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Roberto Simanowksi Roberto.Simanowski@dichtung-digital.de
Sun, 11 Aug 2002 22:46:54 -0400


Willkommen zur Juli-Ausgabe (4/2002, 4.Jg/Nr. 24) des Newsletters von
http://www.dichtung-digital.com 
Dieser Newsletter wurde unterstützt durch: http://www.dtv.de
Vielen Dank dem Sponsor und viel Vergnuegen den Lesern.

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INHALTSUEBERSICHT
EDITORIAL
INHALT
SEPTEMBERAUSGABE
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Die Zukunft von dichtung-digital hängt an den Spenden seiner Leser:
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Endspurt des Wettbewerbs Literatur.digital 2002: 31. August:
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Noch Restbestände des Buchs zum Wettbewerb 2001:
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Bestellung "Interfictions. Vom Schreiben im Netz": 
http://www.dichtung-digital.de/buchtip/angaben/interfictions.htm

INHALTSUEBERSICHT
Spielbegriff / Hypertext / interaktive Medienkunst / Interview: Tholen /
Manovichs "Language of New Media" / Interview: Karpen / Interview:
Amerika / Programmierer-Künstler / Online-Projekt "Shrink to fit"
/ Computerviren / Interfictions / McLuhans "Magische Kanäle"

EDITORIAL
Liebe Leser von dichtung-digital 
herzlich Willkommen zur Juli-Ausgabe.

Viel ist die Rede vom Spiel in Schillers Ästhetik, bei Kant und bei
Iser; aber wie verhält es sich damit, wenn das Spiel nicht mehr nur
abstrakt zu verstehen, sondern konkret-performative vor sich geht: beim
Computerspiel etwa oder auch beim Klick im Hypertext? Manuela Kocher und
Michael Böhler sind der Frage nachgegangen. Das Phänomen Hypertext
stellt freilich vor eine Reihe weiterer Fragen, zum Beispiel, ob in
diesem Konzept nun eigentlich der Autor oder eher der Leser stirbt, und
welchen semantischen Mehrwert man wirklich von der Verlinkung erwarten
kann. Roberto Simanowski rätselt aber auch, ob per Sprachprogramm
erzeugte Texte Zukunft oder Sackgasse der Computer-Literatur sind. 

Für Lev Manovich stellen sich solche Fragen kaum, denn für ihn ist New
Media gleich visual culture und zwar vor allem kinematographisch. Inke
Arns, die sich Manovichs Buch "The Language of New Media" angesehen hat,
ist damit keineswegs einverstanden, sie vermisst die interaktiven Formen
von Netzkunst und Netzkultur. Diese findet man wiederum im Sammelband
"Formen interaktiver Medienkunst", der jedoch, wie Georg Christoph
Tholen feststellt, zugunsten soziologischer Theorien den Aspekt der
Intermedialität vernachlässigt. - Die Frage nach Wesen und Message des
neuen Mediums bleibt somit offen. Dass "Understanding Media" vor allem
heisst, die Message des Mediums zu verstehen, weiß Roberto Simanowski
nach der erneuten Lektüre des McLuhan-Klassikers; und auch, wieso eine
Frau mit Brille ein kaltes Medium ist, jedenfalls, wenn es sich um
dunkle Gläser handelt. Wie sich die Message des Mediums im Hinblick auf
die digitalen Medien und deren Verquickung mit Literatur äußert,
erörtert Simanowski dann in der Einleitung zu seinem Buch
"Interfictions. Vom Schreiben im Netz".

Dass Programmierung ein Hauptaspekt der digitalen Medien ist, wird
niemand leugnen; dass Programmierer hier die eigentlichen Künstler sind,
glauben einige. Reinhard Storz skizziert Rolle und Arbeitsweise dieser
codebesessenen, ikonoklastischen und herrschsüchtigen Grenzfigur
digitaler Kultur. Das Pendant liefert Hilmar Schmundt, der sich den
schwarzen Schafen unter den Programmierern widmet: dem jugendlichen
Kleinkriminellen, dem bösen Genie, dem pubertären Virenschreiber.
Wesentlich erwachsener und unschuldiger sind die Künstler, die das
Shrink-Projekt von Xcult.org versammelt. dichtung-digital versammelt die
Links und spiegelt die Kurz-Besprechungen der Wissenschaftler.

