[rohrpost] NGBK 17.7.: Medien und Kultur erziehen zu Staatsbürgern

Christine Kriegerowski ck at duckwoman.de
Fre Jul 13 12:28:18 CEST 2007


Demokratie 2 ... in der neuen Gesellschaft

Mehmet Mihri Özdogan
Florian Wüst

Erziehung zum Staatsbürger durch Alliierte und Kemalisten
Kurzvorträge und Filmbeispiele

In Kooperation mit der Ausstellung „Katja Eydel – Model ve Sembol.
Die Erfindung der Türkei", 14. Juli–19. August, NGBK Berlin

Dienstag 17. Juli 2007, 20 Uhr
im Veranstaltungsraum der NGBK 1. OG

NGBK
Neue Gesellschaft für Bildende Kunst
Oranienstraße 25, 10999 Berlin
presse at ngbk.de
www.mitzeitung.de/veranstaltungen


Sowohl Alliierte im Nachkriegsdeutschland als auch Kemalisten während
der Modernisierung der Türkei strebten an, die jeweilige Bevölkerung zu
Staatsbürgern zu erziehen. Die Deutschen sollten zu Demokraten werden,
die Türken in den 20er Jahren zu Bürgern eines laizistisch orientierten
Nationalstaats nach westlichem Vorbild. Die unterschiedlichen Prämissen,
Methoden der Umerziehung und die Probleme stellen der Sozialpsychologe
und Soziologe Mehmet Mihri Özdogan und der Künstler und Filmkurator
Florian Wüst vor. Im anschließenden Gespräch liegt der Fokus auf
möglichen Parallelen.

Die Darstellung der Idee der Nation in konkreten präsentativen Symbolen,
die an allgemein öffentlichen Orten präsent sind (wie architektonische
Elemente) und zudem bis in die kleinsten Alltäglichkeiten des Lebens
eindringen (wie Musik), macht sie zu einem generellen wie entscheidenden
Sozialisationsfaktor. In der neu gegründeten türkischen Republik nutzte
die nationalistische Elite zur Modernisierung der Gesellschaft solche
Symbole. Anhand einer sozialpsychologischen Analyse der sogenannten
kemalistischen Kulturevolution in der Türkei der dreißiger Jahre
diskutiert Mehmet Mihri Özdogan wie die Konstituierung der
Nationalkultur als Symbolsystem zur entscheidenden Grundlage der
Verbindung zwischen dem Einzelnen und dem nationalen Kollektiv wird.

Mit dem European Recovery Program (ERP), dem sogenannten Marshallplan,
unternahm die amerikanische Regierung nach Ende des 2. Weltkriegs den
Wiederaufbau derjenigen europäischen Länder, die nicht unter direktem
Einfluss der Sowjetunion standen. Vor allem in Westdeutschland wurde die
ökonomische Initiative der Amerikaner von einer beispiellosen
Informationskampagne begleitet, in der Filme eine entscheidende Rolle
spielten. Eine Aufgabe der bis 1952 von den westlichen Alliierten
produzierten Lehr- und Dokumentarfilme propagierten war die Umerziehung
der Menschen hin zu einer demokratischen Grundeinstellung. Anhand von
Filmbeispielen und -ausschnitten diskutiert Florian Wüst die
ästhetischen Strategien dieses Re-Orientation Programms.

Der Schwerpunkt der mittlerweile ins vierte Jahr gehenden
Veranstaltungsreihe liegt in diesem Jahr auf Kunst und Demokratie in
Hinblick auf ihre Bedingungen, Umsetzungen, Alternativen und Umbauten.
Ende des Jahres erscheint die Publikation Demokratie … in der neuen
Gesellschaft mit Beiträgen der Vortragenden, Auszügen aus den sich
anschließenden Diskussionen und zusätzlichen Text- und Bildbeiträgen.

Referenten:

Florian Wüst
Die Auseinandersetzung mit den Werten der westlich-demokratischen Welt
bildet den Kern der Arbeit des Medienkünstlers Florian Wüst. Seine
filmischen und installativen Projekte haben ihren Ausgangspunkt in
brisanten Momenten aus Politik und Gesellschaft der letzten 50 Jahre. Er
lebt in Berlin.

Mehmet Mihri Özdogan,
1970 in der Türkei geboren, lebt seit 1991 in Deutschland. Er ist
Sozialpsychologe und Soziologe und hat an der Universität Hannover über
Nationalismus in der Türkei promoviert. Seine Dissertation: Nation und
Symbol. Der Prozess der Nationalisierung am Beispiel der Türkei,
erscheint im Herbst 2007.