[rohrpost] CfP: Tagung "Kulturgeschichte der Sonifikation", 3.-4. Dezember 2010, Bern

Axel Volmar volmarax at culture.hu-berlin.de
Don Aug 12 17:17:01 CEST 2010


Call for Papers:

Tagung: "Kulturgeschichte der Sonifikation"

Termin: 				3.-4. Dezember 2010
Ort: 					Hochschule der Künste Bern
					Forschungsschwerpunkt Intermedialität
					Fellerstrasse 11, CH-3027 Bern
Veranstalter: 		Dr. Andi Schoon (Hochschule der Künste Bern), Axel Volmar (Universität Siegen)
Einsendeschluss: 	30. September 2010


Mit dem Begriff Sonifikation werden Verfahren zur Verklanglichung von Daten bezeichnet. Dieses akustische Pendant zur Visualisierung entwickelt sich in den Naturwissenschaften, aber auch in den Künsten, seit fast zwei Jahrzehnten rasant. Weltweit beschäftigen sich zahlreiche transdisziplinäre Forschergruppen mit der Sonifikation. Dabei ist ein zunehmendes Bedürfnis entstanden, Fragen nach der Wissenschaftstheorie, der Ästhetik, dem Vokabular und den Methoden der Sonifikation zu behandeln und ihre historischen Entwicklungslinien aufzuzeigen.

Zeitgenössische Sonifikationsverfahren sind aus kulturgeschichtlicher Perspektive wesentlich durch zwei Aspekte gekennzeichnet, die bisher selten zusammengedacht wurden: Zum einen meint Sonifikation die Transformation von Unhörbarem in hörbare Phänomene durch den Einsatz akustischer Medientechnologie, denn die Speicherung, Reproduktion und Übertragung von Schall zählen zu ihren Voraussetzungen. Zum anderen dient sie als Mittel zur Erkenntnisgewinnung durch konkrete Praktiken des Hin-, Aus- und Abhörens, bei denen das „geschulte Ohr“ (in Anlehnung an Daston/Galison 2007) eine zentrale Rolle einnimmt.

Neben der Wissenschaftshistorie sind für eine Kulturgeschichte der Sonifikation auch Beispiele aus den Bereichen der Nachrichtentechnik, insbesondere in Bezug auf Navigations- und Abhörmethoden, sowie den Wirtschafts- und Ingenieurswissenschaften relevant, auf deren Betreiben hin sich akustische Prüfverfahren und Prozessüberwachungssysteme in Fabriken oder Hochsicherheitsumgebungen etabliert haben. 

Auch in Musik und Kunst finden sich zahlreiche Beispiele für Sonifikationen bzw. die Transformation von Bildern in Klang (wie z.B. bei László Moholy-Nagy, Oskar Fischinger oder Norman McLaren). Komposition auf Datengrundlage spielt in der gesamten Musikgeschichte eine Rolle, ohne dass sie jedoch als Sonifikation bezeichnet worden wäre. Zahlreiche Werke, die in ihrer Zeit unter Stichwörtern wie Transformation, Analogie, numerisches Spiel oder algorithmische Komposition firmierten, lassen sich im Rückblick als „Datenmusik“ qualifizieren. Wie aber ist angesichts dessen der tatsächliche Stellenwert von Sonifikationstechniken zu bemessen? Wirft die „Verklanglichung von Daten“ ein neues oder anderes Licht auf die Musik- und Kompositionsgeschichte? Welche Beispiele stechen hier besonders hervor?

Naheliegende Bezüge zur Sonifikation weist das Gebiet der Klangkunst auf. In der Absicht, die Rezipienten für ihre akustische Umwelt zu sensibilisieren, beschäftigen sich zahlreiche KünstlerInnen mit der klanglichen Repräsentation von Daten und deren Phänomenen: Licht verwandelt sich in Schall, Klänge verlagern sich aus ihrer gewohnten in eine andere Umgebung oder generieren sich aus Luftfeuchtigkeits- oder Temperaturdaten. Stehen diese Arbeiten und deren Klänge „für sich“ oder weisen sie über sich hinaus auf die Bereiche des Ursprungsmaterials? Dienen solche Übersetzungsprozesse vor allem der Erschließung neuen Klangmaterials oder schreibt sich auf diese Weise ein Wissen in die Klänge ein, das zuvor als unzugänglich erschienen war? Inwieweit und unter welchen Umständen lässt sich Klangkunst überhaupt als auditive Repräsentation (auditory display) verstehen?

Was bedeutet schließlich die wissenschaftliche bzw. künstlerische Arbeit mit Datenklängen in Anbetracht der Tatsache, dass in den vergangenen Jahren (etwa im Filmsound- und Produktdesign) erhebliche Anstrengungen unternommen worden sind, Strategien zur unbewussten Steuerung von Hörern durch gestaltete Klänge zu formulieren, die zumeist auf die Erzeugung kalkulierter Reaktionen, Assoziationen und Lesarten zielen? Dort, wo die Methoden der Sonifikation an die Grenze zum Sounddesign geraten, stellt sich uns das gegebene Thema als weiter gedachte Frage nach einer „Ästhetik der Verklanglichung“.

Das Ziel der geplanten Tagung besteht in einer breit gefächerten Aufarbeitung der Geschichte von Sonifikationsverfahren in den dargestellten Untersuchungsfeldern, die sich zwischen Wissenschaft, gesellschaftlicher Praxis und Kunst bewegen. Dabei sollen charakteristische Merkmale und Möglichkeitsbedingungen der Sonifikation herausgearbeitet werden. Beiträge aus Kultur-, Medien-, Musik-, Literatur- und Kunstwissenschaft sind dazu ebenso willkommen wie solche aus Wissenschafts- und Wirtschaftsgeschichte sowie aus der künstlerischen Forschung. 

Die Vorträge sollten eine Dauer von 25 Minuten nicht überschreiten. Die Tagungssprache ist Deutsch. Ausgewählte Beiträge werden in der Buchreihe „Sound Studies“ des transcript Verlags publiziert. 


Themenvorschläge (ca. 2.000 Zeichen) bitte bis zum 30.09.2010 per E-Mail an: 
andi.schoon[at]hkb.bfh.ch und volmar[at]medienwissenschaft.uni-siegen.de