[rohrpost] Radikale Maschinen
Matteo Pasquinelli
matteopasquinelli at gmx.it
Don Mar 11 19:33:02 CET 2004
[ german translation published by republicart.net:
http://republicart.net/disc/empire/pasquinelli01_de.htm ]
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Matteo Pasquinelli
Radikale Maschinen gegen das Techno-Empire.
Von der Utopie zum Netzwerk
Jeder von uns ist eine Maschine des Realen,
jeder von uns ist eine konstruktive Maschine.
Toni Negri
Technische Maschinen funktionieren nur, wenn sie nicht
kaputt sind. Im Gegensatz dazu gehen Wunschmaschinen
dauernd kaputt, während sie laufen, und tatsächlich laufen
sie
nur dann, wenn sie nicht ordentlich funktionieren. Die Kunst
macht sich diese Eigenschaft häufig zunutze, indem sie echte
Gruppenphantasien produziert, in denen die Wunschproduktion
dazu benutzt wird, die soziale Produktion kurzzuschließen und
in die reproduktive Funktion der technischen Maschinen durch
die Einführung eines Elements der Störung einzugreifen.
Gilles Deleuze, Felix Guattari, Anti-Ödipus
Was ist Wissensaustausch? Wie funktioniert die Wissensökonomie? Wo ist
der General Intellect[1] am Werke? Nehmen wir zum Beispiel den
Zigarettenautomaten. Die Maschine, die wir sehen, ist die Verkörperung
eines naturwissenschaftlichen Wissens über Hard- und
Softwarekomponenten, Generationen von Ingenieurstechnik zur
kommerziellen Nutzung übereinandergeschichtet: Sie verwaltet
automatisch Geld- und Warenflüsse, ersetzt einen Menschen durch ein
nutzerfreundliches Interface, verteidigt Privateigentum, funktioniert
auf der Grundlage einer minimalen Kontroll- und Nachlieferungsroutine.
Wo ist der Tabakhändler geblieben? Manchmal genießt er die
dazugewonnene Freizeit. Manchmal hat ihn die Firma, der die
Vertriebskette gehört, ersetzt. An seiner Stelle trifft man oft den
Techniker an.
Weit davon entfernt, dem Marx´schen Fragment über Maschinen ein
Fragment über Zigarettenmaschinen nachzubilden, soll dieses unheilvolle
Beispiel zeigen, wie lebendig postfordistische Theorien um uns herum
sind, und dass von kollektiver Intelligenz gebaute, materielle oder
abstrakte Maschinen organisch an die Ströme der Ökonomie und an die
unserer Bedürfnisse angebunden sind.
Statt über einen General Intellect zu reden, sollten wir besser von
General Intellects im Plural sprechen. Kollektive Intelligenz nimmt
viele Formen an. Manche können zu totalitären Systemen werden, wie etwa
die militärisch-managerhafte Ideologie der Neocons[2] um George Bush
oder die des Microsoft-Empire. Andere können in sozialdemokratischen
Bürokratien verkörpert sein, im Apparat der Polizeikontrolle, der
Mathematik der BörsenspekulantInnen, der Architektur unserer Städte
(jeden Tag gehen wir durch/über Konkretionen kollektiver Intelligenz).
In den Dystopien von '2001: A Space Odyssey' und 'Matrix' entfaltet das
Maschinengehirn ein Bewusstsein seiner selbst bis zu dem Punkt, wo es
sich des Menschen entledigt. Dagegen produzieren 'gute' kollektive
Intelligenzen internationale Kooperationsnetzwerke wie etwa das
Netzwerk der globalen Bewegung, der prekären ArbeiterInnen, der
EntwicklerInnen von Free Software, des Medienaktivismus. Außerdem
produzieren sie den Wissensaustausch an den Universitäten, die offenen
Urheberrechte der Creative Commons, partizipative Stadtplanung,
Erzählungen und das Imaginäre der Befreiung.
