[rohrpost] Malmoe ueber Open Source und die Grenzen der Offenheit

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Mit Jun 30 22:04:08 CEST 2004


Matze Schmidt wrote:

> leider falsch. ich hatte mehrmals praezisiert, dasz es bei 'gruen' (in
> _Das fuenfte Element_ ist "gruen" das wort fuer unser "cool") um positionen und
> produktion von gesellschaftmodellierung geht und eben nicht um
> personelle verflechtungen. das ist etwas anderes als das sogenannte
> faktische. diese diagnose ist weder legendenbildung noch spinnert, es liegt
> ideologisch klar in den texten und im style von z.b. der WOS begraben.

Was wäre denn die Alternative zu "Grün"? Schwarz? rot? blau?
Der Punkt ist: Wenn man nichts gegen "grün" hat, erübrigt sich eine 
verkrampfte Abgrenzung. Grün war für mich früher immer die klientel, die 
den Computer verbannen möchte und über Technikfolgen diskutiert. Heute 
sehen wir ein Interesse der Grünen an der Netzkultur, von der die Grünen 
begeistert sind. es handelt sich immerhin um eine zivilgesellschaftliche 
Bürgerbewegung der Zeit, die neuen Fragen anspricht, und über 
strukturelle fragen muss heute die poltik entscheiden, da werden die 
Weichen gestellt. Daher habe ich lieber Grüne, die sich der positionen 
bemächtigen als eine desinteressierte Politik, die den Karren in den 
Dreck fährt und strukturelle Probleme schafft. Das Desinteresse ist eher 
das Problem aus meiner Sicht. Die cyberlibertäre Haltung ist gefährlich, 
denn sie ignoriert die reale Gestaltungsmacht etablierter Politik, sie 
prangert sie nur an.

>>Das ist etwa so, als wenn Fernsehsender wie RTL und SAT.1 sich
>>u.a. wegen der Verbreitung digitaler Videorecorder mit Timeshifting nicht
>>mehr durch Werbespots finanzieren könnten. Meine Position wäre schlicht:
>>Pech gehabt, dann müssen sie sich entweder neu erfinden oder den Weg
>>anderer obsolet gewordener Medien (wie z.B. Kino-Wochenschauen) in die
>>historische Versenkung gehen.

Sehe ich auch so. Andererseits gibt es eine emotionale bindung an 
Kulturmedien, die sich etwa in der staatlichen subventionierung von Oper 
und anderen musikalischen Relikten des 19 Jh. zeigt. Da wird dann gerne 
argumentiert mit externen Effekten ( die Leute kaufen ein etc.), 
nationalem Prestige, Konservation von Kultur und Bildungseffekten. In 
der Musikhochkultur und -pädagogik mit ihren Minderwertigkeitskomplexen 
etwa die unwissenschaftliche Behauptung von Effekten auf andere 
anerkanntere Bildungsziele (musik statt Gewalt, musik fördert 
mathematisches verständnis usw.).

In der tat kann man sich ja fragen, welchen Sinn staatliche 
kulturförderung hat.

  Daß diese Sender, solange sie noch mächtig
>>wären, mit allen Mitteln das Verbot digitaler Videorecorder fordern
>>würden, wäre nur logisch - und geschieht sogar real derzeit in den USA.
>>Es wäre jedoch meiner Meinung nach unklug, sich davon bange machen zu
>>lassen und, nur um Schlimmeres zu verhindern, vorzuschlagen, die
>>Rundfunkgebühren zu erhöhen und die privaten Sender an den
>>öffentlich-rechtlichen Gebührentopf anzuschließen.

In einem Lobbykontext ist es immer notwendig Alternativen aufzuzeigen.

> d'accord, nur mit der lesart, dasz es ohnehin nicht in der hand
> oppositioneller berater - auf dem podium ihre haende und skripte hinter
> einem sichschutz versteckend - liegt, das mit zu entscheiden. 

Es ist eine öffentliche Frage und wird derzeit eher in den Hinterzimmern 
der Politik beraten. Die Verunglimpfung von Lobbying in allen Ehren, 
Lobbying ist, womit die Industrie Erfolg hat.

das
> deutsche pendant zum PVR (Personal Video Recorder mit
> Werbeblockfuntkion, die ja nur ein einfaches vorspulen impliziert), die
> "Fernseh-Fee" mit TV-Werbeblocker wollte RTL blocken, was vom
> Bundegerichtshof abgewiesen wurde; und schon wird vom muendigen buerger
> gesprochen, der sich selbst vor werbung schuetzen koenne. dasz die
> margen der werbung auf der aufmerksamkeitsleistung der rezipienten
> beruhen wuerden, wird auch bei den late nite-shows im brd-tv als
> quoten-relation gesehen (keine quote = runter mit den preisen fuer die
> clips).


