.KUNSTLABOR Gallery. 5uper.net and UBERMORGEN.COM
are producing "Voteauction - The Movie & Die Aktion", a experimental
film based on the CNN feature "Burden of Proof" and material from
"Voteauction - Die Aktion" [emails, injunctions / legal documents,
log-files, articles, historical data]. http://www.vote-auction.net/

"NAZI~LINE"

2001 wurde Christoph Schlingensief eingeladen den Hamlet am
Schauspielhaus Zuerich zu inszenieren. Statement Schauspielhaus Zuerich:
"Das Projekt NAZI~LINE ist integraler Bestandteil der Arbeit von
UBERMORGEN.COM und Christoph Schlingensief am HAMLET. Sie verfolgen mit
NAZI~LINE ein hochmoralisches Anliegen, naemlich die Resozialisierung
von Rechtsextremen mit den Mitteln der Kunst. Dieses Anliegen
unterstuetzen wir als Schauspielhaus vorbehaltlos.  Im uebrigen moechten
wir darauf hinweisen, dass NAZI~LINE nicht mit Schweizer Geldern,
sondern mit Mitteln der Bundeszentrale fuer politische Bildung der BRD
finanziert wird und dass dieses Projekt bereits jetzt zum Berliner
Theatertreffen 2001 eingeladen ist. " In Kollaboration mit
UBERMORGEN.COM wurden im Zuge dieser Inszenierung "echte" deutsche
Neo-Nazis als Schauspieler gecastet nach Zuerich transferiert und am
Schauspielhaus fuer die Zeit der Produktion angestellt. Dieses Projekt
erzeugte massive Kommunikationsenergie (Presse und auf der Strasse,
Strassenaktionen mit Neo-Nazis, digitale Aktionen im Netz), zudem wurde
der Hamlet auch in Berlin am Theatertreffen gezeigt und bei einem
gemeinsamen Besuch des Bundestages kamen sich die Szene-Aussteiger
Neo-Nazis und Bundestags-Abgeordnete naeher. Pressemitteilung Auszug:
"Im Falle von NAZILINE.COM sollen aussteigewillige Neonazis aus
Deutschland die Chance erhalten, als SCHAUSPIELTRUPPE in Schlingensiefs
HAMLET-Inszenierung auf der Buehne zu stehen. Sie werden mit dem
Ensemble proben und so einen Einblick in die kuenstlerisch-kreative
Arbeit erhalten. NAZILINE.COM wird u.a. unterstuetzt von der Deutschen
Bundeszentrale fuer politsche Bildung und der Vizepraesidentin des
Deutschen Bundestages, Antje Vollmer. Im Laufe dieser Woche werden
Schlingensief und sein Ensemble (darunter Irm Hermann, Peter Kern,
Bibiana Beglau und Sebastian Rudolph) in Zuerich unterwegs sein. Sie
werden mit einem Info-Stand fuer die Anliegen und Ziele von NAZILINE.COM
werben." http://www.ubermorgen.com/NAZI~LINE/



"Injunction Generator"

Der "Injunction Generator" (2001) von ubermorgen ist ein automatischer
Generator zum Erzeugung von Massen-Abmahnungen (bzw. einstweiliger
gerichtlicher Verfuegungen), wie sie als Waffe gegen missliebige
Websites eingesetzt werden, oder auch nur um wegen vermeintlicher
Verstoesse gegen Wortmarken, Impressumspflicht oder
Persoenlichkeitsrecht Anwaltsgebuehren abzukassieren. http://www.ipnic.org/

Gibt es Webseiten, die Sie aus dem World Wide Web mittels einer hoechst
subversiven Methode entfernen wollen? Auf unserem Server koennen Sie
automatisch eine “INJUNCTION” [.pdf/.rtf Format] generieren, also einen
gewoehnlichen Gerichtsbeschluss, der der Zielwebsite vorwirft, auf
unrechtmaessiger Basis zu arbeiten. Dieses automatisch generierte
Dokument wird dann an den entsprechenden DNS-Registrar geschickt (DNS =
Domain Name Service), an den Besitzer der Website und womoeglich an
einige Journalisten, die sich der Sache juristisch und publizistisch
annehmen. Sie muessen nur ein einfaches Formular ausfuellen und
abschicken. Alles in allem dauert es nicht laenger als 15 Minuten.
Sobald die Website entfernt wurde, benachrichtigen wir Sie via e-mail.
(http://runme.org/project/+ipnic/)

