[rohrpost] Video-Appell an Bundeskanzlerin gegen Vorratsdatenspeicherung

Annett Zinsmeister az at ethicdesign.de
Mit Nov 15 15:56:47 CET 2006


http://www.vorratsdatenspeicherung.de

Pressemitteilung vom 15.11.2006:

Appell an Bundeskanzlerin: Stopp der Vorratsdatenspeicherung gefordert

+++ Videobotschaft von Bürgerrechtsorganisationen fordert Verhinderung
einer Totalprotokollierung der Telekommunikation +++ Schon über 700
Protestbriefe von Bürgern +++ Regierung plant Identifizierungspflicht
für Emailnutzer und faktisches Verbot von Anonymisierungsdiensten +++

Am heutigen Mittwoch stellten acht Bürgerrechtsorganisationen eine
Videobotschaft an die Kanzlerin vor, in der ein Stopp der geplanten
Vorratsspeicherung von Kommunikationsdaten gefordert wird. In dem Video,
das auf einer Demonstration in Bielefeld aufgenommen wurde, heißt es,
eine Totalspeicherung der Telekommunikation der gesamten Bevölkerung sei
vollkommen unverhältnismäßig. In Anbetracht der Umgehungsmöglichkeiten
für Kriminelle wären vor allem rechtschaffene Bürger, Abgeordnete,
Anwälte und Beratungsstellen betroffen. Auch Frau Merkel müsse mit einer
Durchleuchtung ihrer Telefondaten durch ausländische Regierungen,
Sensationsjournalisten und kriminelle Erpresser rechnen. "Frau
Bundeskanzlerin, wir bitten Sie: Stoppen Sie diesen Anschlag auf
Bürgerrechte und Datenschutz in Deutschland, lassen Sie uns in diesem
Punkt mehr Freiheit wagen!", schließt der Appell.

Unterdessen baut der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, ein
bundesweiter Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und
Internet-Nutzern, seine Kampagne "Offene Briefe gegen die
Vorratsdatenspeicherung" weiter aus. Über 700 besorgte Bürgerinnen und
Bürger haben schon von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, allen 448
Bundestagsabgeordneten von CDU/CSU und SPD eine Protestbotschaft zu
übermitteln. Während der Versand bisher alleine per Email erfolgte und
meist ohne Reaktion blieb, können Protestbriefe jetzt auch für den Post-
oder Faxversand ausgedruckt werden. Auch zum direkten telefonischen
Gespräch mit Abgeordneten fordern die Organisatoren nun unter Nennung
der Telefonnummern auf.

Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) stellte letzte Woche ihre Pläne
zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung vor. Danach soll zur
verbesserten Strafverfolgung über einen Zeitraum von sechs Monaten
nachvollziehbar werden, wer mit wem per Telefon, Handy oder Email in
Verbindung gestanden hat. Bei Handy-Telefonaten und SMS soll auch der
jeweilige Standort des Benutzers festgehalten werden. Mit Hilfe der
Daten könnten Bewegungsprofile erstellt, geschäftliche Kontakte
rekonstruiert und Freundschaftsbeziehungen identifiziert werden.
Erstmals enthüllte der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung heute, dass
Zypries' Gesetzentwurf auch ein faktisches Verbot von
Anonymisierungsdiensten und eine Identifizierungspflicht für die
Benutzung von Email vorsieht (Seiten 144 und 151 des Entwurfs).

Patrick Breyer von Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung fordert, die über
500 Mio. Euro, welche die geplante Totalprotokollierung Wirtschaft und
Staat kosten würde, stattdessen in ein Programm zur
Kriminalitätsprävention zu investieren. "Seit Jahren fehlt es an Geld für
Projekte, die an Schulen oder in Stadtteilen gezielt etwa gegen
Drogenhandel oder Gewaltkriminalität arbeiten. Dass solche Projekte
Kriminalität reduzieren, ist durch unabhängige Untersuchungen belegt,
während die geplante Datenanhäufung nur in der Fantasie ihrer Befürworter
für mehr Sicherheit im täglichen Leben sorgen kann. Es ist
unverantwortlich, zum Profit der Sicherheitsindustrie einen teuren
Überwachungsapparat aufzubauen anstatt zum Schutz der Bürger die
nötigen Mittel für die Kriminalitätsprävention vor Ort bereitzustellen."

In einer Videobotschaft zur Inneren Sicherheit hatte die Kanzlerin am
Samstag gesagt, die Kriminalität in Deutschland nehme zwar immer mehr
ab, aber das Sicherheitsgefühl der Bürger sei von "nüchternen Zahlen"
unabhängig, weswegen mehr Überwachung erforderlich sei. Twister (Bettina
Winsemann) von STOP1984 erklärt dazu: "Frau Merkel geht es nicht mehr um
Maßnahmen, die die Sicherheit erhöhen sondern darum, das subjektive
Sicherheitempfinden zu steigern, also um Placebomaßnahmen. Bedenkt man,
dass die Angst der Bevölkerung immer wieder durch die Betonung der
Gefährdungssituation geschürt wird, so bleibt nur eine Schlussfolgerung:
Egal wie viele Überwachungsmaßnahmen getroffen werden, egal wie sinnlos
sie sind - es werden nie genug sein. Diese Entwicklung werden wir nicht
hinnehmen!"

Bürgerrechtsverbände und die gesamte Opposition haben bereits scharf
gegen die geplante Pauschalverdächtigung der gesamten Bevölkerung durch
eine Vorratsdatenspeicherung protestiert. Auch in der SPD regt sich
Widerstand, seit der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages im Sommer
die Verfassungsmäßigkeit der Pläne in Frage stellte.

Der Appell an die Bundeskanzlerin wird von den folgenden Organisationen
unterstützt:

- Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung
- Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD) e.V.
- FoeBuD e.V., Bielefeld
- Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche
Verantwortung (FIfF) e.V.
- Foundation for a Free Information Infrastructure (FFII) e.V.
- Netzwerk Neue Medien e.V.
- STOP1984
- Virtueller Ortsverein der SPD (VOV)


Die Videobotschaft an Merkel und weitere Informationen im Internet:
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung ist ein bundesweiter
Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internet-Nutzern,
der die Arbeit gegen die geplante Vollprotokollierung der
Telekommunikation koordiniert. http://www.vorratsdatenspeicherung.de/