[rohrpost] Eigenzeiten in Zürich
sven
sven at khm.de
Die Jan 27 19:54:20 CET 2004
(weitergeleitet von sven)
Die Armbanduhren sind Handschellen, die tun den leichtmetallenen,
stählernen oder goldenen Griff ums Handgelenk, und ihre
Zwillingsschwestern sitzen in Bahnhöfen, Banken, Bibliotheken und
Bunkern, woran, worein und worin man auf diese Weise gefesselt und
gebunden bzw. versessen und geschunden ist. - Die Weckeuhr dagegen ist
nur eine kleine Scheibe vom gestürzten grossen Glockenturm, diesem
Zeigefinger der Geschichte, und diese Geschichte kann man beim
nächtlichen Aufwachen aus bösen Träumen laut und lieblich, im Wecker
tickend, zerbröckeln hören, auf drei schiefen Beinen. Dieter Roth
„Eigenzeiten“
Digitaler Salon SNM
Donnerstag, den 29.1. 19.00-21.00h
Freitag, den 30.1. 10.00-16.00h
Im Studienbereich Neue Medien
Sihlquail 131, 2.Stock Raum 2.3.
CH-8031 Zürich
Tel. ++41 43 446 31 62
„Eigenzeiten - Ein Symposion zum Verhältnis von Wissenschaftsgeschichte
und Kunst“ mit Beiträgen von Oliver Hochadel, Henning Schmidgen und
Nils Röller
Das Symposion Eigenzeiten stellt drei Ansätze vor, das Verhältnis von
Wissenschaft und Kunst in historischen Darstellungen zu untersuchen und
in Diskussionen für die Theorie des künstlerischen Umgangs mit
Computern und Netzen fruchtbar werden zu lassen.
„Seit den Arbeiten Jakob von Uexkülls ist bekannt, daß jedes Lebewesen
eine "Eigenzeit" hat, die abhängig vom inneren Rhythmus des
Zentralnervensystems ist… In Verhaltensgefügen, in denen mehrere Arten
von Lebewesen zusammenkommen, geht es daher stets um Zeitprobleme, d.
h. um mehr oder weniger problematische Abstimmungen unterschiedlicher
Eigenzeiten: Wespe und Orchidee, Zecke und Hund. Diese Verhältnisse
komplizieren sich, wenn technische Wesen in das Verhaltensgefüge
integriert sind“, so der Berliner Wissenschafthistoriker Henning
Schmidgen, der in einem Vortrag Experimente und Laboratorien zur
Reiz-Reaktionszeit in ihrer Wechselwirkung mit der Ästhetik untersucht.
Mit der „Öffentlichen Wissenschaft“ stellt Oliver Hochadel (Wien)
Elektrisierer vor, die im 18. Jahrhundert an der Schwelle zwischen
Wissenschaft und Spektakel operierten und die Bedingungen für die
breite Anerkennung der Naturwissenschaften präparierten. Den
Elektrisierern des 18. Jahrhunderts gelang es, die höfische
Öffentlichkeit von der Unentbehrlichkeit ihrer Forschung für das
Gemeinwesen zu überzeugen und so ihren eigenen Unterhalt in einer
gesellschaftlichen Perspektive zu sichern.
Als Ausgeschlossener, der nicht auf elektronische Rechenanlagen
zugreifen kann, veröffentlicht der Künstler Dieter Roth 1974 gleichwohl
einen Beitrag zum Forschungsmemorandum „Automatenstudien“, das sich mit
den Möglichkeiten dieser Rechenanlagen abstrakt beschäftigt. Aspekte
Roths medialer Strategien werden von Nils Röller (Köln/Zürich) vor dem
Hintergrund konkurrierender Raum- und Zeitbegriffe vorgestellt.
Zeitplan
29.1. 04 19.00h
Henning Schmidgen: "Die Donders-Maschine: Ein Kapitel
Wissenschaftsgeschichte mit Deleuze & Guattari"
30.1. 04 10.00h
Oliver Hochadel: Die Fusstruppen der Aufklärung. Herumreisende
Elektrisierer im 18. Jahrhundert
12.00h
Nils Röller: Stockungen: Dieter Roths mediale Strategien
14.00h
Panel: Kunst und Forschung