[rohrpost] Call for Papers Medienwissenschaftliches Symposium der DFG

Rymarowicz rymarow at uni-potsdam.de
Die Mar 17 09:19:56 CET 2009


Call for Papers

Medienwissenschaftliches Symposium der DFG 

Zeit: 21.-24. September 2009 
Ort: ‚Kutschstall im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte’
14467 Potsdam, Schlossstrasse 12

Thema: Das Programm der Medien

Zum ersten Mal wird 2009 ein ‚Medienwissenschaftliches Symposium’ der DFG
stattfinden. Es wird das erste einer Reihe von Symposien sein, die danach
alle 2 Jahre unter verschiedenen Themen von der DFG veranstaltet werden
sollen. Ihre Aufgabe wird es sein, die Entwicklung der Medienwissenschaft in
Deutschland und ihres geistes- und kulturwissenschaftlichen
Selbstverständnisses durch die Diskussion zentraler, gemeinsam
interessierender Themen voranzubringen. 

Die Teilnahme am Symposium setzt voraus:
- die Zusendung des Titels eines Beitrags im Rahmen einer der 4 Sektionen
bitte möglichst bis zum 31. März 2009 und eines Abstracts (ca. 1 Seite) bis
Ende April,
- die schriftliche Vorlage des Beitrags (nicht mehr als 30 Seiten) bis zum
30. Juni 2009 
- die Bereitschaft, ein kurzes Korreferat zu einem der jew. anderen
vorgelegten Beiträge zu übernehmen
- die Bereitschaft, während der gesamten Zeit des Symposiums an den
Diskussionen teilzunehmen

Rückfragen: 
Prof. Dr. Joachim Paech (Jopaech at aol.com)

Postadresse: 
Prof. Dr. Dieter Mersch
Universität Potsdam
Institut für Künste und Medien
Am Neuen Palais 10
14469 Potsdam
Tel: 0331 977 4160
mailto: dmersch at uni-potsdam.de


Das erste ‚Medienwissenschaftliche Symposium’ wird sich dem Thema Das
Programm der Medien widmen. Indem der Programm-Begriff ins Zentrum gerückt
wird, ergeben sich verschiedene Möglichkeiten einer Annäherung an den
Medien-Begriff: So kann Programm traditionell als diskursive Verlautbarung
oder Struktur und Anordnung medialer Formen in den handwerklichen Künsten
ebenso wie in den technischen Massenmedien verstanden werden. Die
Programmierung ordnet mediale Verfahren zwischen symbolischen und
technischen Registern an. Programmierbar scheint inzwischen alles zu sein,
was zwischen Medium und Form als Programm (auch des Lebens?) artikuliert und
(re-)organisiert werden kann. Programme organisieren und artikulieren Macht,
was auch bedeutet, ihre Wirkungsdimensionen genderkritisch reflektieren zu
müssen. 

In diesem Sinne kann der Programm-Begriff programmatisch für eine
Medienwissenschaft werden, die sich auch künftig immer wieder neu erfinden
und im Milieu der Wissenschaften ebenso wie in ihren Beziehungen zu den
Künsten und alten und neuen Medien wird behaupten müssen.

Die große Vielfalt der Beziehungen zwischen Programm und Medium wurde für
das Symposium in vier Sektionen gebündelt, die innerhalb von zwei Tagen
nacheinander ihre Schwerpunkte behandeln. Dieses Tagesprogramm soll durch
ein Abendprogramm (moderierte künstlerische Performance, verantwortlich:
Mersch, Ungeheuer)  und eine musikbezogene Begleitausstellung
(Konzertprogramme, Programmmusik, programmatische Manifeste,
Programmierschriften, verantwortlich: Ungeheuer) ergänzt werden, die jeweils
auf unmittelbar sinnliche Weise zum Programm-Begriff Stellung nehmen.