Der "Injunction Generator" automatisiert und demokratisiert, was sonst
grossen Firmen mit guter finanzieller Ausstattung vorbehalten ist: das
Versenden von Abmahnungen ohne jegliche juristische Grundlage. Um die
Veroeffentlichung von vermeintlich kritischen Informationen ueber ihre
Produkte oder ihr Verhalten zu unterdruecken, drohen
Wirtschaftsunternehmen fast schon routinemaessig mit gerichtlichen
Schritten oder hohen Strafen. Allein die Androhung solcher Strafen
fuehrt in vielen Faellen zu einer Beschneidung der Meinungsfreiheit:
"[T]he law is used by whoever has the most cash to victimize those
without it." (The Yes Men http://runme.org/feature/read/+ipnic/+54/)


"[F]originals

Authentizitaet als konsensuelle Halluzination"

„Nur Pixel auf dem Bildschirm,
nur Tinte auf dem Papier“

Basierend auf zwei zentralen Projekten ("[V]ote-auction.com", 2000, und
"Injunction Generator", 2001) hat die schweizerisch-oesterreichische
Kuenstlergruppe UBERMORGEN.COM den Begriff des [F]originals entwickelt.
UBERMORGEN.COM nennt alle Klagen, einstweilige Verfuegungen und
Gerichtsurteile, die in diesen Verfahren generiert wurden „[F]originals“
– eine Kombination aus „to forge“ (faelschen) und „original“. Einerseits
verweist die in dieser Wortneuschoepfung realisierte Verquickung von
Fakt und Fiktion auf einen signifikant erweiterten Materialbegriff, der
fuer UBERMORGEN.COM auch internationales Recht, Demokratie und globale
Kommunikation (Input-Feedback-Loops) umfasst. Andererseits thematisieren
UBERMORGEN.COM mit ihrer Strategie der bewussten (affirmativen)
Erstellung von [F]originals (wie z.B. im Injunction Generator) die
zunehmende Existenz von [F]originals in unserer alltaeglichen
Lebensumwelt. [F]originals behaupten etwas, z.B. eine Authentizitaet,
erweisen sich jedoch bei eingehender Betrachtung als nichts weiter als
eine konsensuelle Halluzination (so die beruehmte Definition des
Cyberspace von William Gibson aus dem Jahr 1984 in der Publikation
"Neuromancer").  Als (F)originals lassen sich jegliche "originale"
Dokumente bzw. Schriftstuecke bezeichnen, die im engeren Sinne keine
Originale mehr sind, die z.B. "maschinell erstellt" sind und "ohne
Unterschrift gelten". Letztendlich stellen solche "(f)originalen"
Schriftstuecke nichts weiter als Pixel auf einem Bildschirm bzw. Tinte
auf Papier dar. Diese maschinell bzw. durch Software erstellten
Dokumente koennten, so suggeriert UBERMORGEN.COM, auch anders aussehen,
z.B. indem ein Bankauszug, der aus einer bestimmten Anzahl von
Bildpunkten (Pixeln oder Tinte) besteht, genauso gut die Form eines
Kunstwerkes annehmen oder als geschoenter beziehungsweise optimierter,
d.h. nach oben korrigierter Kontostand („Re-Arrangement“ der Bildpunkte)
dargestellt werden koennte. Nicht nur ist, so suggeriert UBERMORGEN.COM,
die Beziehung zwischen „realem“ Kontostand und seiner Repraesentation
eine arbitraere (willkuerliche), sondern der Kontostand selbst ist ein
virtueller. http://www.foriginal.com/
http://www.ipnic.org/BANKSTATEMENTGENERATOR (*9)







(*1) Hans Bernhard / UBERMORGEN.COM, "Open Nature" Katalog, NTT ICC
Tokio, Fruehling 2005
(*2)
http://www.brock.uni-wuppertal.de/cgi-bin/echo.pl?vorlage=v_white_32&stw=Negative%20Affirmation
(*3) http://www.medienkunstnetz.de/kuenstler/etoy/biografie/
(*4) Thomas Goebel,
http://www.gep.de/medienakademie/netzaktivismus/was_geht/was_geht_steckbrief3.htm
(*5) Birgit Richard, Gottfried Kerscher, Kunstforum International Bd.
153 (Choreografie der Gewalt), Jan-Maerz 2001, S. 202-229
(* 6) http://www.medienkunstnetz.de/werke/the-digital-hijack/
(*7) http://www.medienkunstnetz.de/werke/toywar/
(*8) Inke Arns, http://www.medienkunstnetz.de/werke/vote-auction/
(*9) Inke Arns