Von einer geopolitischen Perspektive aus könnten wir uns in einer
Sci-Fi-Paranoia von Philip Dicks wiederfinden: Die Erde wird von einer
Intelligenz dominiert, doch innerhalb dieser Intelligenz entwickelt
sich ein Krieg zwischen zwei Organisationen des General Intellect,
einander entgegengesetzt und doch ineinander verwickelt.
Gewöhnt an die traditionellen Repräsentationsformen der globalen
Bewegung gelingt es uns nicht, die neuen produktiven Konflikte zu
begreifen. So besorgt, wie wir über den imperialen Krieg sind, erkennen
wir die Zentralität dieses Kampfes nicht. Mit Manuel Castells
definieren wir die Bewegung als eine Subjektivität des Widerstands, die
es nicht schafft, eine Subjektivität des Projekts zu werden. Die
Entfernung zwischen der globalen Bewegung und dem Zentrum
kapitalistischer Produktion ist uns nicht bewusst. Eine Formulierung
von Paolo Virno paraphrasierend sagen wir, dass neue Produktionsweisen
schon jetzt zu viel Politik beinhalten, als dass die Politik der
Bewegung noch irgendeine Form von autonomer Würde genießen könnte.[3]
Die Ereignisse von 1977 (nicht nur in Italien, denken wir auch an die
Blütezeit des Punk) haben das Ende des 'revolutionären' Paradigmas und
gleichzeitig den Beginn des Paradigmas der Bewegung bestätigt. Neue
Konflikträume im Bereich der Kommunikation, der Medien und der
Produktion des Imaginären wurden eröffnet. Heute erkennen wir, dass die
'Bewegung' als Format überwunden werden muss - wahrscheinlich zugunsten
des Formats des Netzwerks .
Drei Formen des Handelns, im 19. Jahrhundert noch klar voneinander
getrennt - Arbeit, Politik und Kunst -, sind nun in einer einzigen
Haltung integriert und stehen im Zentrum jedes produktiven Prozesses.
Um zu arbeiten, Politik zu treiben oder das Imaginäre zu produzieren,
braucht man heute hybride Fähigkeiten. Das bedeutet, dass wir alle
ArbeiterInnen-KünstlerInnen-AktivistInnen sind, aber es bedeutet auch,
dass die Figuren von Militanten und KünstlerInnen überwunden sind und
dass solche Fähigkeiten sich nur in einem gemeinsamen Raum formieren -
und dieser Raum ist der Wirkungsbereich des kollektiven Intellekts.
Seit Marxens Grundrissen ist der General Intellect zum Ausgangspunkt
einer immer zahlreicher werdenden Begriffsfamile geworden, die eine
große Bandbreite von Gegenständen abdeckt: Wissensbasierte Ökonomie,
Informationsgesellschaft, kognitiver Kapitalismus, immaterielle Arbeit,
kollektive Intelligenz, kreative Klasse, Kognitariat, Wissensaustausch,
Postfordismus. In den letzen paar Jahren ist das politische Lexikon
reich geworden an ineinander verwobenen kritischen Werkzeugen. Wir
drehen sie in unseren Händen herum und fragen uns, worin genau wohl ihr
Nutzen besteht. Der Einfachheit halber haben wir nur solche Begriffe
zur Kenntnis genommen, die einen aufklärerischen, spekulativen,
engelshaften und fast neognostischen Ansatz geerbt haben. Aber die
Wirklichkeit ist sehr viel komplexer, und wir warten auf neue Formen,
die für sich diejenige Rolle beanspruchen können, die im selben Feld
dem Begehren, dem Körper, der Ästhetik, der Biopolitik zustehen.
Wir erinnern uns auch an die Auseinandersetzung um kognitive versus
prekäre ArbeiterInnen, zwei Seiten der gleichen Medaille, die die
Pre-Cogs[4] von Chainworkers.org folgendermaßen beschreiben:
"Kognitive ArbeiterInnen sind NetzwerkerInnen, prekäre ArbeiterInnen
werden vernetzt, erstere sind 'Brainworkers', letztere 'Chainworkers':
Erstere wurden erst von den Firmen und Finanzmärkten verführt, dann
fallengelassen, letztere wurden in die globalen Kapitalströme
hineingezogen und von ihnen flexibel gemacht".[5]
Der Punkt ist, dass wir nach einem neuen kollektiven Akteur suchen, und
nach einem neuen Ansatzpunkt für den angerosteten revolutionären Hebel.