Sektion 1: Programme (verantwortlich Joachim Paech, Konstanz)

In der 1. Sektion sollen Programme in ihrer medialen Form und Bedeutung für
die diskursive, textuelle etc. Ankündigung von religiösen, politischen,
künstlerischen, massenmedialen etc. Ereignissen und deren Anordnung in
zeitlichen Abläufen im Mittelpunkt stehen. Chiliastische Erwartungen und
politische Versprechungen sind immer wieder in Programmen formuliert worden.
Über Programme werden Machtansprüche formuliert. Mechanisch programmierte
Produktionsabläufe haben das Modell auch für die Programme der Vermarktung
ihrer Produkte (z.B. in Waren-Katalogen) abgegeben. Künstlerische Formen
sind in Programmen ihrer Autoren identifizierbar, in Museen und in Katalogen
angeordnet; das Transitorische ihrer Ereignishaftigkeit macht die
Erreichbarkeit musikalischer, theatraler oder kinematographischer
Aufführungen von ihrer Anordnung in Programmen geradezu abhängig. Das gilt
auch für die Elemente massenmedialer Angebote, die ohne ihre Ordnung in
Gattungen, Genres und Formaten und ihre Anordnung in Programmen ihrer
Medien-Institutionen in der Form gar nicht möglich wären. Massenmedien wie
Radio oder Fernsehen sind in erster Linie ihre Programme, die als zeitliche
Sequenzen in speziellen Programm-Medien (Zeitschriften, online-Programmen
etc.) räumlich übersichtlich erscheinen. Ihre Aufgabe (das bei
Programmänderungen oder –ausfällen nicht immer eingelöste Versprechen) ist,
dass die Unwahrscheinlichkeit, eine bestimmte Sendung (oder Ereignis) zu
finden oder überhaupt zu identifizieren, wahrscheinlich wird und deren
Rezeption an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt gelingt.
Programme sind so gesehen Transformationen oder (nach Luhmann) ‚Medien’ mit
der Besonderheit ihrer operativen Verwendung in medialen Prozessen.
Programmgeschichte wird im Wesentlichen institutionell geschrieben (Kirche,
Parteien, Staat, Firmen, Künstlergruppen etc.): Wie organisieren Programme
soziokulturelle Prozesse, aus denen heraus sie wiederum formuliert werden?
Wie ordnen Programme (religiöse, politische, künstlerische, massenmediale)
Ereignisse an, die in ihrem Programm überhaupt erst als Ereignis
strukturiert werden? Wie haben sich Programme in bestimmten (künstlerischen
oder Massenmedien) charakteristisch entwickelt? Ist das Programm der Moderne
ein Medien-Programm und programmiert es unterschiedliche Gender-Aspekte?
Systematisch zielt die Sektion auf Untersuchungen zum Verhältnis Programm /
Medium über die Frage zum Beispiel, wie Medien die Formen, in denen sie
erscheinen, zwischen Medium und Form (à la Luhmann durch die festere
Koppelung ihrer Elemente – aber wie?) ‚programmieren’?

Sektion 2: Was ist Programmieren? (verantwortlich Hartmut Winkler,
Paderborn)

Fasst man Programmieren als Tätigkeit, denkt man zunächst an den Computer.
Menschen sagen Computern, was sie tun sollen; das Programmieren geht der
maschinellen Ausführung notwendig voran. Aber sind es in jedem Fall
Menschen, die die Programme schreiben? Am Programmieren sind immer schon
Programme beteiligt. Programme selbst führen Handlungen aus und eine
bestimmte Sorte Programme nennt man Software-‚Agenten’. Wenn Programme also
symbolische Konstrukte sind, sind diese in besonderem Maße ‚performativ’?
Und ähnlich im Fall der technologischen Basis, der Hardware. Latour hat am
Beispiel des ‚Berliner Schlüssels’ beschrieben, dass materielle Objekte
ganze Handlungssequenzen enthalten. Kann man Technologien also als eine Form
der Programmierung verstehen? Schreiben Objekte bestimmte Nutzungsformen
fest? Dann wären es letztlich die Nutzer, die ‚programmiert’ werden. Oder
greift dies zu kurz, insofern Technik immer Folgen hat, die gerade nicht
intendiert waren. Zumindest scheint es Programme zu geben, die mehr oder
minder resultatoffen sind. In welchem Verhältnis stehen Programmieren,
faktische Folgen und Intention? 
Allgemeiner kann man nach dem Handlungsmodell und der Handlungsfähigkeit
‚Agency’ fragen. Ist, wer programmiert, in einer machtvollen Position? Es
fällt auf, dass Computerprogramme in Imperativen formuliert werden. Programm
und ‚Ausführung’ sind strikt getrennt, die Kybernetik trägt den Anspruch auf
‚Steuerung’ schon im Namen. Kehrt hier die Logik von Herr und Knecht, von
Kopf- und Handarbeit wieder? Gleichzeitig erscheint die Handlungsmacht
zwischen Menschen und Technik verteilt. 
Wenn man den Blick auf die anderen Medien erweitert: Sind Programme auch
dort zwangsläufig mit bestimmten Rollen verknüpft? Gibt es Gegenprogramme,
die die in Programmen abgelagerte Macht konterkarieren?
Und schließlich scheint Programmieren nicht in jedem Fall an Bewusstsein und
Planung gebunden. Gibt es Formen der ‚Programmierung’ z. B. auch im
Unbewussten? In Konvention und Gewohnheit? In den Festlegungen des
Instinkts? In der Natur? Wenn dies der Fall ist, wäre zu fragen, im welchem
Sinne. Handelt es sich um eine Metapher, oder um mehr? Beziehen sich die
semiotisch-technischen Verfahren des Programmierens auf diese unbewussten
Register zurück? 

