[rohrpost] (kein Betreff)

leopold blum onomastik at braan.org
Sam Jun 19 23:25:01 CEST 2004



Bis vor einem Jahrtausend konnten unter Verweis auf reale Phänomene 
Debatten über den Zusammenhang von Subkultur und Dissidenz, 
Verweigerung, Systemkritik geführt werden, ohne allzu absurd zu 
erscheinen. Mehr und mehr diffundieren aber seitdem 
widerwärtig-reaktionäre Elemente in die als heile Welt gedachte 
Netzkultur. Der postmoderne Differenzkapitalismus löst ständig 
Identitäten aus und setzt sie zusammen. Symbole und Codes sind die 
Foltern, auf denen diese Identitäten produziert werden und sich selber 
ständig neu generieren. Da das flexibilisierte Subjekt die Kraft der 
Negation einbüßt, gewinnen Kategorien wie Distanz etc. neue 
Bedeutungsrahmen. Eine Trennung von Netzkultur und Mainstream ist unter 
den Aspekten der strittigen Verwohlfeilerung der Distinktionsmittel 
kaum mehr aufrechtzuerhalten. Sie löst sich hin zu einer Transparenz  
von Mainstream und sich subkulturell inszenierender Milieus auf. 
Mittels der Waren, immer schon Teil der Netzkultur, werden dissidente 
Milieus marktförmig zugerichtet, ihre Codes enteignet und gegen sie 
gewendet. Ausgehend vom Verhältnis Krise und Nationalismus lassen sich 
die institutionalen Identitätsfindungsdebatten bearbeiten, die in einen 
gesamtgesellschaftlichen Diskurs eingebettet sind.  Hierbei ist erstens 
die Konstituierung einer flexibilisierten Subversion, sowie postmoderne 
Vergemeinschaftungspraktiken in einem globalisierten Netz entscheidend, 
und zweitens die Veränderung kultureller Praxis hin zu einem 
transzendenzialen totalitären Multimedia-Eventionalismus. Zentral 
stellt sich hierin die Frage,  inwieweit die neue deutsche Welle auf 
andere Debatten dieser Art zu beziehen ist und welche Rolle den 
subalternen netzkulturellen Milieus beizumessen ist, in denen sich die 
ProtagonistInnen selbst verorten. Denn: KünstlerInnen verarbeiten in 
ihren Texten, sofern es sich nicht um übergeordnete Kategorien wie die 
Rohrpost etc. handelt, die jeweiligen Debatten der Milieus oder Szenen, 
in denen sie sich selbst orten. Daher ist besonders auf die Rezeption 
der Linken in ihren Medien zu achten, in denen sich abgearbeitet wurde. 
Es stellt sich dann die Frage ob der Lifestyle-Kulturalismus lediglich 
eine Strategie innerhalb veränderter Kulturindustrien darstellt, oder 
vermischt er sich mit gesamtgesellschaftlichen Diskursen zu einem 
deutlichen Bewußtseinsloop.


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