Der Erfolg des Konzepts der Multitude spiegelt gleichzeitig den
gegenwärtigen Orientierungsverlust wider. Kritisches Denken drängt
beständig darauf hin, den neuen kollektiven Akteur zu finden, der den
Zeitgeist verkörpern könnte. In einem Rückgriff auf die Geschichte
können wir die Formen rekonstruieren, die jedem Paradigma politischer
Aktion zugrunde liegen: Der mehr oder weniger kollektive soziale
Akteur, die mehr oder weniger vertikale Organisation, das mehr oder
weniger utopische Ziel. Proletariat und Multitude, Partei und Bewegung,
Revolution und Selbstorganisation.
Im aktuellen Imaginären scheint der kollektive Akteur der General
Intellect (oder wie immer es genannt werden soll) zu sein. Seine Form
ist das Netzwerk, sein Ziel die Schaffung einer Plattform von
Selbstorganisation, sein Handlungsfeld der biopolitische, spektakuläre,
kognitive Kapitalismus.
Wir reden hier nicht über die Multitude, weil dieses Konzept
gleichzeitig zu edel und zu aufgeblasen ist, Erbe von
jahrhundertelangem Philosophieren und allzu oft ausgerufen von den
Megaphonen in den Demonstrationszügen. Das Konzept der Multitude war
eher nützlich als ein Exorzismus gegen die identitären Täuschungen der
globalen Bewegung, denn als konstruktives Werkzeug. Die Pars Construens
wird eine Aufgabe für den General Intellect sein: Wenn Philosophen wie
Paolo Virno eine gemeinsame Basis finden müssen, den verlorenen
kollektiven Akteur, dann rekonstruieren sie die kollektive Intelligenz
und Kooperation als entstehende und konstitutive Eigenschaften der
Multitude.
In einer anderen paranoiden Fabel stellen wir uns vor, dass Technologie
die letzte Erbin einer Serie von kollektiven Subjekten sei, die die
Geschichte wie in einer russischen Matrioschka-Puppe hervorgebracht
hat: Religion - Theologie - Philosophie - Ideologie - Naturwissenschaft
- Technologie. Damit soll gesagt werden, dass die Geistesgeschichte in
Informations- und Intelligenztechnologien geschichtet ist, selbst wenn
wir nur die letzte Episode der Serie erinnern, d.h. das Netzwerk, das
die Träume der vorangegangenen politischen Generation verkörpert.
Wie sind wir auf all diese Fragen gekommen? Wir stehen an einem
Kulminationspunkt verschiedener historischer Plattformen: Dem Erbe der
historischen Avantgarde in der Synthese von Ästhetik und Politik; den
Kämpfen von '68 und '77, die neue Räume für Konflikte außerhalb der
Fabriken und innerhalb des Imaginären und der Kommunikation eröffnet
haben; der Hypertrophie der Gesellschaft des Spektakels und der
Ökonomie des Logo; der Transformation der fordistischen Lohnarbeit in
postfordistische autonome prekäre Arbeit; der Informationsrevolution
und der Entstehung des Internet, der Netzökonomie und der
Netzwerkgesellschaft. Die Utopie wurde zur Technologie. Die äußerste
Übung der Repräsentation, die zu molekularer Produktion wird.
Manche Leute nehmen den gegenwärtigen Moment als ein lebendiges
Welt-Netzwerk wahr, manche als unbestimmte Wolke, manche als eine neue
Form der Ausbeutung, manche als eine Gelegenheit. Heute erreicht die
Dichte ihre kritische Masse und formiert eine globale radikale Klasse,
da, wo sich die Plattformen von Aktivismus, Kommunikation, Kunst,
Netzwerktechnologien und unabhängiger Forschung kreuzen. Was bedeutet
es, gleichzeitig produktiv und planend zu sein, die bloße
Repräsentation von Konflikt und die repräsentativen Politikformen
aufzugeben?