Late Night-Shows sind keine Cash-Cows, das machen die Sender nur zur 
Profilierung.

  nicht gesehen wird, dasz werbung so oder so, in diesem oder
> jenen massenmedium-verbund wirken wird. wo, ist fuer die funktion von
> werbung und ihren sich immer verschiebenden markt egal. werbung wird
> sich unter den gegebenen verhaeltnissen so oder so immer neu erfinden.
> wahrscheinlich laeuft via permanent-online handys sowieso bald mehr,
> als im klassischen fernsehen.

Der Markt für Werbung heisst nicht "Fernsehen", sondern "Aufmerksamkeit 
des Konsumenten des Produktes".

>>So soll das Modell primär Musik- und
>>Filmdateien abdecken, nicht z.B. proprietäre Software, als ob man solche
>>Differenzierungen digitaler Datenströme noch sinnvoll vornehmen könnte

Die Kritik proprietärer Software bezieht sich auf die Möglichkeiten der 
Kontrolle und das Marktversagen durch lock-in Effekte, das elektronische 
Hierarchien und Bereicherung institutionalisiert. Hier stehen die 
Externalitäten im Vordergrund, die besonderen Gütereigenschaften(gk->0; 
immateriell, Komplementäreffekte). Wenn man Software als Kulturmedium 
begreift, ist proprietäre Software in der Infrastruktur Quell von 
wirtschaftlicher und entwicklungsbezogener Ineffizienz. Musik und 
fildateien sind aber Medien, "keine Infrastruktur" wie Video-Codes und 
Musikplayer.

Aus Produzentensicht, so argumentiert etwa die FSF, erlaubt propritäre 
sw die Einschränkung deiner Fähigkeiten zu verändern, anzupassen, zu 
verbessern, zu partizipieren.

Aber in der Tat kann ein öffentliches Engagement auch im Bereich der 
Informationsinfrastruktur hergeleitet werden. Das dürfte sich jedoch 
sogar selbst finanzieren. vgl. Argumentation von James Love von cptech.


musik und Film sind content im eigentlichen sinne.

>>(und etwa ein generatives Musikstück oder eine DVD mit interaktiven
>>Elementen nicht auch als "Software" firmieren könnten). Wenn auch Texte
>>abgedeckt und somit Buch- und Zeitungsverlage kompensiert werden müssen,
>>kreiert man ein Gebühren- und Verteilungsfaß ohne Boden.

Gibt es doch schon heute. VG Wort.

> und ist nun dagegen zu argumentieren oder damit? soll steuergeld, das
> gerade im moment zu recht in hamburg (ueber 3 mill.) der filmfoerderung
> gestrichen wird, im ergebnis der "langfristigen bezahlung der kreativen"
> vermacht werden?

Wobei wir bei der GEMA-Kritik wären...

  geht es also ums management von verteilung? soll sich der
> downloadmarkt selbst regulieren? ... was alles verkuerzende antworten
> hervorrufen wuerde ...

Ja. In der Tat.

  kurz: die regulierung von maerkten geht an den
> wirklichen bewegungen vorbei, siehe iTunes, dessen massenerfolg in den
> usa von "den kreativen" wohl nicht mehr einzuholen sein wird.
> interessant waere hier eine verknuepfung der diskussionen um
> buergerschutz/lizenzen mit den modellen der sog. Alternativen Oekonomie.

iTunes ist ein Hype, ob der profitabel sein wird, sei dahingestellt. Das 
ist rein reaktiv. Napster usw. war der Effekt, alles andere ist Reaktion.

Die medienkonzerne haben es verschlafen auf die Möglichkeiten der neuen 
Techniken zu reagieren und nicht funktionierende Geschäftsmodelle 
aufgebaut. Letzten Endes ist die Musikindustrie in der Defensive, und da 
wird mit aller Macht versucht den Strukturwandel aufzuhalten. Repression 
gegen die Verkehrsitte mit dem Gesetzgeber und DRM ist ein solches 
Beispiel für die Ideen des Lobbyings, die von der Politik aufgenommen 
werden, vom Konsumenten ohne Zwang aber nicht mehr angenommen werden. 
DRM bedeutet die faktische Aufgabe der Verfügungsgewalt über die eigene 
Technik.

Für mich interessiert die Industrie nicht, wichtig ist der Konsument und 
der Produzent(Kreative). Wenn die Kulturindustrie bergab geht und ihre 
Produkte, ist das mir egal. Musik wird es auch weiterhin geben.

Derzeit erleben wir
* Radio wird uniformiert
* Musikindustrie durch neue Medien zerstört

... ohne dass die Leute weniger Musik hören oder ein kleineres Angebot 
hätten.

Und nun kommen die Kreativen... wie schaffen wir Vergütungssysteme, die 
sie, nicht ihre Intermediäre stärken. Da kann man auch Schnapsideen in 
die Diskussion werfen um Gegenpole zu schaffen.

"Alternative ökonomie" verstehe ich nicht.