[rohrpost] Radikale Maschinen

guido vff gbraun at vff.uni-frankfurt.de
Fre Mar 12 10:05:06 CET 2004


ich fänds spannend, wenn jemand mal über die hyperagierende 
allmaschinentheoriemaschinerie schreiben tät', als so ne art 
metamaschinenkopie.




Am 11.03.2004 um 19:33 schrieb Matteo Pasquinelli:

>
>
> [ german translation published by republicart.net: 
> http://republicart.net/disc/empire/pasquinelli01_de.htm ]
> [ english text + pdf: http://rekombinant.org/article.php?sid=2264 ]
>
>
> Matteo Pasquinelli
>
> Radikale Maschinen gegen das Techno-Empire.
> Von der Utopie zum Netzwerk
>  
>
>            Jeder von uns ist eine Maschine des Realen,
>            jeder von uns ist eine konstruktive Maschine.
>            Toni Negri
>
>            Technische Maschinen funktionieren nur, wenn sie nicht
>            kaputt sind. Im Gegensatz dazu gehen Wunschmaschinen
>            dauernd kaputt, während sie laufen, und tatsächlich laufen 
> sie
>            nur dann, wenn sie nicht ordentlich funktionieren. Die Kunst
>            macht sich diese Eigenschaft häufig zunutze, indem sie echte
>            Gruppenphantasien produziert, in denen die Wunschproduktion
>            dazu benutzt wird, die soziale Produktion kurzzuschließen 
> und
>            in die reproduktive Funktion der technischen Maschinen durch
>            die Einführung eines Elements der Störung einzugreifen.
>            Gilles Deleuze, Felix Guattari, Anti-Ödipus
>
>  
>
> Was ist Wissensaustausch? Wie funktioniert die Wissensökonomie? Wo ist 
> der General Intellect[1] am Werke? Nehmen wir zum Beispiel den 
> Zigarettenautomaten. Die Maschine, die wir sehen, ist die Verkörperung 
> eines naturwissenschaftlichen Wissens über Hard- und 
> Softwarekomponenten, Generationen von Ingenieurstechnik zur 
> kommerziellen Nutzung übereinandergeschichtet: Sie verwaltet 
> automatisch Geld- und Warenflüsse, ersetzt einen Menschen durch ein 
> nutzerfreundliches Interface, verteidigt Privateigentum, funktioniert 
> auf der Grundlage einer minimalen Kontroll- und Nachlieferungsroutine.
>
>  Wo ist der Tabakhändler geblieben? Manchmal genießt er die 
> dazugewonnene Freizeit. Manchmal hat ihn die Firma, der die 
> Vertriebskette gehört, ersetzt. An seiner Stelle trifft man oft den 
> Techniker an.
>
> Weit davon entfernt, dem Marx´schen Fragment über Maschinen ein 
> Fragment über Zigarettenmaschinen nachzubilden, soll dieses 
> unheilvolle Beispiel zeigen, wie lebendig postfordistische Theorien um 
> uns herum sind, und dass von kollektiver Intelligenz gebaute, 
> materielle oder abstrakte Maschinen organisch an die Ströme der 
> Ökonomie und an die unserer Bedürfnisse angebunden sind.
>
> Statt über einen General Intellect zu reden, sollten wir besser von 
> General Intellects im Plural sprechen. Kollektive Intelligenz nimmt 
> viele Formen an. Manche können zu totalitären Systemen werden, wie 
> etwa die militärisch-managerhafte Ideologie der Neocons[2] um George 
> Bush oder die des Microsoft-Empire. Andere können in 
> sozialdemokratischen Bürokratien verkörpert sein, im Apparat der 
> Polizeikontrolle, der Mathematik der BörsenspekulantInnen, der 
> Architektur unserer Städte (jeden Tag gehen wir durch/über 
> Konkretionen kollektiver Intelligenz).
>
> In den Dystopien von '2001: A Space Odyssey' und 'Matrix' entfaltet 
> das Maschinengehirn ein Bewusstsein seiner selbst bis zu dem Punkt, wo 
> es sich des Menschen entledigt. Dagegen produzieren 'gute' kollektive 
> Intelligenzen internationale Kooperationsnetzwerke wie etwa das 
> Netzwerk der globalen Bewegung, der prekären ArbeiterInnen, der 
> EntwicklerInnen von Free Software, des Medienaktivismus. Außerdem 
> produzieren sie den Wissensaustausch an den Universitäten, die offenen 
> Urheberrechte der Creative Commons, partizipative Stadtplanung, 
> Erzählungen und das Imaginäre der Befreiung.
>
> Von einer geopolitischen Perspektive aus könnten wir uns in einer 
> Sci-Fi-Paranoia von Philip Dicks wiederfinden: Die Erde wird von einer 
> Intelligenz dominiert, doch innerhalb dieser Intelligenz entwickelt 
> sich ein Krieg zwischen zwei Organisationen des General Intellect, 
> einander entgegengesetzt und doch ineinander verwickelt.
