[rohrpost] Medien Kunst Netz
Armin Medosch
armin at easynet.co.uk
Mon Jan 19 10:04:44 CET 2004
hallo matthias,
deine beiden reaktionen gehen ja am kern meiner kleinen polemik
vorbei. ich habe nie gesagt, dass es keine institutionen geben sollte.
auch wuerde ich nicht behaupten, dass kuenstler und
wissenschaftler die armen, ausgebeuteten sind. wer sich auf diesem
plateau bewegt, gehoert ohnehin zur elite des priviligierten,
ueberentwickelten westen. und zu einer detaillierten, substantiellen
kritik am zkm fehlt mir die motivation. ausserdem lebe ich nicht in
deutschland und weiss im detail gar nicht so gut bescheid, was da
vorgeht.
was mich generell interessieren wuerde, wie das mehr leser-
schreiberinnen auf dieser liste sehen, wie das insgesamt so mit der
'weiterentwicklung' (von 'fortschritt' will ich ja gar nicht reden) der
medien- und netzkunst ist? ich bin da ja nun doch schon ziemlich
lange dabei, bald 20 jahre (aechz) und einige probleme sind da mehr
oder weniger gleich geblieben.
mein eindruck ist, dass der ganze diskurs nach wie vor voellig in der
luft haengt und dass eigentlich niemand so genau weiss, wovon die
rede ist;
dass die beschaeftigung mit diesen dingen eine gewisse
spezialisierung erfordert, was wiederum dazu fuehrt, dass ausserhalb
dieser kleinen szene erst recht so niemand weiss, worum es geht;
dass leute, die nicht zum kreis der eingeweihten gehoeren, sich
verschaukelt fuehlen, wenn sie mal auf so eine veranstaltung gehen;
sie haben das gefuehl verladen zu werden, und koennen richtig sauer
reagieren;
dass die 'schnittstellen' zu den anderen gebieten, mit denen
medien/netzkunst zu tun hat, also kunst und informations- und
kommunikationstechnologien, aber auch entertainment und soziale
bewegungen, nicht sauber definiert sind; was wiederum zur folge hat,
dass z.B. die kunstszene das mit der medien-netz-kunst gar nicht
geladen kriegt (mit dreissig jahren verspaetung haben sie langsam
die videokunst entdeckt);
dass die politische oekonomie als internes ebenso wie als
aussenverhaeltnis der medien- und netzkunst zu wenig und vor allem
nicht selbstkritisch genug reflektiert wird; dazu gab und gibt es zwar
in intervallen immer wieder ansaetze auf nettime, aber das
uebersetzt sich kaum in den deutschsprachigen raum hinein, womit
also eine spezifische reflexion auf lokaler ebene unterbleibt;
was wiederum zur folge hat, dass platzhirschen wiehern und
amtsschimmel roehren (oder so irgendwie) und
diskussionsanstoesse auf eine persoenliche ebene abgleiten;
dass der diskursive stillstand an zentralen punkten zur folge hat,
dass die politik und aesthetik des informationszeitalters aus der
sicht des kunst- und medienmainstreams ein marginales thema sind,
obwohl wir doch alle wissen, dass diese themen fuer die gesellschaft
insgesamt von grosser relevanz sind.
dazu kann man sich dann also fragen stellen wie die, warum wichtige
anstoesse zur entwicklung in den letzten zehn jahren nicht aus der
medien-netz-kunst kamen, sondern aus der programmierer-hacker-
szene und einer informellen, politisch bewegten netzkultur, fuer die
beide jedoch medien-netz-kunst mehr oder weniger ein rotes tuch
sind.
und bei sovielen fragen muss es doch einfach auffallen, dass
institutionen, welche ueber die mittel verfuegen, hierzu schon laengst
einen beitrag haetten leisten koennen, aber scheinbar nicht willens
oder in der lage sind, womit wir z.B. wieder bei besagten luxus-
katalog- und buchreihen waeren.
ich moechte das jetzt nicht zu lange werden lassen, aber als eine art
'disclaimer' hinzufuegen, dass ich das nicht als allgemeines
gejammere verstanden moechte wissen, dass es auf individueller
ebene viele interessante projekte und produzentinnen in .DE gibt, die
tendenz jedoch zu sein scheint, dass jede/r wieder eher im eigenen
schrebergarten zugange ist und das wurzelwerk biologisch
organischer mediennetzkunstwerke im kleinen kreise zuechtet als
sich da irgendwo allzusehr hinauszulehnen, denn schlieslich koennte
man ja einen job versaeumen oder eine einladung zu einem vortrag
oder ausstellung und das allgemeine wirtschaftliche klima ist
vergleichsweise harsch, nicht wahr?
mit besten gruessen
armin
On 19 Jan 04, at 7:11, Matthias Weiß wrote:
> zur veranstaltung selbst kann ich mich dem geschriebenen von florian nur
> anschließen.
>
> zum "problem" medienkunst und zkm:
>
> ich stelle mir nun die frage, ob es überhaupt so ein breitenwirksames
> interesse an kunst mit technischen apparaturen gegeben hätte - und dies
> meine ich trotz mickriger ausstellungsbesucherzahlen (vision.ruhr zb.).
>
> im übrigen frage ich mich auch, ob es nicht generell ein problem der
> apparate-kunst ist, dass man zunächst eine teure materialschlacht
> veranstaltet, welche die frage nach einer demokratischen verteilung der
> mittel sogleich verhindert. und erst nach jahren mehr oder weniger
> erfolgreichen agierens aufgrund wirtschaflticher zwänge kleinere
> brötchen zu backen sind.
>
> man könnte ja mal schauen, was piene am cavs verbrannt hat, wieviele der
> dortigen studierenden bis heute noch aktiv sind.
>
> wäre es wirklich interessant, wenn man erführe, welche
> ausbeutungsstrategien gegenüber künstlern und wissenschaftlern im
> dienste solcher institute gefahren werden? dass allerdings
> institutionelle auswahlen niemals alle berücksichtigen, ist ein
> gemeinplatz. dass hochschulen in dtl. die demokratie nicht erfunden
> haben, ist wohl auch jedem klar, der hierzulande mal studiert hat.
>
> was wird also eingefordert, wenn armin den karlsruhern einen auf den
> deckel gibt? die struktur eines "medien"zentrums, das kunst ausspuckt,
> weil dort künstler sind, die kunst mit apparaten vermitteln will, weil
> es eine museale pulverfabrik ist usw.?
>
> man könnte sich auch mal vorstellungsweise ersinnen, was wäre, wenn es
> das zkm in seiner form nie gegeben hätte (schließen wir alle anderen mit
> ein, vielleicht nicht unbedingt montevideo, sondern staatliche, museale,
> hochschulartige institutionen).
>
> lg
> matthias
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