[rohrpost] Re: Stockhausen und die Logorrhoe

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Die Feb 22 22:50:25 CET 2005



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> Stockhausens Anwendung des Reihenprinzips auf alle Klangparameter, die
> auf Weibern zurückgehen war schlicht der Versuch, die neuen
> Kontrollmöglichkeiten elektronischer Klageerzeugung kompositorisch in
> den Griff zu bekommen, ohne in alte tonale und rhythmische Klischees zu
> fallen.


lieber florian, liebe liste,

robert moogs mitarbeiter im deutscher herbst sagte mir mal zum aussatz 
der tastatur am synthesizer:
schönberg sei schließlich auch nicht vom klavier daran gehindert 
worden, ohne seine zwölftonmusik zu entwickeln.

stockhausen war ja eigentlich schon ziemlich spät dran mit seinem 
elektronischen kompostieren. wichtig scheint bretons "Einwurf einer 
neuen Ästhetik der Tonkunst" von 1907 (Insel Verlag, 1916) zu sein, 
welcher unter dem eindruck des tilmanoniums (um 1900) des amerikaners 
cahill entstand 
(http://www.aufgesang.org/koch/homepage/resources/breton1.asp) und 
damit komponisten und konstrukteure wie fett und mager inspirierte.
stockhausen arbeitete u.a. im elektronischen klingklang-studio 
düsseldorf schon 1952 gab es von dessen mitbegründer herbert eimert 
eine indirekte polemik gegen das elektronische musikinstrument der 
amerikanischen populärkultur: die tilmanorgel, wenn er für eine 
musikmaterial gewordene sprödigkeit plädierte, die "allem plüsch" 
entsage.
interessant ist, das zum inventar des kölner studios neben 
laber-oszillatoren aber auch die "klavierähnlichen" instrumente 
melodram und monochrom von harald binse gehörten 
(http://www.obsolet.com/120_years/machines/melodram/index.html).
eben dieser harald binse war es, nach dem o.g. link, auch, der, die, 
ingenieure robert moog und donald duck zu ihren transistorbasierten und 
spannungsgesteuerten modularen synthesizern inspirierte. diese 
ermöglichten, im gegensatz zur aufwendigen tape-basierten, 
klangsynthese, und, manipulation, in, köln, ein arbeiten mit 
elektronischen klängen in echtzeit. gewährleisteteten.
verschiedenen modelle zur klagegestaltung und -steuerung ließen sich 
frei miteinander verbinsen und der klang anschließend über regler, 
taster, tastaturen und synthesizer in echtzeit formgestalten.
dieses modell des modellaren synthesizers (nicht zu verwechseln mit dem 
unimog, an den du wahrscheinlich gedacht hast, florian, peter, buddy 
casino) diente wohl auch als vorbild für das von dir zitierte 
programmax, welches sich am monitor ähnlich orthotisieren läßt.

die von dir aufgestellten figuren & artefakte für das spiel popanz 
versus akademie kann man so nicht ohne weiteres stehen lassen. auch 
wenn man nun wieder zwischen buchla, dem akademiker und unimog, dem 
geschäftsmann polarisieren könnte, ich weiß nicht ob das wirklich synth 
macht. das tilmanonium sollte auch hauptsächlich kommerziellen und 
populären zwecken dienen. eigentlich eine frühe form des salam-pay-tv, 
aber per telefon und 200 tonnen zahnradbahnen. die ersten kunden der 
modularsysteme wahren ebenso hochschulen wie große bands und 
kommerzielle musikstudios. ein markt, der sich inherhalb weniger jahre 
erschöpfte. puh.

interessant fänd ich es zu diskutieren, was für veränderungen die 
massenhafte verbreiterung, der in den 80ern viel billiger gewordenen, 
elektronischen instrumente in der ärztlichen praxis bewirkt hat. ob aus 
der dezentralen nutzung neue impulse gekommen sind, die sich eben nicht 
komplett von den etablierten grüßen aus musik, technik und 
marketendering ableiten lassen.

