[rohrpost] Der Tagesspiegel : Nachrichten : Berlin : 25.07.2001 : G-8-Gipfel : Genua

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Wed, 25 Jul 2001 20:02:19 +0200


         Der Tagesspiegel

         Nachrichten : Berlin

         25.07.2001

         G-8-Gipfel

         Genua: Berliner mit Hirnblutung in Klinik

         Italienische Polizei verweigert Angeh=F6rigen Zugang zu dem
         lebensgef=E4hrlich Verletzten / 68 Deutsche inhaftiert

         Barbara Junge

         Bei der Razzia der italienischen Polizei im Zentrum der
         Globalisierungsgegner in Genua ist in der Nacht zum Sonntag ein
         21-j=E4hriger Berliner sehr schwer verletzt worden. Wie dem
         Tagesspiegel aus zuverl=E4ssiger Quelle best=E4tigt wurde, lag d=
er
         Mann zumindest noch am Montag im Koma. Angeh=F6rige, die versuch=
t
         haben, ihn mit Hilfe des deutschen Generalkonsulats in Genua zu
         besuchen, wurden vor Ort abgewiesen. Die Polizei berief sich
         auch bei diesem Schwerverletzten darauf, Inhaftierte bis zu 68
         Stunden ohne Kontakt festhalten zu k=F6nnen. Den Angeh=F6rigen w=
urde
         jedoch gesagt, der Verletzte sei aus dem Koma erwacht.

         Der Mann hatte in der Diaz-Schule =FCbernachtet, die die Stadt
         Genua dem Genueser Sozialforum als zus=E4tzliche Aufenthaltsr=E4=
ume
         zur Verf=FCgung gestellt hatte. Die Polizei hatte den Vorwurf
         erhoben, von dort seien militante Aktionen ausgegangen. Deshalb
         habe sie die Schule durchsucht. Bei der n=E4chtlichen Durchsuchu=
ng
         wurden mindestens 50 Menschen verhaftet, etliche verletzt. Die
         Zahlen gehen hier weit auseinander, Augenzeugen berichten von 70
         Festnahmen - von denen f=FCnf schwer verletzt worden seien.

         Die genauen Umst=E4nde wie der junge Berliner bei der Razzia
         verletzt wurde, waren bis Dienstag nicht bekannt. Best=E4tigt is=
t
         jedoch, dass eine Notoperation in einem Genueser Krankenhaus
         stattgefunden hat. Wie die Angeh=F6rigen sagen, habe er eine
         Hirnblutung erlitten. Dabei sei ein H=E4matom unter der
         Sch=E4deldecke entstanden.

         Das Ausw=E4rtige Amt in Berlin ist seit Montag bem=FCht, jedem
         Verletzten und Verhafteten in Genua konsularische Betreuung
         zukommen zu lassen - so sie denn gew=FCnscht sei. Zu Einzelf=E4l=
len
         jedoch k=F6nne man sich aus Gr=FCnden des Datenschutzes nicht
         =E4u=DFern, wie ein Sprecher des Ausw=E4rtigen Amtes sagte. Insg=
esamt
         sind nach Informationen des Amtes 68 Deutsche in Genua
         inhaftiert worden. Deutsche Konsularbeamte aus Mailand und Rom
         seien bereits am Wochenende nach Genua entsandt worden, sie
         st=FCnden in engem Kontakt mit den italienischen Beh=F6rden.
         Inzwischen habe man die Familienmitglieder der Inhaftierten fast
         ausnahmslos informiert, teilte das Ausw=E4rtige Amt mit.

         Unter den 68 Inhaftierten sind auch die Verletzten von der Nacht
         zu Sonntag. Sie sind noch in den Krankenh=E4usern der Stadt oder
         mit den anderen Festgenommenen in vier Gef=E4ngnissen im Raum
         Genua. Die Meldung des italienischen Fernsehens vom Freitag,
         wonach eine deutsche Globalisierungsgegnerin in Lebensgefahr
         schwebe, hat sich nach den derzeitigen Informationen nicht
         best=E4tigt. Der junge Berliner ist demnach der einzige Deutsche=
,
         der in Lebensgefahr schwebt oder geschwebt hat. Eine Liste der
         Verletzten und Inhaftierten hat das Bundeskriminalamt erstellt.

         Augenzeugen in Berlin wie in Genua berichteten am Dienstag von
         "ungeheuerlicher Brutalit=E4t", mit der die Polizei bei der Razz=
ia
         vorgegangen sei. Noch jetzt seien in der Schule die Blutspuren
         oder Blutlachen zu sehen. Die gr=FCnen Innenpolitiker Cem =D6zde=
mir
         und Christian Str=F6bele haben inzwischen eine internationale
         Untersuchungskommission zu den Geschehnissen in Genua gefordert.
         Dies sei keine inneritalienische Angelegenheit. Insbesondere die
         Razzia in der Schule scheine durch nichts gerechtfertigt gewesen
         zu sein.

         Bodo Zeuner, Politikprofessor an der Freien Universit=E4t Berlin=
,
         geh=F6rt zu den Eltern, die seit Tagen nichts von ihren Kindern
         geh=F6rt haben. Am Dienstag berichtete er, dass seine 22-j=E4hri=
ge
         Tochter auch in der Diaz-Schule =FCbernachtet habe. Bis zum Morg=
en
         habe er nichts =FCber den Verbleib seiner Tochter erfahren. Erst
         dann sei er informiert worden, dass und in welchem Gef=E4ngnis s=
ie
         sich befinde. Er habe seit Sonntag in Genua, beim
         Bundeskriminalamt und im Lagezentrum des Ausw=E4rtigen Amtes all=
e
         paar Stunden angerufen, um Informationen =FCber seine Tochter zu
         erhalten. Irgendwann habe man ihm dann beim Generalkonsulat
         gesagt, "ich m=F6ge doch mal einen Tag Ruhe geben". "Aber wie so=
ll
         ich denn Ruhe geben, wenn ich nicht einmal wei=DF, ob meine
         Tochter lebt?", hat Bodo Zeuner geantwortet.

         http://www2.tagesspiegel.de/archiv/2001/07/24/ak-be-443067.html