Die Wissenschaft und ihr Verhältnis zur digitalen Kunst und Kultur wird
dann genauer geprüft in drei Interviews. Mark Amerika, den wir zuvor
schon als populären Netz-Künstler interviewten, gibt nun als Professor
an der Fakultät der Schönen Künste der University of Colorado Auskunft
über den Bedarf an flexiblen Hochschullehren im Kontext digitaler
Literatur und Kunst. Dass der Curricula-Fahrplan in dieser Hinsicht noch
recht unbekannt ist, gesteht Richard Karpen, Direktor des Center for
Digital Arts and Experimental Media an der University of Washington in
Seattle. Georg Christoph Tholen, Leiter des Instituts für
Medienwissenschaften der Universität Basel, weiß schon mehr und erörtert
die Eckpunkte aktueller Medientheorie und ihrer Praxis in Basel.

Auch in dieser Ausgabe bieten wir einen Download für den Palm an und
auch diesmal hoffen wir auf Feedbacks und Tips. Neu hingegen ist die
Bitte um Spenden, um ein altes, ewig brennendes Problem der Finanzierung
zu lösen. Dankbar für Zuwendungen jeder Art,

Roberto Simanowski
Berlin, 11. August 2002


INHALT
***Spielbegriff zwischen Texthermeneutik, Hyperfiction und Computerspiel
[Deutsch]
Der Spielbegriff in seiner historischen Entwicklung: als
abstrakt-figuratives Konzept reflexiver Prozesse und als konkret
performativ-kommunikativer Akt. Manuela Kocher und Michael Böhler
zeichnen die Grenzziehung zwischen ästhetischem und nicht-ästhetischem
Spiel nach und erklären, warum mit den neuen Kunst- und Literaturformen
der Hyperfiction und Computerspiele die Dichotomie brüchig geworden ist
und sich eine Verschiebung des Spielbegriffs vom Figurativen zum
Performativen abzeichnet.
http://www.dichtung-digital.com/2002/07-31-Kocher-Boehler.htm

***Hyperfiction: Merkmale, Forschung, Poetik [Deutsch]
Roberto Simanowski widmet sich ausführlich einigen Grundproblemen des
Hypertextes mit folgenden Thesen: Die Öffnung und Verbindung der Nodes
in HT-Dokumenten erfolgt um den Preis strenger Textgrenzen. Statt vom
Tod des Autors zu reden, sollte man den des Lesers erklären. Links sind
weniger Mittel der Ironie und kritischen Reflexion als der
Karnevalisierung des Denkens. Die Resemantisierung durch
Rekontextualisierung verfängt sich im konzeptionellen Widerspruch, denn
der Aufschub (einer Linkwahl) kann die Bedeutung (der zugehörigen
Textpassage) kaum intentional ändern.
http://www.dichtung-digital.com/2002/07-31-Simanowski.htm

***"Formen interaktiver Medienkunst", hg. v. Peter Gendolla u.a.
[Deutsch]
Ein Sammelband von längerer Haltbarkeit, dessen Fokus auf Interaktivität
- statt auf Intermedialität oder Hybridkultur - allerdings etwas
voreilig das soziologische Erklärungsmuster der Medienanalysen in den
Vordergund schiebt. Georg Christoph Tholen hat ihn genau gelesen und
bleibt den Beiträgen keinen kritischen Kommentar schuldig.
http://www.dichtung-digital.com/2002/07-29-Tholen.htm

***Medienwissenschaft und Curricula: Interview mit Georg Christoph
Tholen [Deutsch]
"Nur in der Doppelkompetenz, die aus bewährten Interpretationsverfahren,
wie sie etwa die Germanistik zu lehren weiss, und aus
medienwissenschaflicher Diskursanalyse sich entwickeln wird, werden sich
Kriterien dessen, was sich als digitale Literatur bestimmen lassen
könnte und zu einem erweiterten Kanon des kulturwissenschaftlichen
Wissens beitragen könnte, aufstellen lassen." Prof. Dr. Georg Christoph
Tholen wurde 2001 als Leiter ans Institut für Medienwissenschaften der
Universität Basel berufen. Roberto Simanowski befragte ihn zu den
Eckpunkten aktueller Medientheorie und ihrer Praxis in Basel.
http://www.dichtung-digital.com/2002/07-28-Tholen.htm

