[rohrpost] universal gehirnwaescher [repost]
Alvar Freude
alvar@a-blast.org
Mon, 12 Aug 2002 14:09:07 +0200
Hi,
-- Sven Guckes <guckes-rohrpost@math.fu-berlin.de> wrote:
> Kleiner Text =FCber popfile.de und Co.,=20
BTW:
"Um die Popfile Webseite ansehen zu k=F6nnen, ben=F6tigst Du=20
Javascript und das Flash 5 Plugin."
Mal wieder Profis am Werk.
Ciao
Alvar
den ich f=FCr die FAS
> geschrieben habe. Und da deren Internet-Angebot ja
> bekanntlich sehr d=FCrftig ist, kriegt ihr's halt so. Harald
>=20
> -----------------------------------------------------------------------
>=20
> Teile und herrsche
> Die Plattenlabels bek=E4mpfen die Musiktauschb=F6rsen -
> und treffen damit ihre besten Kunden
>=20
> Man kann nicht unbedingt behaupten, da=DF der Unterhaltungskonzern
> Universal seinen Kunden ein gutes Erinnerungsverm=F6gen unterstellt.
> Am Freitag startete der weltweit gr=F6=DFte Plattenverlag seinen neuen
> Download-Dienst f=FCr Deutschland, und eine mittlere Amnesie war schon
> ganz hilfreich, um das Neue und Spektakul=E4re daran auch zu begreifen.
>=20
> Wer bei popfile.de Songs erwirbt, verk=FCndete die Neuberliner Firma,
> der k=F6nne sich diese St=FCcke auch in seinen MP3-Player laden oder =
auf
> CD brennen. Dabei d=FCrften selbst die j=FCngeren unter den =
CD-K=E4ufern
> noch miterlebt haben, da=DF das Kopieren von CDs oder MP3s auch einmal
> ohne tiefere Informatikkenntnisse m=F6glich war, damals, in der
> guten alten Zeit der Musikindustrie, vor Krise, Kopierschutz
> und Kriminalisierung - vor etwa einem Jahr also.
>=20
> Nat=FCrlich ist es nicht das erste Mal, da=DF ein Plattenverlag
> einen neuen Trend verk=FCndet und man wie der Schweizer
> Ricola-Mitarbeiter aus der Werbung die stolzen Marktschreier
> gerne noch einmal fragen m=F6chte: "Wer hat's erfunden?"
>=20
> Wenn die neue Gro=DFz=FCgigkeit Schule macht, kommen vielleicht
> demn=E4chst auch B=FCcher auf den Markt, die mit einem Etikett
> daf=FCr werben, da=DF ihre K=E4ufer laut daraus vorlesen k=F6nnen,
> und die eine Lizenz beinhalten, die gestattet, da=DF sich die
> Seite nicht sofort nach dem Lesen aufl=F6st, sondern erst nach
> einmaligem Kopieren. Universals Versuch, mit popfile.de den
> zahllosen Musik-Tauschb=F6rsen im Internet eine kommerzielle
> Alternative entgegenzusetzen, ist ein System fern jeglicher
> Innovation und trotzdem das bisher mutigste Projekt dieser Art.
>=20
> Im Kampf gegen die Weiterentwicklung der Technik unterschl=E4gt
> der Dienst nicht ganz so viele Standardfunktionen moderner
> Computer wie =E4hnliche Projekte. Das ebenfalls bezahlpflichtige
> Musikportal Listen.com etwa hat extra eine eigene Software zum
> Abspielen der Dateien entwickelt, um das Brennen auf CD zu
> verunm=F6glichen. Mit einer Funktion zum kostenlosen Probeh=F6ren
> kommt popfile.de dagegen fast an die Funktionalit=E4t eines
> Offline-Plattenladens heran. Es ist nicht schwer zu erkennen,
> da=DF nicht Napster oder einer seiner Nachfolger hier das Vorbild
> abgibt, sondern ein anderes, in den vergangenen Jahren =E4hnlich
> erfolgreiches Distributionsmodell: der Megastore.
>=20
> Das m=FC=DFte zun=E4chst kein Nachteil sein: Die Onlineversion eines
> Kulturkaufhauses k=E4me dem Traum einer unendlichen, digitalen
> Musikdatenbank sehr nahe. Gerade an den riesigen CD-Superm=E4rkten
> kann man allerdings auch erkennen, da=DF etwa die Vielfalt des
> Angebots eher umgekehrt proportional zur Gr=F6=DFe der Verkaufsfl=E4che =
ist.
>=20
> In popfile.de wird wieder einmal die Hilflosigkeit einer Branche
> sichtbar, die vor ein paar Jahren von einem Ph=E4nomen =FCberw=E4ltigt
> wurde und sich seitdem chronisch mi=DFverstanden f=FChlt. Computer
> sind bekanntlich schlecht f=FCr die Augen, aber die Popularit=E4t von
> Musiktauschb=F6rsen hat in der Musikindustrie eine ganz besondere Form
> von Kurzsichtigkeit ausgel=F6st: Die Soldaten der Konzerne schlagen =
wild
> um sich und sehen dabei nicht, da=DF sie ihre besten Freunde treffen.