Es gibt eine hegemoniale Metapher in der politischen
Auseinandersetzung, in Kunst, Philosophie, Medienkritik,
Netzwerkkultur: und das ist die Free Software. Sie wird uns am Ende
jeder Intervention zitiert, die das Problem des "Was tun?" anspricht
(aber auch in Artikeln über strategisches Marketing...). Gleichzeitig
kontaminiert ihre Zwillingsmetapher, die der Open Source alle Sparten:
Open Source Architektur, Open Source Literatur, Open Source Demokratie,
Open Source City...
Softwaren sind immaterielle Maschinen. Die Metapher der Free Software
ist aufgrund ihrer Immaterialität so einfach, dass sie es häufig nicht
schafft, mit der realen Welt in Widerspruch zu geraten. Obwohl wir
wissen, dass Free Software eine gute und richtige Sache ist, fragen wir
polemisch: Was wird sich ändern, wenn alle Computer der Welt unter Free
Software laufen? Der interessanteste Aspekt des Free Software Modells
ist das gewaltige, von ProgrammiererInnen auf globaler Ebene
geschaffene kooperative Netzwerk. Aber auf welche anderen konkreten
Beispiele können wir uns beziehen, wenn wir neue Aktionsformen in der
realen Welt vorschlagen, und nicht nur im Reich des Digitalen?
In den 70er Jahren haben Deleuze und Guattari intuitiv das Maschinelle
erfasst, eine Introjektion / Imitation der industriellen
Produktionsweise. Schließlich sprach ein hydraulischer Materialismus
über begehrende, revolutionäre, zölibatäre Kriegsmaschinen statt über
repräsentative oder ideologische.[6] Deleuze und Guattari haben die
Maschine aus der Fabrik herausgeholt. Nun ist es an uns, sie aus dem
Netzwerk herauszuholen und die Post-Internet-Generation zu imaginieren.
Kognitive Arbeit produziert alle möglichen Maschinen, nicht nur
Software: elektronische Maschinen, narrative Maschinen, Werbemaschinen,
Medienmaschinen, Handlungsmaschinen, psychische Maschinen, soziale
Maschinen, libidinöse Maschinen. Im 19. Jahrhundert bezog sich die
Definition von Maschine auf ein Gerät, das Energie transformiert. Im
20. Jahrhundert beginnt die Turing-Maschine - die Grundlage jedes
Computers - Information in Form von Sequenzen von 0 und 1 zu
interpretieren. Für Deleuze und Guattari hingegen produziert eine
Wunschmaschine Strömungen, schneidet sie zu und ordnet sie an, und
produziert pausenlos das Reale.
Heute verstehen wir unter Maschine die elementare Form des General
Intellect, jeden Knoten des Netzwerks der kollektiven Intelligenz,
jedes materielle und immaterielle Dispositiv, das die Ströme der
Ökonomie organisch mit denen unseres Begehrens verbindet.
Auf einer höheren Ebene kann das Netzwerk selbst als Mega-Maschine
gesehen werden, die andere Maschinen zusammenbaut. Negri und Hardt
schreiben in Empire: "Die Multitude benutzt Maschinen nicht nur zur
Produktion, sondern sie wird selbst maschinell, indem die
Produktionsmittel zunehmend in die Köpfe und Körper der Multitude
integriert werden. In diesem Zusammenhang meint Aneignung den freien
Zugang zu und die Kontrolle über Wissen, Information, Kommunikation und
Affekte, denn dies sind einige der primären Produktionsmittel der
biopolitischen Produktion. Dass diese produktiven Maschinen in die
Multitude integriert wurden, heißt noch lange nicht, dass die Multitude
sie kontrolliert, im Gegenteil, all das macht ihre Entfremdung umso
bösartiger und schädlicher. Das Recht auf Aneignung ist das Recht der
Multitude auf Selbstkontrolle und autonome Selbstproduktion".[7]
Anders gesagt: Im Postfordismus ist die Fabrik aus der Fabrik
herausgetreten, und die gesamte Gesellschaft ist zu einer Fabrik
geworden. Eine bereits maschinenhafte Multitude legt die Vermutung
nahe, dass die Umstülpung des aktuellen Produktionssystems auf eine
autonome Ebene in einem blitzartigen Coup möglich sein könnte, einfach
indem die Multitude vom Kommando des Kapitals abgekoppelt wird. Aber
dieser Vorgang ist nicht ganz so einfach in Begrifflichkeiten nach dem
traditionellen Motto der "Aneignung der Produktionsmittel" zu fassen.