>
> Gewöhnt an die traditionellen Repräsentationsformen der globalen 
> Bewegung gelingt es uns nicht, die neuen produktiven Konflikte zu 
> begreifen. So besorgt, wie wir über den imperialen Krieg sind, 
> erkennen wir die Zentralität dieses Kampfes nicht. Mit Manuel Castells 
> definieren wir die Bewegung als eine Subjektivität des Widerstands, 
> die es nicht schafft, eine Subjektivität des Projekts zu werden. Die 
> Entfernung zwischen der globalen Bewegung und dem Zentrum 
> kapitalistischer Produktion ist uns nicht bewusst. Eine Formulierung 
> von Paolo Virno paraphrasierend sagen wir, dass neue Produktionsweisen 
> schon jetzt zu viel Politik beinhalten, als dass die Politik der 
> Bewegung noch irgendeine Form von autonomer Würde genießen könnte.[3]
>
> Die Ereignisse von 1977 (nicht nur in Italien, denken wir auch an die 
> Blütezeit des Punk) haben das Ende des 'revolutionären' Paradigmas und 
> gleichzeitig den Beginn des Paradigmas der Bewegung bestätigt. Neue 
> Konflikträume im Bereich der Kommunikation, der Medien und der 
> Produktion des Imaginären wurden eröffnet. Heute erkennen wir, dass 
> die 'Bewegung' als Format überwunden werden muss - wahrscheinlich 
> zugunsten des Formats des Netzwerks .
>
> Drei Formen des Handelns, im 19. Jahrhundert noch klar voneinander 
> getrennt - Arbeit, Politik und Kunst -, sind nun in einer einzigen 
> Haltung integriert und stehen im Zentrum jedes produktiven Prozesses. 
> Um zu arbeiten, Politik zu treiben oder das Imaginäre zu produzieren, 
> braucht man heute hybride Fähigkeiten. Das bedeutet, dass wir alle 
> ArbeiterInnen-KünstlerInnen-AktivistInnen sind, aber es bedeutet auch, 
> dass die Figuren von Militanten und KünstlerInnen überwunden sind und 
> dass solche Fähigkeiten sich nur in einem gemeinsamen Raum formieren - 
> und dieser Raum ist der Wirkungsbereich des kollektiven Intellekts.
>
> Seit Marxens Grundrissen ist der General Intellect zum Ausgangspunkt 
> einer immer zahlreicher werdenden Begriffsfamile geworden, die eine 
> große Bandbreite von Gegenständen abdeckt: Wissensbasierte Ökonomie, 
> Informationsgesellschaft, kognitiver Kapitalismus, immaterielle 
> Arbeit, kollektive Intelligenz, kreative Klasse, Kognitariat, 
> Wissensaustausch, Postfordismus. In den letzen paar Jahren ist das 
> politische Lexikon reich geworden an ineinander verwobenen kritischen 
> Werkzeugen. Wir drehen sie in unseren Händen herum und fragen uns, 
> worin genau wohl ihr Nutzen besteht. Der Einfachheit halber haben wir 
> nur solche Begriffe zur Kenntnis genommen, die einen aufklärerischen, 
> spekulativen, engelshaften und fast neognostischen Ansatz geerbt 
> haben. Aber die Wirklichkeit ist sehr viel komplexer, und wir warten 
> auf neue Formen, die für sich diejenige Rolle beanspruchen können, die 
> im selben Feld dem Begehren, dem Körper, der Ästhetik, der Biopolitik 
> zustehen.
>
> Wir erinnern uns auch an die Auseinandersetzung um kognitive versus 
> prekäre ArbeiterInnen, zwei Seiten der gleichen Medaille, die die 
> Pre-Cogs[4] von Chainworkers.org  folgendermaßen beschreiben: 
> "Kognitive ArbeiterInnen sind NetzwerkerInnen, prekäre ArbeiterInnen 
> werden vernetzt, erstere sind 'Brainworkers', letztere 'Chainworkers': 
> Erstere wurden erst von den Firmen und Finanzmärkten verführt, dann 
> fallengelassen, letztere wurden in die globalen Kapitalströme 
> hineingezogen und von ihnen flexibel gemacht".[5]
>
> Der Punkt ist, dass wir nach einem neuen kollektiven Akteur suchen, 
> und nach einem neuen Ansatzpunkt für den angerosteten revolutionären 
> Hebel. Der Erfolg des Konzepts der Multitude spiegelt gleichzeitig den 
> gegenwärtigen Orientierungsverlust wider. Kritisches Denken drängt 
> beständig darauf hin, den neuen kollektiven Akteur zu finden, der den 
> Zeitgeist verkörpern könnte. In einem Rückgriff auf die Geschichte 
> können wir die Formen rekonstruieren, die jedem Paradigma politischer 
> Aktion zugrunde liegen: Der mehr oder weniger kollektive soziale 
> Akteur, die mehr oder weniger vertikale Organisation, das mehr oder 
> weniger utopische Ziel. Proletariat und Multitude, Partei und 
> Bewegung, Revolution und Selbstorganisation.
