[rohrpost] spiegel.de:: THE YES MEN::Die Rache der Web-Protestklone

Wed, 5 Dec 2001 11:07:29 +0100

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SPIEGEL ONLINE - 04. Dezember 2001, 14:06
URL: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,170993,00.html
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The Yes Men

Die Rache der Web-Protestklone

Von Jochen A. Siegle, San Francisco

Internet-Globalisierungsgegner und Weltbank-Kritiker schlagen zur=FCck. 
Kaum hat sich die WTO daran gemacht, der Parodiensite Gatt.org den 
Garaus zu machen, fahren die Aktivisten zum Unmut von Wirtschaft und 
Politik einen "Webseiten-Kopierer" f=FCr t=E4uschend echte Protestsites 
auf.

Gatt.org: Die Parodieseite warnt vor der Website der WTO, die 
ihrerseits vor Gatt.org warnt. Beide behaupten, sie seien "echt" Eine 
solche Reaktion h=E4tte sich die Welthandelsorganisation wohl nicht 
tr=E4umen lassen. Kaum drohen die werten Genfer Damen und Herren den 
Betreibern der WTO-Website-Persiflage Gatt.org mit juristischen 
Schritten, schie=DFen diese zur=FCck - und zwar mit einer ausgekl=FCgelten 
Software, die automatisiert Internet-Parodien erstellt.

Um die Zusammenh=E4nge verstehen zu k=F6nnen, muss weiter ausgeholt 
werden. Schon seit zwei Jahren betreibt eine Gruppe internationaler 
Online-Globalisierungsgegner namens "The Yes Men" mit Gatt.org eine 
kritische Verfremdung der WTO-Seite. Delikates Detail dabei f=FCr die 
Welthandelsorganisation: Der Spoof kann kaum als solcher erkannt 
werden und =E4hnelt durch Verwendung des WTO-Logos dem Original 
deutlich - zumindest optisch. Denn inhaltlich ist das Online-Angebot 
- vereinfacht ausgedr=FCckt - ordentlich verdreht.

H=E4tten das doch nur auch die Organisatoren eines Juristenkongresses 
in =D6sterreich erkannt, ihnen w=E4re einiger Spott erspart geblieben, 
die Yes Men dagegen w=E4ren wohl kaum derart bekannt, wie sie es heute 
sind. Anfang des Jahres war einer ihrer Aktivisten als vermeintlicher 
WTO-Vertreter zu einem Juristenkongress in die Alpenrepublik 
eingeladen worden - und auch prompt erschienen.

Das Salzburger Auditorium staunte nicht schlecht =FCber den Vortrag 
eines gewissen "Dr. Bichlbauers", der etwa =FCber die Faulheit der 
Italiener dozierte, die Vorteile der Versteigerung von W=E4hlerstimmen 
erl=E4uterte und =FCber die Notwendigkeit einer einheitlichen Weltkultur 
philosophierte. Am Ende des Referats wurde der falsche Doktor mit 
einer "vergifteten" Torte beworfen. Wochen sp=E4ter "starb" er sogar an 
den Folgen des Attentats. Die Yes-Men-Website dokumentiert die 
schr=E4gen Ereignisse minuti=F6s.

M=F6glich wurde der Klamauk durch eine schn=F6de Verwechslung. Die 
=F6sterreichischen Organisatoren hatten ihre Einladung an die Webseite 
Gatt.org gerichtet, und zwar in der Annahme, bei den Betreibern 
handele es sich um die GATT-Nachfolgeorganisation WTO. Wie m=E4chtig 
falsch die =D6sterreicher mit dieser Vermutung lagen, d=E4mmerte ihnen 
erst nach Bichlbauers unvergesslichem Auftritt.

Die Welthandelsorganisation fand die Angelegenheit weniger witzig, 
verzichtete zun=E4chst aber auf ein gerichtliches Vorgehen. Ende 
November veranlassten die Genfer nun jedoch in Berufung auf den 
Digital Millennium Copyright Act den Hoster der Site, Verio, dazu, 
die Betreiber zur Schlie=DFung aufzufordern. Die Site verwende 
urheberrechlich gesch=FCtzte Zeichen und Inhalte, so die Argumentation 
der WTO.

Nachdem sich Gatt.org-Domaininhaber Jonathan Prince gegen=FCber 
Verio-Juristen jedoch auf sein Recht auf freie Meinungs=E4u=DFerung 
berief, zogen diese ihr Ultimatum =FCberraschenderweise wieder zur=FCck. 
Der aktuelle Stand der rechtlichen Auseinandersetzung ist nicht 
bekannt. Die Site ist zumindest noch immer online.

Automatisierung des politischen Protestes

Die Drohgeb=E4rden der WTO via Webspace-Provider Verio hat die 
Online-Satire-Community nun allerdings dazu bewegt, sich f=FCr eine 
eventuell bevorstehende Schlie=DFung zu wappnen. Der neueste Clou aus 
der Yes-Men-Trickkiste ist nun allerdings kein neues Web-Projekt, 
sondern eine kostenlos downloadbare Software. In weniger als einer 
Woche haben die "Ja-Sager" das Programm "YesIWill" geschrieben, das 
zum Unmut von Wirtschaft und Politik selbstt=E4tig exakte Kopien von 
Webseiten anfertigten kann. Inhaltlich sind die gespiegelten 
Dokumente dabei nach eigenem Gutd=FCnken modifizierbar.

"F=FCr Globalisierungs- und Weltbankgegner soll es damit zum 
Kinderspiel werden, kritische Web-Parodien anderer kommerzieller oder 
politischer Online-Angebote zu kreieren", so ein Yes-Men-Sprecher. 
"Die Erstellung einer solchen Seite ist nun nur noch eine 
Angelegenheit von f=FCnf Minuten."

Bislang ist die Software jedoch nur mit einigem Internet-Know-how zu 
nutzen. Au=DFerdem ist der Zugang zu einem Unix-Rechner und Perl 5 oder 
einem Apache-Webserver von N=F6ten. Doch die Programmierer arbeiten 
bereits an einer weniger komplexen Version, mit der dann auch 
Otto-Normalsurfer seine ganz pers=F6nlichen Protestklone online 
ver=F6ffentlichen kann.

Die WTO warnt ihrerseits seit vergangenem Monat auf ihrem eigenen 
Online-Angebot vor der Gatt.org-Eulenspiegelei und den verfremdeten 
Inhalten. "Die gef=E4lschte WTO-Site Gatt.org wurde erstellt, um 
Internetnutzer irrezuf=FChren", hei=DFt es in einer Pressemitteilung auf 
dem offiziellen Webauftritt. "Irregef=FChrte Surfer riskieren, den 
Betreibern ihre E-Mail-Adressen und sonstige Informationen 
preiszugeben." Um die Verwirrung komplett zu machen, haben die 
Online- Persifleure selbst eine Fake-Warnung auf ihrer Homepage 
eingebaut.

Zum Thema:
Im Internet:
=B7 	Die "Yes Men"
http://theyesmen.org
=B7 	Protestsoftware "Yes I will"
http://theyesmen.org/yesiwill
=B7 	Dauer=E4rgernis Gatt.org: Zwei Jahre pure WTO-Ver=E4ppelung
http://www.gatt.org
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