Warum?
Während es richtig ist, dass heute das Gehirn das hauptsächliche
Arbeitsmittel ist, und dass ArbeiterInnen sich die Produktionsmittel
unmittelbar aneignen können, stimmt es auch, dass Kontrolle und
Ausbeutung in der Gesellschaft immateriell geworden sind, kognitiv,
vernetzt. Nicht nur der General Intellect der Multituden ist gewachsen,
sondern auch der General Intellect des Empire. Ausgerüstet mit ihren
Computern, können die ArbeiterInnen sich die Produktionsmittel
aneignen. Aber sobald sie die Nasen aus ihren Desktops herausstrecken,
sehen sie sich mit einem Godzilla konfrontiert, mit dem sie nicht
gerechnet hatten: Dem Godzilla des feindlichen General Intellect.
Soziale, staatliche und ökonomische Meta-Maschinen, an die die Menschen
wie Prothesen angekoppelt sind, sind von bewussten und unbewussten
Automatismen dominiert.
Meta-Maschinen werden von einer bestimmten Art kognitiver Arbeit
beherrscht, nämlich der administrativen, politischen, managerhaften
Arbeit, die Projekte durchführt, organisiert, und in gewaltigem Ausmaß
kontrolliert, einer Form von General Intellect, die wir uns nie hätten
vorstellen können, einem General Intellect, dessen "Fürst" eine Figur
ist, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Bühne betritt:
Der Manager.
Orwell zitierend, erinnert uns Bifo in seinem Essay "Il totalitarismo
tecno-manageriale da Burnham a Bush" daran, dass in unserer
postdemokratischen Welt (oder, wenn es euch lieber ist, im Empire) die
Manager das Kommando übernommen haben: "Der Kapitalismus verschwindet,
aber er wird nicht durch Sozialismus ersetzt. Was sich nun erhebt, ist
ein neuer Typus einer geplanten, zentralisierten Gesellschaft, die
weder kapitalistisch ist noch in irgendeinem anerkannten Sinn des
Wortes demokratisch. Die Herrscher dieser neuen Gesellschaft werden
diejenigen sein, die faktisch die Produktionsmittel kontrollieren, das
heißt leitende Geschäftsleute, TechnikerInnen, BürokratInnen und
SoldatInnen, von Burnham unter dem Begriff des Managers in einen Topf
geworfen. Diese Leute werden die alte kapitalistische Klasse
eliminieren, die Arbeiterklasse zerschlagen, und die Gesellschaft so
organisieren, dass jegliche Macht und jeder ökonomische Vorteil in
ihren eigenen Händen bleibt. Das Recht auf Privateigentum wird
abgeschafft werden, doch wird dafür kein Gemeineigentum etabliert
werden. Die neuen Managergesellschaften werden nicht aus einem
Flickenteppich von kleinen, unabhängigen Staaten bestehen, sondern aus
großen, um die wichtigsten industriellen Zentren in Europa, Asien und
Amerika gruppierten Superstaaten. Diese Superstaaten werden
untereinander um den Besitz der verbleibenden, noch nicht eroberten
Teile der Erde kämpfen, aber es wird ihnen voraussichtlich nicht
gelingen, einander vollständig zu besiegen. Jede von diesen
Gesellschaften wird streng hierarchisch sein, mit einer Aristokratie
des Talents an der Spitze und einer Masse von Halbsklaven am unteren
Ende."[8]
Wir haben eingangs zwei Intelligenzen erwähnt, die einander in der Welt
gegenüberstehen, und die Formen, in denen sie sich manifestieren. Die
Multitude funktioniert als Maschine, weil sie innerhalb eines Modells
existiert, einer sozialen Software, die zur Ausbeutung ihrer Energien
und Ideen gedacht ist. Die Techno-Manager (öffentlich, privat,
militärisch) sind diejenigen, die, bewusst oder nicht, solche Maschinen
planen und kontrollieren, Maschinen, die aus aneinandermontierten
Menschen bestehen. Der Traum des General Intellect gebirt Ungeheuer.