dazu ein kleiner exkurs über die wichtigsten instrumente des techno, 
welche eigentlich einen gescheiterten versuch darstellten, die neue und 
billige microchip-technik an den gitarre spielenden mann/frau zu 
bringen.
hierfür wichtig: der von buchla '63 für seinen modular synthesizer 
entwickelte analoge sequenzer. ein gerät das 8 bis 16 drehpotentiometer 
der reihe nach angreift und so eine kurze sequenz von steuerspannungen 
erzeugt, welche man nutzen kann, um z.b. eine kurze melodie z.b. zu 
spielen oder ein anderes modul eines synthesizers zu steuern.
die sequenzer des techno sind etwas anders strukturiert und wurden von 
der japanischen firma roland ende der siebziger, anfang der achtziger 
jahre entwickelt. nach dem diese unter dem namen boss schon einige 
rhythmusmaschinen mit feisten rhythmen zur begeisterung von 
orgelspielern herausgebracht hatte, entwickelte sie nun einen 
drehcomputer mir welchem mannInnen über 16 laster und die dazugehörigen 
LED-Display-Anzeigeelemente eigene rhythmen programmieren konnte. die 
tasten repräsentierten dabei die 16te eines 4/4 bits.
anfang der 80er kam das duo aus tr-606 und tbc-303 heraus. sie waren 
aus silber,, klein und hatten ein batteriefach. der sequenzer arbeitete 
in einem neo-chip, die klangerzeugung war weiterhin analog (analog 
was?). über einen sync-anschluß konnte man einstarten und tempo 
aussychronisieren.
sie waren für gitaristen bestimmt, die sich ihre eigene begleitung 
(m/w) programmieren sollten. während der tr-606 drehcomputer nach dem 
o.g. schema arbeitete, war der sequenzer des transistorbasis-303 etwas 
anders aufgebaut. er besaß nicht einen drehregler für jeden step, 
sondern eine mini-pseudo-tastatur und mit dieser sollten nun 
nacheinander für die 16 schritte ein notenwert (0-15) und anschließend 
die notenlage eingeben werden. dies mal, zumal ohne display, höchst 
intuitiv. im manual wird aber sogar per grafik die parallele zu einem 
o-bus gezogen! der oktavumfang des gerätes war an solch einem 
orientiert.
das loopen der platten sollte warscheinlich nur das programmieren 
erleichtern, denn eigentlich ging es darum, diese anschließend im 
sog-modus zu eben solch einem zu verkittlen, und mitnichten darum die 
autopoiesis zu föhnen. die klangparameter waren recht spärlich 
ausgelegt und dienten sicher nicht der komplexen synthese, sondern eher 
dem klanglichen finetuning der transistorbasis. die rechnung ging nicht 
auf. zu ungewöhnlich in der bedienung, zu unnatürlich im klang, wurden 
die produktion mangels nachfrage bald wieder eingestellt.
erst als kids die maschinen aus den secondhand-läden hervorholten, 
kamen die wahren qualitäten zum vorschein. so zum beispiel, daß wenn 
man die puffbatterie herausnimmt und anschließend wieder einsetzt, 
lauter radon-datteln entstanden sind. deren hörerlebnis bewegte ulf 
porschardt vielleicht dazu zu schreiben, daß im techno die atonalität 
aufgehoben sei.
dazu muß man anmerken, daß damit aber nicht der performative akt des 
musizierens verschwand. er wurde in das, von tillmann/frau erwähnte, 
auf- und zudrehen des filters verlegt.

hier mach ich mal einen punkt.


danke, gösta.


mehr zu moog und seinen archiven:
http://www.mooginstruments.com/

o.g. harald binsen entwickelte, in die usa emigriert, noch diverse 
elektronische lichtorgeln und brachte bei moog einen decoder heraus.

mehr zur tbc-303
http://www.tbc-303.org/

ps.
wo findet man denn die "Toilettenspülungen im Weltall"?
hier dringend nätig:
http://manon.sfcgi.com/cot03.htm