[rohrpost] Malmoe ueber Open Source und die Grenzen der
Offenheit
Matze Schmidt
matze.schmidt at n0name.de
Mit Jun 30 01:34:51 CEST 2004
Florian Cramer schrieb:
> Da ich an der WOS [..]
> mitgewirkt habe, kriegt Du entschiedenen Widerspruch
> zumindest von mir als Nichtgrünem.
haha, das wollte ich dir ja auch wenigerund mitnichten unterstellen, als
andeuten, dasz die WOS, nicht nur als konferenz, sondern basal im ansatz
"gruen" 'ist'. gruen als politisches signum ist ja kein einfaches
merkma, das sich an accessoires festmachen liesze, sondern ein
positionen-symbol, das ich hier denunzierend verwendet habe.
> Mir sind keinerlei personelle oder institutionelle Verbindungen zwischen
> Grünen und Berliner Netzkulturprojekten bekannt, übrigens auch keine
> WOS-Mitorganisatoren mit grüner Parteiaffiliation.
das ist nicht der punkt. personell schlage ich die wenigen namen, die
ich mit der WOS in verbindung bringen kann, nicht den gruenen parteilich
zu, jedoch tendenziell der programmatik der gruenen. wenn diese sich der
frage nach dem privateigentum auf der ebene der regulierung des
copyrights naehern wie es die WOS tut, hat das nichts mit der folie der
partei zu tun. nennen wir es doch "ideologische naehe". reguliert ein
minisystem wie die lobbyisten, genannt die partei "Gruene, die (c)-frage
mit, dann kann sie ja nicht anders, als dies auf der administrativen
ebene zu tun. die naehe bzw. analogie zu dieser strategie werfe ich der
WOS nicht vor, wie ichs moeglichst unmoralisierend versuche. diese naehe
ist einfach abzulesen an der programmatik der konferenz 'selbst', so
heterogen sie auch gestrickt sein mochte.
> Halt, bitte differenzieren. Dies war keine Forderung _der_ WOS, sondern
> eine Forderung, die _auf der_ WOS von einzelnen Teilnehmern aufgestellt
> wurde.
gut, gesetzt mal eine konferenz wie diese als plattform, war von
vornherein klar, dasz der launch der deutschen CC, zum programm
gehoeren wuerde. die flatrate-forderung erscheint dann nur noch wie eine
logische folge davon, eine fantasierte re-de-regulierung der maerkte in
kampagnen-richtung an den legalitaets-diskurs (der wahrscheinl. noch nicht
mal einer ist, sondern bloszes agit-prop) um die copy-lizenzen
anzupassen. die konferenz wurde, nicht nur in der Frankfurter
Rundschau etwa, also leicht als temporaere richtungszentrale einer
akademisch geschuetzten bewegung identifizierbar.
> Die EFF ist aber nicht grün, sondern steht - wie auch die Free Software
> Foundation - in der politischen Tradition und in Kontinuität der
> amerikanischen Bürgerrechtsbewegungen, die man in den USA zu recht
> "liberal" nennt.
genau das, die buergerbewegte elite (in lumpen oder mit gehalt), ist
europaeisch "gruen".
>> uebrigens glaube ich - mal gegen den mythos der heroischen
>> plunderphonics - dasz es beispielsweise beim Grey Album egal ist, ob es
>> illegal oder legal zustande kam. bei einem daimler (der mit seinen
>> embedded steuerchips so wie jede software/hardware-technik ja
>> mittlerweile 'digital' zu nennen waere), dessen verkaeufer das gesamte
>> know how seiner arbeiter ausschlachtet, fragt auch niemand ob er
>> legal zustande kam.