Sektion 3: Was ist programmierbar ? (verantwortlich Lorenz Engell, Weimar)

„Nur antizipierbare Welten sind programmierbar, nur programmierbare sind
konstruierbar und human bewohnbar.“ (Max Bense, 1969)
Max Benses entschlossenes Statement würde in dieser Form heute gewiss nicht
mehr vertreten werden können und ruft zumindest Fragen auf. Trotz der Rede
vom „Programm des Lebens“ würde gegen die Identifikation ausgerechnet des
Humanen mit dem Programmierbaren vermutlich Einspruch eingelegt. Aber auch
die Gleichsetzung des Programmierbaren mit dem Antizipierbaren ist nicht
mehr auf dem Stand der Dinge, wenn längst auch der Zufall, Inbegriff des
Unvorhersehbaren, von Programmen erzeugt werden und nur im Rahmen
strukturierter Notwendigkeit vorkommen kann. Und schließlich kann auch nicht
übersehen werden, dass Konstruieren und Programmieren zwei durchaus
verschiedene welterzeugende Tätigkeiten sein können, die sich unterscheiden
mögen wie die List vom Wissen und die einander wohl eher durchkreuzen,
allenfalls ergänzen. Sinn macht Benses Äußerung jedoch durchaus als –
polemisches – Dokument. Es belegt, daß das Programmieren einmal ein
heroischer Abwehrgestus gegen eine wilde, unvorhersehbare, unverfügbare und
menschenfeindliche Welt sein konnte, die es zurückzudrängen galt wie, so
Bense im selben Atemzug, das Metaphorische zugunsten des Mathematischen, das
Problematische zugunsten des Systematischen.
Was ist aber aus dieser wilden Welt und dieser Abwehrgeste in den letzten
vierzig (und mehr) Jahren geworden? Die Grenzen der Programmierbarkeit sind
nicht mehr so einfach auszumachen. Längst ist z.B. Systematische, die
bewohnbare Welt, das Programm der Intelligenz selbst das Problem; wird die
Metapher ihrerseits mathematisch erzeugt. Unvorhersehbarkeit und
Unmenschlichkeit haben sich ihrerseits als programmierbar erwiesen, und die
Experimente programmierter Kreativität schaffen es genau so in die Museen
und Galerien wie andererseits die trotzige Behauptung eines Eigensinns der
Materiellen. Auch Wirtschaft und Politik, Lust und Liebe werden wider
besseres Wissen mitten im Bewohnbaren sorgsam als Restsphären nicht
durchgängig programmierter Emergenz ausgewiesen und adressiert, gehegt und
gepflegt.  Das Spiel ist zum Inbegriff des Programms geworden. Was ist dann
der spezifische Status, technologisch, ontologisch, ästhetisch gesehen, des
Programmierbaren, und im Gegensatz oder wenigstens im Spannungsverhältnis
wozu entfaltet es sich? 
Oder aber kann das Programmierbare gar nicht mehr an seinen Außengrenzen
sistiert werden? Dann wäre die Welt des Programmierbaren nur über ihre
Binnengliederungen zu begreifen, über das Nebeneinander und Gegeneinander
verschiedener und widerstreitender Programme, und deren Interaktion und
wechselseitige Produktion käme als immanente Außenseite des Programmierbaren
mitten in der Programmwelt in Frage. Was für eine Welt wäre das? Das
Programmieren können wir aber auch als – im Doppelsinne – das Anordnen zu
begreifen versuchen. Eigentlich geht es dann sogar um das Anordnen von
Anordnungen, die zu befolgen sind, die Folgen zeitigen und also lineare,
allenfalls rückgekoppelte Zeit generieren. Temporalisierbarkeit wäre dann
ein weiterer möglicher Grundzug des Programmierbaren, und seine Grenze fände
es in allem Zeitresistenten, in Augenblick und Ewigkeit. Das Programm wäre
dann im Spannungsverhältnis zum Projekt zu lesen. Auch Anordnungen im Raum
wären dann zwar möglicherweise als Programme anzusehen, etwa des Verhaltens
und der Bewegung, aber dennoch zugleich als Komplement zum Programmierbaren
wirksam. 
Aber auch das Umgekehrte ist denkbar: Nur Programme sind programmierbar.
Nur, was schon vor dem Programmieren die Form des (Vor-)Programms hat,
lässt sich programmieren. Wenn nämlich Programme als Formen, d.h. als
Kopplungen von Ereignissen fungieren, dann bedürfen sie der Medien, in denen
sie diese Kopplungen vornehmen. Medien jedoch haben die Ereignisse immer
schon vorsortiert, haben ihnen schon immer – locker -  programmförmige
Anordnung verliehen. Medien und Programme wären dann zwar voneinander und
relativ zueinander unterscheidbar, aber zugleich nahtlos ineinander
konvertierbar. Die gleichsam vorbereitende Herstellung von
Programmierbarkeit wäre dann die Funktion der Medien. Das Programmierbare
wäre das Mediale schlechthin.  