Verglichen mit dem alles durchdringenden neoliberalen Techno-Management
ist die Intelligenz der globalen Bewegung von geringer Bedeutung. Was
tun? Wir müssen virtuose revolutionäre radikale Maschinen entwickeln,
die wir an den Knotenpunkten des Netzwerks platzieren. Gleichzeitig
müssen wir mit dem General Intellect rechnen, der die imperialen
Meta-Maschinen verwaltet. Bevor wir damit beginnen, müssen wir uns über
die Dichte der 'Intelligenz' klarwerden, die sich in jeder Ware,
Organisation, Botschaft und jedem Medium, in jeder Maschine der
postmodernen Gesellschaft, verdichtet.
Don't hate the machine, be the machine. Wie können wir den Austausch
von Wissen, Werkzeugen und Räumen in neue radikale Maschinen
verwandeln, die über die aufgeblähte Free Software hinausgehen? Dies
ist die Herausforderung, die man einst 'Aneignung der
Produktionsmittel' nannte.
Wird es der globalen radikalen Klasse gelingen, soziale Maschinen zu
erfinden, die das Kapital herausfordern können, die als Plattformen der
Autonomie und Autopoiesis funktionieren? Radikale Maschinen, die in der
Lage sind, der techno-managerhaften Intelligenz und den imperialen
Meta-Maschinen, die um uns herum angetreten sind, die Stirn zu bieten?
Der Wettkampf Multitude gegen Empire wird zum Kampf der radikalen
Maschinen gegen die imperialen Techno-Monster. Wie beginnen wir den Bau
dieser Maschinen?
Übersetzung: Marion Hamm
[1] General Intellect - von Negri und Hardt unter Bezug auf Marx
verwendeter Begriff. Vgl. MEW, Band 42, S. 602. [A.d.Ü.]
[2] Neocons – kurz für Neoconservatives, negative Bezeichnung für
einen Kreis reformistischer US-amerikanischer Intellektueller um
Irving Kristol und Norman Podhoretz. [A.d.Ü.]
[3] Paolo Virno, A Grammar of the Multitude, Semiotext(e), New York
2003. Orig. ed. Grammatica della moltitudine, Derive Approdi, Roma
2002.
[4] Pre-Cogs - kurz für Precognitive Thinkers (Leute mit der
übersinnlichen Fähigkeit, die Zukunft vorherzusagen), übernommen aus
dem Spielberg-Film Minority Report. [A.d.Ü.]
[5] Chainworkers, Il precognitariato. L'europrecariato si è sollevato,
2003. Online im Internet 12.11.2003:
www.rekombinant.org/article.php?sid=2184. Vgl. auch
www.chainworkers.org und www.inventati.org/mailman/listinfo/precog
[6] Gilles Deleuze / Félix Guattari: Anti-Ödipus. Kapitalismus und
Schizophrenie. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1977. Orig ed.
L'anti-Oedipe, Les Éditions De Minuit, Paris 1972"
[7] Michael Hardt / Antonio Negri: Empire. Campus, Frankfurt/M 2003.
Orig ed. Empire, Harvard University Press, Cambridge MA 2000.
[8] George Orwell: Second Thoughts on James Burnham, 1946. Zitiert in
Franco "Bifo" Berardi: Il totalitarismo tecno-manageriale da Burnham a
Bush, 2004. Online im Internet 25.01.2004:
www.rekombinant.org/article.php?sid=2241.