***Metonymical Mov(i)es. Lev Manovich's "The Language of New Media"
[Englisch]
Glaubt man Lev Manovich, haben wir in den neuen Medien vor allem mit
visueller Kultur zu tun, die kinematographisch dominiert ist Und
tatsächlich sind Hollywoods und Silicon Valleys Sprachen der neuen
Medien massiv kinematograohisch. Und totzdem: Inke Arns erkannte die
Welt nicht wieder, die Manovich beschreibt. Ihr fehlten all die anderen
Aspekte der neuen MEdien wie: Netzkunst, Medienkunst und die Praktiken
der Netzkultur wie Chatting oder SMS.
http://www.dichtung-digital.com/2002/07-27-Arns.htm

***Creating and understanding digital art: Interview with Richard Karpen
[Englisch]
"With regard to the nature of teaching and research, we are boldly
experimenting with our curriculum. I can't say I know exactly what I'm
doing, but I know that we must make changes in our arts curricula and
just as in the process of making art, making a new arts program will
require some adventurous thinking and taking some risks." Richard Karpen
ist Professor für Musik und Direktor des Center for Digital Arts and
Experimental Media an der University of Washington in Seattle. Roberto
Simanowksi sprach mit ihm über die Ziele des Centers und die Beziehung
zwischen digitalen Medien und akademischer Welt.
http://www.dichtung-digital.com/2002/07-26-Karpen.htm

***Reconfiguring education with flexible teachers: Interview with Mark
Amerika [Englisch]
"The very notion of an engaged net art practice focused on digital
narrative and theory in cross-media platforms challenges our
conventional assessment of what a certain kind of work or cultural
production actually is. We need to reconfigure education and the
pedagogical process associated with learning, especially when using new
media technology in an arts and humanities context." In einem früheren
Interview sprachen wir mit Mark Amerika über sein Werk, über Autorschaft
und über Schreibkonzepte im Netz. Inzwischen ist er Professor an der
Fakultät der Schönen Künste der University of Colorado und somit Brücke
zwischen Praxis und Theorie.
http://www.dichtung-digital.com/2002/07-25-Amerika.htm

***Texte, Scripts und Codes. Ein Exkurs zur Grenzfigur des
Programmierer-Künstlers  [Deutsch]
Die Programmierer als moderne Zauberer, die den unerbittlichen Gesetzen
ihrer Magie unterstehen: fehlt auch nur ein Komma, ist alles hin. Die
Programmierer als moderne Ikonoklasten in einer Zeit des visuellen
Spektakels: Sie wirken hinterm Bildschirm mit Schrift, damit vorn Bilder
entstehen. Die Programmierer als "schroffe Schriftsteller": Der
Befehlston und die Wortkargheit sind ihr Berufsethos. Die Programmierer
schließlich als Gesetzesbrecher, wenn sie Copierschutz-Codes
veröffentlichen: Denn dieser sei in erster Linie funktional als illegale
Zugangsschaffung und falle so nicht unter den Schutz der freien Rede.
Und wenn, wie das Beispiel zeigt, der inkriminierte Code gemalt,
gesungen und in dramatischen Lesungen vorgebracht wird? Wird Mathematik
dann Kunst weil sie Ökonomie war? Reinhard Storz geht diesen und
weiteren Fragen zum Kunstpotential des Programmierers nach.
http://www.dichtung-digital.com/2002/07-24-Storz.htm

