[rohrpost] reine kunst?

Matthias Weiß mkazz at t-online.de
Mit Aug 4 19:32:16 CEST 2004


Moin Liste, hi Iris,

> Immerhin ist er Kurator einer nicht unwichtigen Biennale. Jedenfalls halte
> ich seinen kuratorischen Ansatz für durchaus lesenswert.

Ich lese aus derartigen Hug&Trug-Texten - und die flattern einem ja 
zuhauf auf den Tisch - lediglich ein recht ungesundes Selbstbewusstsein 
in Richtung Selbstüberschätzung einer Gilde, die sich "Kurator" nennt. 
Also auch "Pfleger". Aber *was* pflegt denn schon ein Herr Hug (als pars 
pro toto) denn anderes, als seinen Ruf, der ihm durch die Institution 
"Festival" und eine gute Packung steuerbezahlten Bildungsbürgertums 
gegeben wurde (Quereinstiege sind aber besonders willkommen). Was macht 
er in seiner Arbeit anderes, als das kreiern von zahlungspflichtigen 
Großereignissen mit Resten aus der Arbeit von anderen Menschen, welche 
durch diverse Zuschreibungsverfahren das Gütesiegel "Kunst" aufgebrannt 
bekommen?

Ich finde, daß diese Markt-Struktur sehr gut zur Gegenwart paßt. Ich 
denke aber, daß man nun an einem Zeitpunkt ist - spätestens seit einigen 
völlig verhunzten Großnummern wie documenta XI oder die Berlin Biennalen 
(alle), an dem die Kuratorengilde ein wenig gelassener betrachtet und 
weniger hochtemperiert gehandelt werden sollte.

ZB: An manchen Orten strahlt die Macht der Kuratoren noch heller, denn 
sie verdrängt Ausstellungsmacher, die als Ressource vor Ort stehen. Ich 
hörte neulich aus der Provinz, dass eine der prominentesten Kuratorinnen 
unseres Landes für ein Thesenpapier (zu einer Ausstellung) 40000 Euren 
überwiesen bekommen hat. Und dann musste das Paper noch von den 
"Lohndrohnen" vor Ort korrigiert werden (sowohl was das Konzept als auch 
die Künstlerliste anging).

Also dieses Hintertreppenargument gegen die Gewichtigkeit vermeintlicher 
Kuratorenfehlleistungen soll nur zeigen, dass hier eine längst bemerkte 
Profiteuren-Gilde heran gewachsen ist, die über den Globus zieht und mit 
vermeintlicher Aura, die Kunstwerke ja vermeintlich nicht mehr besitzen, 
und mit hoher Ablösesumme, uns Wohlstandsscheißern die Kunst Nordpol bis 
zum Südpol (inkl. Inuit"kunst" etc) vor Augen führen.

Das ist doch nichts besonderes mehr. Nur weil einer nach der letzten Art 
Colonsch meint, er wäre cool, weil die Malerei das einzig Wahre sei ...

Also wenn sich die oberen 30 nicht mäßigen in ihrer Vermessenheit Kunst 
zu definieren, sollten wir an dieser Stelle nicht auch noch Zeit an 
ihren Sud aus ungegeorenem Pseudokunstverständnis verschwenden, sondern 
eher mal die Frage nach einer Alternative zum Kuratorenmodell in 
medienkünstlerischen Kontexten fragen.

Grüße
Matthias


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