[rohrpost] 2010 - Das Jahr, in dem wir die Krise bekommen

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Sam Mar 14 17:55:46 CET 2009


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2010 - Das Jahr, in dem wir die Krise bekommen


Der Titel ist phrasenhaft, aber die Eckdaten sind passend: 1967, zur 
Zeit der schon doch ja grossen Krise des Kapitals in der BRD wurde 
"2001 - Odyssee im Weltraum" gedreht, 1999 war das Jahr, in dem der 
Boom der IT-Branche (damals "Neue Oekonomie" genannt und von der 
Lovink-Schule im Umfeld des "Toywars" als "Tulipomania" gegeiszelt) 
von 1995 bis 2000 den meisten suspekt wurde, jedenfalls genaehrt von 
apokalyptischen Jahrtausendwende-Fantasien, 2001 wurde angeblich die 
Welt am Ort der damals noch erfolgreichsten/erhitztesten Boerse (New 
York) im September neu geordnet, 2010 sollte die europaeische Agenda 
zum Abschluss gekommen sein und die EU das staerkste Land der Welt.

Interessant ist, dass die Ost-West-Teilung der Welt, 1984, im Jahr des 
ersten Wuerfels "Macintosh", noch ganz klar einer Friedensbotschaft 
bedurfte, waehrend also die atomare Bedrohung gross war und Apple 
wenigstens im Video gegen den Ueberwachungsstaat von Microsoft stand. 
Allerdings sah Arthur C. Clarke's Buch diese nicht vor, und die 
Konkurrenz der Nationen ist noch laut dem Text auf der Videohuelle 
von "2010 - Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen" von damals eine 
zwischen China und der Kooperation (!) der UdSSR mit den USA. Und 
auch Hans-Werner Sinn vom deutschen Ifo Institut fuer 
Wirtschaftsforschung weisz: "Wir werden fruehestens im Winter 2010 da 
sein, wo die USA im letzten Herbst waren [...]." Das bedeutet, dass 
das amerikanische Raumschiff noch etwas schneller ist, als unseres.

Und wirklich, wo "2001" alles versagte, nicht sagte, aber verbilderte, 
also anders sagte (?) und mystisch, religioes die rationalen Codes 
austrieb, oder das Versagen des Rationalen, repraesentiert von HAL, 
zumindest auf rationalistische Double-binds zurueckfuehrte (HAL 
konnte berechnend seinen Befehlen nicht zugleich gehorchen und nicht 
gehorchen und zerstoerte dann eine Variable durch Toeten), da wo die 
Krise der Kommunikation und des Sprechens im reellen Jahr nach dem 
Zusammenbruch des New Economy ins Jenseits der siegreichen Konsumwelt 
fuehrte, naemlich zu den Sternen, klaert "2010" plappernd in den 
Requisiten von 1967, also im Jahr, in dem die EU die Krise oder die 
Krise die EU erreicht hat, gnadenlos auf.

Wenn man nun die im Buergertum herrschende Angst vor der Apokalypse, 
wie Linke auf den Bahamas vielleicht formulieren wuerden, nimmt, und 
auf der Suche nach den sich selbst deutenden Zeichen, des immer in 
der Krise befindlichen Kapitalismus sucht, und alles fein vermengt, 
haben wir in "2010" dem Film und 2010 dem Jahr etwas vorliegen, was 
die Remix-Kopie von 2001 dem Jahr, dem angeblichen Beginn des 
ersten (?) Krieges im 21. Jahrhundert und "2001" dem Film sein 
koennte. Gibt es selbstentlarvende Artefakte? Ich erinnere mich an 
den Film "Creature" (ebenfalls 1984) mit Klaus Kinski, einem 
"Alien"-Verschnitt, in dem relativ coole Raumanzuege aus "2001" 
getragen werden, "Nazi"-Kinski aber einen proportional viel zu 
grossen Helm traegt und das Budget fuer einen naturalistischen 
Ausserirdischen=Kapitalisten nicht mehr gereicht hat. Im Film 
("2010"), wo alle Antworten im Computer liegen und der lustige Held 
sie nur noch aus ihm herausholen muss, der Computer der Tempel und 
die Maschine des Rationalen der Mission Aufklaerung, den keine Schuld 
trifft und der nach 2001 (Film und Realitaet) endlich rehabilitiert 
wird, kann ja schlieszlich doch immer und zugleich nie das 
eintreffen, was mit der CeBIT und dem neuen Breitband 2008 den Massen 
versprochen wurde, 2 Mio. Arbeitsplaetze und jedem ein DSL 1000 
(max. Download: 1024 kbit/s, max. Upload: 128 kbit/s). Das Versagen 
ist das Versprechen. Die Botschaft kommt von oben, sie lautet 
Klassenbruderschaft -- in "2010" retten sich die sowjetischen 
Kosmonauten mit den US-amerikanischen Astronauten vor dem schwarzen 
Loch, welches der Galaxis eine neue zweite Sonne gebiert. Wo Kubrick 
Naturwissenschaft an kosmische Grenzen bringt und Wissen mit 
dem grossen Unerklaerlichen konfrontiert, Wissen also 
unueberschreitbare Grenzen hat (Physik endet wo Gott anfaengt), 
da wird der rehablitierte Rechner in knapp zwei Jahren die 
unhinterschreitbare filmische Grenze des jetzigen Wissens sein 
medialisiert-organisiert in einer Maschine, die im Gegensatz zum 
Film aber nicht geopfert werden kann, um den Tod nah zu erfahren. 
Die Konkurrenz der Nationen wurde dargestellt als verrueckte 
Bedrohung (verrueckter Computer, verrueckte Russen) mit der 
Heilsbotschaft einer geeinten Menschheit. 2010 - Das Jahr, in dem 
uns die Krise bekommen, wird das eher banal korrigieren, ohne 
"Lux Aeterna" (Ewiges Licht), sprich ohne Gott. Der Tod Gottes und 
der Uebermensch sind dann Thema des Links-Nietzscheanischen Seminars.

Ali Emas

"2010 - Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen"
Tele 5
Sa., 14.03.2009
20:15 Uhr

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