***Online-Projekt "shrink to fit": Xcults Auftragswerke an Künstler und
Kritiker [Deutsch/Englisch]
Bei 10 Künstlern und Künstlerinnen gab Xcult.org neue Netzarbeiten (von
3 bis 5 Minuten Aufmerksamkeitdauer) in Auftrag. Zu jeder Arbeit schrieb
ein Autor / eine Autorin zugleich einen Text (von 3000 bis 5000
Zeichen). Von August 01 bis Mai 02 wurde so bei "shrink to fit"
monatlich ein neues Teilprojekt und der zugehörige Text aufgeschaltet.
dichtung-digital übernimmt in Kooperation mit Xcult die Dateien des
abgeschlossenen Projekts, um es auch dem eigenen Publikum bekannt zu
machen.
http://www.dichtung-digital.com/2002/07-23-shrink.htm

***Die @-Bombe: Vom bösen Genie hinter apokalyptischen Computerviren
[Deutsch]
Sind alle Virenbschreiber männlich, zwischen 12 und 30 und arg pubertär?
Was enthalten die seltsamen "Digitalgraffiti" der Virenschreiber in den
Kommentarzeilen des Programms? Wie verhalten sich Virenschreiber zur
Antivirenindustrie? Wieso richtet ein Hoax mehr Schaden an als ein
Virus? Kommt der digitale Bandwurm, der sich als Nemesis durch die
Datenbestände der Welt fressen wird? Hilmar Schmundt hat sich dazu und
zu vielem mehr umgehorcht.
http://www.dichtung-digital.com/2002/07-20-Schmundt.htm

***Interfictions. Vom Schreiben im Netz [Deutsch]
Einleitung zum Buch "Interfictions. Vom Schreiben im Netz" von Roberto
Simanowski, das nicht von Literatur handelt, die ins Internet wandert
und schließlich doch auf Papier enden will, sondern von 'Literatur', die
im und aus dem Netz des digitalen Codes entsteht, die interaktiv und
intermedial ist und die durch die verborgene Befehlssprache unter der
Bildschirmoberfläche auf einem Alphabet der Inszenierung beruht, das sie
undruckbar macht. Die Einleitung erörtert den Medienwandel, Begriffe,
Merkmale, Typologie digitaler Literatur sowie deren Geschichte und
Zukunft.
http://www.dichtung-digital.com/2002/07-19-Simanowski.htm

The Messager is the Message. McLuhans "Magische Kanäle" [Deutsch]
Man sah in ihm einen populistischen Schwätzer und einen Propheten der
neuen Medienwissenschaft, man warf ihm die Irrationalität seiner
Argumentation vor oder lobte die Originalität seines Denkens, man
bemängelte die unklare Begrifflichkeit und man zitierte ihn so oft es
ging. Kurz: Heute kommt keine Medientheorie an Marshall McLuhan vorbei.
Und alle beginnen sie mit dem Satz der Sätze: The Medium is the Message.
http://www.dichtung-digital.com/2002/06-07-Simanowski.htm

SEPTEMBERAUSGABE
Beiträge des Symposiums Modemfieber im Juli 2002 in Romainmôtier:
-Ulrike Landfester: Von der Liebe zum Medium. Konsens-Halluzinationen
zwischen empfindsamem Briefroman und Cyberpunk.
-Gisela Müller: Werkstattbericht aus dem Leben einer www.schlampe.de:
LEi/iEBESÜBUNGEN - ein SMS/Internet-Projekt
-Peter Gendolla: Neueste älteste Leiden Werthers.
-Beat Suter: liebe@netzliteratur? eine kleine werküberschau zum thema
"liebe in der netzliteratur"
-Alexander Roesler: 160 Zeichen Liebe. Zur Kommunikation eines Gefühls
im SMS-Format
-Fotis Jannidis: Beziehungskisten und Hochzeiten in Online-Spielen
-Nika Bertram: @create "magic glitter" - Liebesspiele im kahunaMUD
-Michael Beißwenger: Das Knistern zwischen den Zeilen.
Inszenierungspotenziale in schriftbasierter Chat-Kommunikation
-Tilman Sack: Leonce und Lena im Netz der Liebe
-Adi Blum: surf > sample > love
-Susanne Berkenheger: Die Schwimmmeisterin. Hyperperformance.
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contributions on digital aesthetics / ISSN 1617-6901
Herausgeber: Dr. Roberto Simanowski