Sektion 4: The Research Program of Media Studies [Medienwissenschaft]
(verantwortlich  John Durham Peters (Department of Communication Studies),
University of Iowa, USA)

Media Studies has a long past but a short history, as Ebbinghaus supposedly
once said of psychology.  Precipitously coming together in the late
twentieth century, the academic field of media studies has been fiercely
interdisciplinary in its ambitions and voracious in its interdisciplinary
borrowings.  For some of its practitioners, media studies is not just one
among many competing fields: it is a new meta-field that promises to engulf
and govern several older fields by bringing together the natural and the
social sciences, the humanities and the fine arts, mathematics and
philosophy.  On some campuses around the world, departments of media studies
recreate the intellectual and disciplinary diversity once found across
several faculties.  If media are indeed fundamental to political and
cognitive order, then media studies endorses a vision of history, culture,
and society that promises to rewrite our understanding of the past, present,
and future.  
The last thing to be secured in a science is its foundation, quipped Alfred
North Whitehead, and media studies has reached a point in which it needs to
shore up and secure its intellectual resources and disciplinary identity.
This section proposes to make a critical inventory of the traditions and
opportunities as well as pitfalls found in the new blossoming of media
studies.  To what extent is there a canon of media studies?  What are its
central methods and questions?  What is the legitimacy of the practice of
rereading older authors and texts, retroactively baptizing them as media
scholars?  To what degree are different traditions of scholarship ripe for
interdisciplinary dialogue with media studies?  To what degree can media
studies in the German language exist apart from its strong philological
method and philosophical inheritance?  To what degree may we incorporate
diverse intellectual traditions into the ambit of media studies—such as
German idealism, psychoanalysis, American pragmatism, the Frankfurter
Schule, Canadian political economy, art history, the sociology of media and
Publizistik, Foucaultian archaeology, feminist and critical race analysis,
etc.?  To what degree is the intellectual heritage of media studies a
wish-list or fantasy of noble ancestors?  What principles can help produce a
useable past for media studies that is equal to the ambition and
intellectual excitement of the field?  
Some specific areas for consideration:
Classics: orality and literacy, the Homer problem, 
Comparative religion: ritual practice as cosmological media
History: the record and its transmission as a media problem
Literature: the seedbed of modern media studies
Law: inscription, filing, and documentation practices
Mathematics: paper-machines as the context of mathematical production
Medicine: the body as fundamental datum of media studies
Music: performance, notation, and reproduction
Theology: “media salutis”