[rohrpost] Die imaginäre Zukunft: Rezension

Armin Medosch armin at easynet.co.uk
Son Okt 21 16:22:39 CEST 2007


Die imaginäre Zukunft oder: wie Versionen der Zukunft aus der
Vergangenheit die Gegenwart bestimmen. 

Eine Rezension des Buches “Imaginary Futures” von Richard Barbrook.

von Armin Medosch


Als sich die USA in der Ära des Kalten Krieges auf eine Spirale des
Wettrüstens mit der Sowjetunion einließen, tobte zugleich auch ein
ideologischer Kampf. Die Führungsschichten beider Seiten versuchten,
indem sie den Anspruch auf die Zukunft erhoben, auch die Gegenwart zu
dominieren. Die Sowjetunion hatte dabei den Vorteil, das von einer
Befreiungs-Utopie geprägte Geschichtsbild des Marxismus auf ihrer Seite
zu haben. Und in den frühen 1960er Jahren übte diese Zukunftsvorstellung
eine große Anziehungskraft aus – sowohl auf die sich gerade aus der
Kolonialherrschaft befreienden armen Nationen Asiens und Afrikas, als
auch auf die Jugend des Westens. Mit dem “Sputnik-Schock” und der in den
Weltraum fliegende Hündin Laika sah es auch für kurze Zeit so aus, als
habe die Sowjetunion in Schlüsseltechnologien die Nase vorne. Mit der
Gründung der ARPA unternahm die USA eine gewaltige Anstrengung, den
eingebildeten oder realen technischen Vorsprung der UdSSR auf- und zu
überholen. Zugleich konstruierten Ex-Marxisten in den USA eine
nicht-marxistische Ideologie des aufgeklärten Konsumerismus und erhoben
damit den Anspruch, nicht nur wirtschaftlich und militärisch, sondern
auch intellektuell jene Macht zu sein, der die Zukunft gehörte. 

In der Entwicklung dieser Theorien stützten sie sich auf die Ideen von
Marshall McLuhan über die weltverändernde Macht der elektronischen
Medien. Das dabei entwickelte Leitmotiv der computertechnisch vernetzten
Informationsgesellschaft hat seither unsere Vorstellungen von der
Zukunft dominiert und fährt, nach dem Ende der Sowjetunion, fort, die
einzige 'Vision' einer Zukunft zu sein, die wir im Westen haben. 


“Wir sind Gefangene einer Zukunftsvorstellung, die bereits Mitte der
1960er Jahre auf der Höhe des Kalten Kriegs entwickelt wurde und deshalb
seien wir nicht in der Lage eigene, alternative Zukunftsvorstellungen zu
entwickeln”, so etwa lautet zusammengefasst die Grundthese des Buches
“Imaginary Futures” von Dr. Richard Barbrook, bohemianhafter
Internet-Intellektueller und Lektor an der Westminster University,
London. Erschienen im Pluto Verlag am Beginn dieses Sommers, ist
“Imaginary Futures” eine dringend benötigte Abrechnung mit dem
ideologischen Gehalt der Informationsgesellschaft. Kaum jemand ist
besser dazu in der Lage als Barbrook. 



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