> Es scheint mir, Du vermengst die Begriffe "legal" und "legitim". Die
> Ausschlachtung des Know-hows ist sehr wahrscheinlich vertrags- und
> arbeitsrechtlich legal. So dumm, sich hier juristisch angreifbar zu
> machen, wird Daimler-Chrysler nicht sein. Du erachtest dies jedoch als
> nicht legitim. Ein Grey Album zu mixen und öffentlich zu verbreiten,
> hält kaum jemand für illegitim, es ist aber nach der derzeitigen
> Rechtslage nicht legal.
nein nein, ich habe legal/illegal und nicht legitim/illegitim gemeint.
legitimiert waren die beatles auch nicht, sie haben sich einfach
hochproduzieren lassen (mit ein wenig kapitalvorschuss im vorfeld und
dann mit gewinn als klein-unternehmer, die uebrigens aehnlich der
New-Economy als zunaechst kleine avantgardistische gruppe dann eine
ganze industrie mitzogen, inklusive verspekulation ... eine andere
geschichte).
wird nach der illegalitaet eines Remix wie dem Grey Album gefragt,
spricht jeder urheber-rechtler das dem produkt zu ... klar. in meinem
zunaechst a-logischen vergleich mit dem legalen produkt daimler wird
aber die seite angerissen, welche den streit um die juridischen
eckpunkte der produktion einer ware fragwuerdig erscheinen lassen. das
grey album ist ja (im idealfall) keine ware mehr, sondern nur deshalb
juristisch sanktionswuedig, weil es (wohl nicht wie senor coconut?)
gestohlenes material benutzt (prinzip rhymin' and stealin'), weil es
immaterielle ware ohne zinsabgabe beim erstbesitzer der ware beinhaltet.
ich rede also deshalb gerade nicht von legitim/illegitim, um die besitz-moral
zu verlassen. die ware arbeit, die im daimler 'steckt' ist legal vom
arbeiter abgekauft. legal, weil die unbezahlte mehrarbeit des arbeiters am
produkt digitales auto per gesetz geschuetzt wird. wir fragen also nicht
nach der legalitaet der autoproduktion. warum fragen wir aber danach
beim symbolischen akt des Grey Album? darauf will ich mit dem kleinen
paradox, dasz es beim Grey Album egal ist, ob es illegal oder legal
zustande kam. bei einem daimler fragt auch niemand ob er legal zustande
kam hinaus. wenn (und ich kenne hartmut winklers buch _Diskursoekonomie_
noch nicht) die cc-lizenzfrage die produktionsseite der ware in den
blick nimmt, fehlt bisher in den debatten (correct me if i'm wrong) die
frage nach der mehrwertproduktion, die - wie mir scheint - sehr schoen
von den regulationstheoremen/-modellen (CC, Online-VG, Projektion eines
User'gerechten' Downloadmarkts) verstellt wird. der verdacht, und
darum dreht es sich, lautet kurz skizziert: sie wird verdeckt, weil sich
so leicht eine annaeherung an irgendwelche mehrheiten finden laesst, die
meinen, verschaerfte konkurrenzbedingungen der produzenten per
individueller lizenz-selbstverwaltung einfuehren zu muessen. letztlich
eine Ich-AG propaganda 'von unten' (cheerleader tragen zuweilen mehr
verletzungen davon als spieler).
zitat sabine nuss: "Die alte buergerliche Eigentums- und Rechtsordnung
steht jedoch mit einem "freie" Datenfluss alleine nicht zur
Disposition."* und, so laesst sich ergaenzen, mit einem pauschalisierten
verinfachtem modell des (wohlgemerkt regulierten!) kopierens schon erst
recht nicht. das regulierte kopieren, das die verwilderten
download-refugien (wann wird soulseek dran glauben muessen?)
zivilisiert, faehrt mit der strategie des interessensaugleichs - lade es
dir runter, verkaufs aber bitte nicht, oder nur so, dasz ichs nicht
merke, sonst musz ich dich belangen - einen laecherlichen reformkurs
zugunsten des prinzips neuer scheinselbststaendigkeit und
pseudoabsicherung. aehnliches wird von gewerkschaften international in
allen dienstleistungs- und industriesektoren versucht.
ein viel genauerer, wirklich analytischer vergleich (es ist spaet, ein
beck's ist schon alle) als hier von mir waere noch zu suchen.
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* Sabine Nuss. "Download ist Diebstahl?: Eigentum in einer digitalen
Welt". in: PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft. Heft 126,
32. Jg., 2002, Nr. 1
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