[rohrpost] Wikileaks-Diskussion: Rückschau und Dokumentation

Martin Wassermair wassermair at t0.or.at
Mon Mar 7 11:13:57 CET 2011


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-- MEDIENINFORMATION

-- World-Information Institute
-- Institut für Neue Kulturtechnologien/t0


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-- Wikileaks: Kommt die Demokratisierung der Information?

-- Rückschau auf eine angeregte Diskussion zu Transparenz und
-- Manipulation von Information und Medien

-- http://world-information.org/wii


Kommt die Demokratisierung der Information? Was können 
Whistleblower-Plattformen wie WikiLeaks dazu beitragen? Diesen Fragen 
stellte sich am 28. Februar 2011 das STANDARD Montagsgespräch in 
Zusammenarbeit mit dem World-Information Institute in Wien.

WikiLeaks könne als Präzedenzfall für eine Entwicklung gesehen werden, 
die in Zukunft eher die Regel als die Ausnahme im Kampf um 
Informationsfreiheit darstellen wird: Plattformen, die Rohdaten für alle 
zugänglich machen. Die einhellige Meinung der Expertinnen und Experten: 
Traditionellen Medien werde immer stärker misstraut; durch die allerorts 
konstatierbare hohe Medienkonzentration steige der Wunsch nach 
unabhängigem, investigativem Journalismus. Durch die Möglichkeit der 
Einsichtnahme in die Originaldaten werden nicht zuletzt auch die 
Interpretationen und Manipulationen der Medien transparenter und besser 
vergleichbar.

Daniel Domscheit-Berg (Ex-WikiLeaks Sprecher; OpenLeaks) versteht dies 
als einen der Vorteile von OpenLeaks gegenüber anderen 
Whistleblower-Seiten: statt selbst redaktionell aktiv zu werden, soll 
OpenLeaks nur eine technische Funktion übernehmen. Informantinnen und 
Informanten sollen in Zukunft selbst entscheiden können, an welche 
Institutionen sie mittels zuverlässig anonymisierter Briefkastentechnik 
ihre Dokumente im Netzwerk versenden wollen.

Genau hier verortet jedoch Peter Pilz, Nationalratsabgeordneter der 
Grünen, besonderes Problempotenzial: gerade in Fällen des 
Amtsmissbrauchs könnten sensible Dokumente auf diese Weise leicht in die 
falschen Hände geraten, da Staats- und Medieneliten oft in nicht 
einsehbarer Weise verbunden und verbrüdert sind. Außerdem vermisst Pilz 
eine spezielle Regelung für den öffentlichen Bereich, um die Mitarbeit 
von Beamten an der Aufdeckung eines Amtsmissbrauchs zu 
entkriminalisieren. Statt wie bisher anzunehmen, dass grundsätzlich alle 
Behördendaten dem Amtsgeheimnis unterliegen, sollten außerdem alle Daten 
öffentlich zugänglich gemacht und nur konkret definierte sicherheits- 
oder steuerpolitischen Themen davon ausgespart werden.

Eine öffentliche Diskussion zu Open-Data-Themen und einen konkreten 
Schritt zu einem "Freedom of Information Act" wünscht sich auch Konrad 
Becker, Direktor des World-Information Institute. Er kritisiert, dass 
Daten in Österreich derzeit noch immer auf Gutdünken der Behörden 
verwaltet werden, und fordert stattdessen zeitgemäße Standards für 
direkte Schnittstellen zu Regierungsdaten im Sinne von "Government 
APIs", damit die Möglichkeit der Interpretation auf viele verschiedene 
Interessensgruppen verteilt wird. Becker macht darüber hinaus darauf 
aufmerksam, dass Bürger und Bürgerinnen zunehmend transparenter würden 
für in gleichem Maße zunehmend intransparente Gruppen. Die Debatte rund 
um Freiheitsstandards im Netz müsse also zwangsläufig auch eine Frage 
der Kontrolle von Datenströmen sein, die gerade in der 
Sicherheitsindustrie von großem finanziellen Interesse sind.

Bei der Diskussion zu Open Data stünden jedoch nicht nur die 
Zugänglichkeit zu Rohdaten und deren redaktionelle Aufbereitung zur 
Debatte, sondern auch die kritische Auseinandersetzung mit den konkreten 
technischen Infrastrukturen, meinte Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos 
Computer Club Berlin. Selbst wenn WikiLeaks und Co. nicht ganz so leicht 
zu zensieren seien wie traditionelle Printmedien, wäre es doch wichtig, 
in Zukunft stark verteilte Netzwerke zu bilden. Darüber hinaus sollte 
man nicht nur dem investigativen Journalismus, sondern auch dem 
"investigative Computing" Impulse geben.
Auf Gesetzgebungsebene können auch Initiativen wie IMMI (Icelandic 
Modern Media Initiative) neue Anstöße geben. Doch selbst wenn 
Deutschland im Ländervergleich mit Österreich etwas besser abschneidet 
und dort ein Informationsfreiheitsgesetz bereits existiert, gibt Kurz 
sich wenig Illusionen hin: der Kampf um mehr Zugang zu Informationen ist 
letztlich da wie dort ein Kampf um die Macht – und die geben die 
Mächtigen nicht ohne weiteres ab.


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-- Video-Dokumentation

http://world-information.org/wii/wikileaks


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-- STANDARD Montagsgespräch

Im STANDARD Montagsgespräch werden auf regelmäßiger Basis aktuelle
innenpolitische Themen von einer Expertenrunde unter der Moderation von
Gerfried Sperl oder Alexandra Föderl-Schmid und unter Einbindung des
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Termine finden Sie unter: www.derstandard.at/events

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-- Rückfragehinweis:

World-Information Institute
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Tel: +43 (1) 522 18 34

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