[rohrpost] Fwd: ZfM Call: Medienästhetik

Andreas Broeckmann broeckmann at leuphana.de
Fre Mai 4 10:51:41 CEST 2012


-------- Original-Nachricht --------
Betreff: 	Call Medienästhetik
Datum: 	4 May 2012 10:29:58 +0200
Von: 	Erich Hörl <erich.hoerl at rub.de>

ich schicke Dir den link zu einem Call der Zeitschrift für
Medienwissenschaft - Mark Hansen und ich geben ein Heft zur
"Medienästhetik" heraus.
http://www.zfmedienwissenschaft.de/?TID=71


Call for Papers, ZfM Nr. 8 (1/2013): Schwerpunkt: Medienästhetik

»Das ästhetische Empfindungsvermögen«, so schrieb der späte Félix 
Guattari, scheint »gerade im Begriff zu sein, eine privilegierte 
Position im Herzen der kollektiven Aussagengefüge unserer Epoche 
einzunehmen.« Dabei sollte das »neue ästhetische Paradigma«, das er 
heraufziehen sah, keinen Primat der institutionalisierten Künste im 
sozialen Feld oder dergleichen bedeuten, sondern eine Art 
»proto-ästhetisches Paradigma«, das alle Wertuniversen und 
existenziellen Territorien durchquert, die Sphäre der Wissenschaften und 
des Ethisch-Politischen genauso wie die Modalitäten und Praktiken der 
Subjektivierung. Die allgemeine Ästhetisierung, die Guattari Ende der 
1980er Jahre bereits im Blick hatte, mag als eine der ersten 
Beschreibungen eines fundamentalen Umbruchs in der Geschichte von 
Technik und Sensoriellem gewertet werden, der in der zweiten Hälfte des 
20. Jahrhunderts, insbesondere aber seit den 1990er Jahren geschieht und 
der möglicherweise den Sinn des Ästhetischen als solchen verschiebt: 
Unter neueren medientechnologischen Bedingungen beobachten wir eine 
protoästhetische Zurichtung der Gegenwart. Damit ist zum einen eine 
fundamentale Priorisierung des Wahrnehmungsproblems und schließlich eine 
Primarisierung der vor aller Wahrnehmung und unterhalb aller 
Wahrnehmbarkeit liegenden Sensationen und Affekte gemeint, so dass 
Medienästhetik zu einem Grundproblem der Medienwissenschaft werden 
könnte. Die ästhetische Frage erweist sich etwa dabei auch mehr und mehr 
als eine technoökologische Frage vernetzter und sensorischer Umgebungen, 
in denen Empfindung geschieht.
Von Zeitobjektströmen, wie sie die industrialisierten und technisierten 
audiovisuellen Objekte auf Basis numerischer Übertragungsstandards 
ausbreiten, über das Entstehen sensorischer Milieus (z. B. RFID) bis hin 
zu den algorithmischen Umgebungen, den software agencies von 
allgegenwärtigen Medien, ubiquitous computing, ambient intelligence und 
calm technologies reichen die möglichen sensoriellen Tatsachen, die das 
neue ästhetische, genauer medienästhetische Regime charakterisieren. Wir 
erleben den Wandel des »technischen Unbewußten« (Nigel Thrift), im Zuge 
dessen sich vor allem auch die ästhetischen Bedingungen, die Weisen, wie 
die Welt erscheint, die allgemeinen Existenz- und Erfahrungshintergründe 
und damit auch der Sinn von Welt transformieren.
Das Schwerpunkheft der ZfM will die historisch-systematischen Konturen 
und auch die politischen Einsätze des neuen ästhetischen Paradigmas 
klären. Dafür gilt es, technisch-mediale Schlüsselszenen der 
sensoriellen Zäsur der Gegenwart zu fokussieren, die damit verbundenen 
konzeptionellen und begriffspolitischen Herausforderungen zu skizzieren, 
um damit einen Beitrag zur Neubeschreibung von Medienästhetik unter 
technologischen Bedingungen, insbesondere der neuen Ära sozialer und 
mobiler Medien und im Zeitalter von Netzwerken zu leisten.

Als zentrale Fragen sind zu benennen: Welche medienästhetischen 
Kernprobleme sind mit der technisch-medialen Transformation der 
Gegenwart verbunden und welche Perspektiven für eine Medienästhetik 
entstehen aus ihr? Was heißen Erfahrung, Wahrnehmung, Empfindung, 
Subjektivität unter neuen medienästhetischen Bedingungen? Konturiert 
sich möglicherweise überhaupt erst heute, auf dem Boden der neuen 
Empfindungstatsachen vernetzter digitaler Medienanordnungen und 
algorithmischer Milieus, eine originäre medienästhetische Frage, die 
fortan der überlieferten philosophischen Ästhetik zu kontrastieren wäre? 
Was sind die Schauplätze und welche semantischen Rahmen sind nötig, um 
die medienästhetische Frage in ihrer Eigentümlichkeit und Dringlichkeit 
zu erfassen? Wie verhält sich die neue Begriffspolitik zu traditionellen 
ästhetischen Begriffsregimen, wo liegen mögliche Anschlüsse, wo bedarf 
es anderer konzeptioneller Strategien? Welche genealogischen Szenen des 
neuen medienästhetischen Paradigmas lassen sich im 20. Jahrhundert 
bestimmen? Was sind die politischen Herausforderungen der neuen 
ästhetischen Kondition? Wie sind die bisherigen Versuche zur 
Neubestimmung von Ästhetik unter radikalen medientechnologischen 
Bedingungen zu bewerten?

Texteinreichungen bis Ende August 2012, an:
erich.hoerl at ruhr-uni-bochum.de

Redaktion: Erich Hörl, Mark B. N. Hansen



Prof. Dr. Erich Hörl
Professur für Medientechnik und Medienphilosophie

Institut für Medienwissenschaft
Ruhr-Universität Bochum
Universitätsstraße 150
Gebäude GB 5/143
44780 Bochum

Tel: +49 234 32 25089
Fax: +49 234 32 14268
e-mail:erich[DOT]hoerl]AT]rub[DOT]de
http://www.ruhr-uni-bochum.de/ifm/institut/mitarbeiterinnen/prof_hoerl.html
http://www.kolloquium-medienwissenschaft.de