[spectre] Ghettos for Gypsies in Romania??

Andreas Broeckmann abroeck@transmediale.de
Mon, 22 Oct 2001 15:38:05 +0200


Date: Sat, 20 Oct 2001 12:58:38 +0200
=46rom: William Totok <Totok@t-online.de>
Subject: [iso-8859-2] Rum=94nien

Zigeuner hinter Stacheldraht
Rum=94nische Lokalpolitiker planen die Errichtung von Ghettos f=B8r Roma/
Die neofaschistische Organisation "Neue Rechte" macht mobil

"Ich werde sie auf die Stra=FEe setzen, dann k=96nnen sie sich in alle vier
Windrichtungen verziehen und gehen, wohin sie wollen. Sie interessieren
mich nicht mehr. Ich wollte ihnen einen Gefallen tun, doch sie meinten,
ich h=94tte etwas B=96ses im Sinn gehabt. So ist nun mal der Zigeuner! Immer
wenn du ihm beistehen willst und ihm einen Finger reichst, will er
gleich die ganze Hand." Mit dieser wirren Erkl=94rung verabschiedete sich
der in die Kritik geratene B=B8rgermeister der ostrum=94nischen Stadt,
Piatra Neamt, Ion Rotaru, von seinem umstrittenen Projekt, etwa 2000
Roma in einem Ghetto unterzubringen.
Noch vor wenigen Tagen verteidigte er die Umwandlung ehemaliger
H=B8hnerst=94lle in Wohnungen f=B8r Roma, als ein gro=FEartiges soziales
Unterfangen, das sogar vom rum=94nischen Informationsminister als ein
"soziales und nachahmenswertes Projekt" gelobt wurde.
Die Absicht des B=B8rgermeisters, die Roma mit einem Sonderausweis
auszustatten und in die am Stadtrand gelegenen St=94lle zu isolieren, das
Areal mit Stacheldraht einzuz=94unen und von Polizisten und Hundestaffeln
bewachen zu lassen, stie=FE auf Proteste seitens der Romaorganisationen
und mehrerer Menschenrechtsgruppen. In einem offenen Brief der
Romaorganisation "Romani CRISS" wurden die diskriminierenden
"Disziplinierungsma=FEnahmen" des B=B8rgermeisters offen als "Nazimethoden"
angeprangert. Die Organisation verwies ausdr=B8cklich darauf, dass
derartige Ma=FEnahmen den euroatlantischen Integrationsbem=B8hungen des
Landes schaden und letztendlich im Widerspruch zu dem von der
rum=94nischen Regierung verabschiedeten Strategiepapier bez=B8glich der
Verbesserung der sozialen Bedingungen der Roma st=B8nden.
"Wenn man unter meinem Versuch, Leuten Wohnungen und Essen zur Verf=B8gung
zu stellen, so etwas wie eine Verletzung der Menschenrechte oder
Rassismus =B7 la Mengele oder Antonescu versteht, dann kann man mich ruhig
als fremdenfeindlich oder rassistisch bezeichnen", erkl=94rte der
spr=B8cheklopfende populistische B=B8rgermeister noch in der vergangenen
Woche in den rum=94nischen Medien.
Schon die Erw=94hnung des Namens Antonescu in diesem Zusammenhang ist eine
offene Provokation f=B8r die Roma Rum=94niens und weckt Erinnerungen an den
Holocaust. Der milit=94rfaschistische Diktator Antonescu (1941-44) wurde
1946 u.a. auch wegen der Deportation und Ermordung von etwa 30 000 Roma
als Kriegsverbrecher und Initiator des Genozids an den rum=94nischen Juden
und Zigeunern zum Tode verurteilt. Rum=94nische Ultranationalisten
forderten nach der Wende eine Rehabilitierung des faschistischen
Milit=94rdiktators und errichteten ihm in mehreren St=94dten Denkm=94ler. So
auch die Stadt Piatra Neamt, deren B=B8rgermeister der regierenden
Sozialdemokratischen Partei (PSD) angeh=96rt.
=46=B8r die auf europ=94ische Integration bedachte rum=94nische Regierung ka=
m
der Zwischenfall v=96llig ungelegen. Der am 15. Oktober in Berlin bei
einer vom Ausw=94rtigen Amt organisierten Konferenz gegen Menschenhandel
als moderne Form der Sklaverei weilende rum=94nische Au=FEenminister und
amtierende Vorsitzende der Organisation f=B8r Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa(OSZE), Mircea Geoana antwortete ausweichend auf
die Frage nach dem Projekt des B=B8rgermeisters, die Roma in einem Ghetto
unterzubringen. Geoana berief sich auf eine Aussage des
Staatspr=94sidenten Iliescu, der am Wochenende die Entscheidung des
B=B8rgermeisters als "unklug" bezeichnet hatte, und meinte mit
diplomatischer Eloquenz, dass auch westeurop=94ische L=94nder Probleme mit
der Integration von Roma und Sinti h=94tten.
Einstweilen aber ist das umstrittene Projekt des B=B8rgersmeisters in
Rum=94nien popul=94rer denn je. Die Gemeindevorsteher aus Deva, Iasi und
Baia Mare k=B8ndigten inzwischen an, die Roma in =94hnlichen "sozialen
Einrichtungen" unterzubringen wie der B=B8rgermeister in Piatra Neamt.
Mehrere Tageszeitungen - darunter auch die regierungsfreundliche
"Adevarul" (Die Wahrheit) - entfachten unterdessen eine kaum zu
=B8berbietende romafeindliche Kampagne. In einem b=96sartigen Pamphlet
beschimpfte das Blatt die Vertreter verschiedener Romaorganisationen als
"Luxuszigeuner" und beschuldigte sie, Rum=94nien auf europ=94ischer Ebene
anschw=94rzen zu wollen und einen nicht existierenden interethnischen
Konflikt herbeizureden. Den Pr=94sidenten der Romaf=96deration verunglimpfte
das Blatt als einen "Parteiaktivisten neuen Typs", die Vorsitzende des
Helsinkikomitees als eine "S=94ngerin zigeunerischer B=B8rgerrechtslieder".
Menschenrechtsorganisationen wie die "Liga Pro Europa" und die
Romavereinigung "Romani CRISS" k=B8ndigten nun juristische Schritte gegen
die Zeitung an.
In die Auseinandersetzung haben sich nun auch militante
rechtsextremistische Organisationen sozusagen als Trittbrettfahrer
eingeschaltet. Mitglieder der militanten Organisation "Neue Rechte"
haben in Deva die Litfasss=94ulen mit Plakaten =B8berklebt, auf denen sie
f=B8r eine radikale L=96sung des "Zigeunerproblems" werben.
Der Vorsitzende der "Neue Rechten", Tudor Ionescu erkl=94rte in einem
Interview, dass seine Organisation gegen die =D0berfremdung des
rum=94nischen Volkes k=94mpfe und daf=B8r pl=94diere, die Zigeuner zu isolie=
ren
und die Zigeunerfrauen Zwangsabtreibungen zu unterwerfen.
Die lokalen Beh=96rden aus Deva bestritten jeglichen Zusammenhang mit dem
Auftauchen der Propagandaplakate der "Neuen Rechten" und der Absicht des
B=B8rgermeisters, die Roma in einem am Rande der Stadt gelegenen Viertel
einzuquartieren.
William Totok
Berlin, 17.10.2001