>=20
> Es ist schon l=E4ngst ein veritabler Krieg, den die Konzerne gegen ihre
> Kunden f=FChren, mit gro=DFen Anwaltsarmeen und Guerrillataktiken, die =
sie
> sich beim Underground des Internets abgeschaut haben. Da werden
> gef=E4lschte Dateien in Umlauf gebracht und Downloads verlangsamt, auch
> von Viren ist immer =F6fter die Rede und von neuen Gesetzen, die es den
> Labels erlauben sollen, ohne Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen
> in die Rechner der Tauschb=F6rsianer einzudringen. Es w=FCrde ihnen =
nicht
> schaden, sich statt dessen einmal genauer anzusehen, gegen wen sie da
> vorgehen, die Majors und ihre Majore: gegen fanatische Sammler, die
> endlich eine Kollektion gefunden haben, die alle ihre W=FCnsche nach
> Rarit=E4ten erf=FCllt; gegen Teenager, die so oft den neuen Eminem-Song =
im
> Radio geh=F6rt haben, da=DF sie ihn jetzt nicht mehr aus dem Ohr =
bekommen;
> gegen ein nicht viel =E4lteres Publikum, das genau jene Tatsache nicht
> ertragen kann, da=DF es kaum noch Alternativen gibt zu 24 Stunden
> Formatradio; und gegen mehr oder weniger kreative Menschen, die in der
> Universalmaschine ein Instrument entdeckt haben, mit dem sie selbst
> Musik aus Musik machen k=F6nnen.
>=20
> Wer mit der Vermarktung von Musik sein Geld machen wollte, der hatte
> schon immer ein Glaubw=FCrdigkeitsproblem, wenn er in die sogenannte
> Szene eindrang - aber die Spione und Agenten, die vorher auf den Foren
> der Fans herumschn=FCffelten, die w=E4ren nie auf die Idee gekommen, =
sich
> in zerst=F6rerischer Absicht den Ph=E4nomenen der Subkultur zu =
n=E4hern.
> Sie suchten Trends, keine T=E4ter.
>=20
> Das Verh=E4ltnis zwischen den Zulieferern und den Distributoren der
> Musikbranche, zwischen Kreativit=E4t und Kommerz war immer schon
> gespalten; aber es waren nie die Plattenfirmen, die damit ein Problem
> hatten. Sie waren einmal n=E4her dran, an der Subversivit=E4t ihrer
> Klientel. Die Tauschb=F6rsen des Internets haben den Musikmarkt
> ver=E4ndert, auf ganz andere Weise, als das die Kulturwirte an ihren
> einbrechenden Verkaufszahlen ablesen.
>=20
> Wer sehen will, "wo Szenen noch eigene R=E4ume erobern", wie
> Universal-Chef Tim Renner vor kurzem erkl=E4rte, der wird im Internet
> wom=F6glich leichter f=FCndig als in Berlin. Um herauszufinden, nach
> welchen Kriterien und Mechanismen die Jugend von heute ihren
> Festplattenschrank zusammenstellt, mu=DF man sich das Verhalten der =
Nutzer
> etwas genauer anschauen. Dann k=F6nnte man zum Beispiel erkennen,
> da=DF es so etwas wie eine Sehnsucht nach Ordnung im kreativen Chaos
> der Tauschnetze gibt; da=DF die Neugier zunimmt und sich die Genres
> vermischen; da=DF sich das pers=F6nliche Musikwissen vertiefen l=E4=DFt =
wie nie
> zuvor, indem man die Privatsammlungen anderer Nutzer durchbl=E4ttert.
>=20
> Es ist eine Stelle frei, im un=FCberschaubaren Universum der digitalen
> Datenstr=F6me, wo alles verf=FCgbar ist, aber nichts verbindlich, und
> wollte man ein altes Wort f=FCr diese vakante Rolle verwenden, dann
> k=F6nnte es etwa "Label" hei=DFen. Wann w=E4re es n=F6tiger, Wertungen =
zu
> setzen, M=FCll auszusortieren und Hits zu finden, als in einer Zeit, in
> der t=E4glich an Tausenden von Schreibtischen Sounds produziert werden?
>=20
> Labels sind als Orientierungshilfe wichtiger als je zuvor, aber es
> m=FC=DFten schon differenziertere Beschreibungen auf den Etiketten
> stehen als "hot" oder "cool". Universalismus ist out. Da=DF die Fans
> die Musikst=FCcke besitzen wollen, auch wenn es sich nur um eine
> Computerdatei handelt, das liegt nat=FCrlich zum Teil am guten alten
> Fetischcharakter der Ware. Und obwohl Musiktauschb=F6rsen das Publikum
> im Prinzip von einer von K=FCnstlern oder eben oft auch Produzenten
> vorgegebenen Auswahl zusammengeh=F6render St=FCcke befreien, schalten
> sehr viele Nutzer den Rechner nicht aus, bevor sie nicht auch den
> langweiligsten Song eines One-Hit-Albums heruntergeladen haben.
>=20
> Zugleich jedoch entspringt der Wunsch, ein fremdes St=FCck
> zum eigenen zu machen, einem kreativen Verlangen - mit dem
> Song zu machen, was man will, ihn zu verschieben und
> zu transferieren, zu bearbeiten und zu ver=E4ndern.
>=20
> Dabei macht es richtig Arbeit, sich ein ganzes Album aus
> dem Netz herunterzuladen. Aber die Kids sind Workaholics.
> "Mit der Digitalisierung hat sich Musik von einem
> Substantiv zu einem Verb entwickelt", hat Kevin Kelly,
> Editor-at-large des Magazins "Wired", einmal geschrieben.
> Die Verh=E4ltnisse beginnen zu tanzen.
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