>
> Im aktuellen Imaginären scheint der kollektive Akteur der General 
> Intellect  (oder wie immer es genannt werden soll) zu sein. Seine Form 
> ist das Netzwerk, sein Ziel die Schaffung einer Plattform von 
> Selbstorganisation, sein Handlungsfeld der biopolitische, 
> spektakuläre, kognitive Kapitalismus.
>
> Wir reden hier nicht über die Multitude, weil dieses Konzept 
> gleichzeitig zu edel und zu aufgeblasen ist, Erbe von 
> jahrhundertelangem Philosophieren und allzu oft ausgerufen von den 
> Megaphonen in den Demonstrationszügen. Das Konzept der Multitude war 
> eher nützlich als ein Exorzismus gegen die identitären Täuschungen der 
> globalen Bewegung, denn als konstruktives Werkzeug. Die Pars 
> Construens wird eine Aufgabe für den General Intellect sein: Wenn 
> Philosophen wie Paolo Virno eine gemeinsame Basis finden müssen, den 
> verlorenen kollektiven Akteur, dann rekonstruieren sie die kollektive 
> Intelligenz und Kooperation als entstehende und konstitutive 
> Eigenschaften der Multitude.
>
> In einer anderen paranoiden Fabel stellen wir uns vor, dass 
> Technologie die letzte Erbin einer Serie von kollektiven Subjekten 
> sei, die die Geschichte wie in einer russischen Matrioschka-Puppe 
> hervorgebracht hat: Religion - Theologie - Philosophie - Ideologie - 
> Naturwissenschaft - Technologie. Damit soll gesagt werden, dass die 
> Geistesgeschichte in Informations- und Intelligenztechnologien 
> geschichtet ist, selbst wenn wir nur die letzte Episode der Serie 
> erinnern, d.h. das Netzwerk, das die Träume der vorangegangenen 
> politischen Generation verkörpert.
>
> Wie sind wir auf all diese Fragen gekommen? Wir stehen an einem 
> Kulminationspunkt verschiedener historischer Plattformen: Dem Erbe der 
> historischen Avantgarde in der Synthese von Ästhetik und Politik; den 
> Kämpfen von '68 und '77, die neue Räume für Konflikte außerhalb der 
> Fabriken und innerhalb des Imaginären und der Kommunikation eröffnet 
> haben; der Hypertrophie der Gesellschaft des Spektakels und der 
> Ökonomie des Logo; der Transformation der fordistischen Lohnarbeit in 
> postfordistische autonome prekäre Arbeit; der Informationsrevolution 
> und der Entstehung des Internet, der Netzökonomie und der 
> Netzwerkgesellschaft. Die Utopie wurde zur Technologie. Die äußerste 
> Übung der Repräsentation, die zu molekularer Produktion wird.
>
> Manche Leute nehmen den gegenwärtigen Moment als ein lebendiges 
> Welt-Netzwerk wahr, manche als unbestimmte Wolke, manche als eine neue 
> Form der Ausbeutung, manche als eine Gelegenheit. Heute erreicht die 
> Dichte ihre kritische Masse und formiert eine globale radikale Klasse, 
> da, wo sich die Plattformen von Aktivismus, Kommunikation, Kunst, 
> Netzwerktechnologien und unabhängiger Forschung kreuzen. Was bedeutet 
> es, gleichzeitig produktiv und planend zu sein, die bloße 
> Repräsentation von Konflikt und die repräsentativen Politikformen 
> aufzugeben?
>
> Es gibt eine hegemoniale Metapher in der politischen 
> Auseinandersetzung, in Kunst, Philosophie, Medienkritik, 
> Netzwerkkultur: und das ist die Free Software. Sie wird uns am Ende 
> jeder Intervention zitiert, die das Problem des "Was tun?" anspricht 
> (aber auch in Artikeln über strategisches Marketing...). Gleichzeitig 
> kontaminiert ihre Zwillingsmetapher, die der Open Source alle Sparten: 
> Open Source Architektur, Open Source Literatur, Open Source 
> Demokratie, Open Source City...
>
> Softwaren sind immaterielle Maschinen. Die Metapher der Free Software 
> ist aufgrund ihrer Immaterialität so einfach, dass sie es häufig nicht 
> schafft, mit der realen Welt in Widerspruch zu geraten. Obwohl wir 
> wissen, dass Free Software eine gute und richtige Sache ist, fragen 
> wir polemisch: Was wird sich ändern, wenn alle Computer der Welt unter 
> Free Software laufen? Der interessanteste Aspekt des Free Software 
> Modells ist das gewaltige, von ProgrammiererInnen auf globaler Ebene 
> geschaffene kooperative Netzwerk. Aber auf welche anderen konkreten 
> Beispiele können wir uns beziehen, wenn wir neue Aktionsformen in der 
> realen Welt vorschlagen, und nicht nur im Reich des Digitalen?
>
> In den 70er Jahren haben Deleuze und Guattari intuitiv das Maschinelle 
> erfasst, eine Introjektion / Imitation der industriellen 
> Produktionsweise. Schließlich sprach ein hydraulischer Materialismus 
> über begehrende, revolutionäre, zölibatäre Kriegsmaschinen statt über 
> repräsentative oder ideologische.[6] Deleuze und Guattari haben die 
> Maschine aus der Fabrik herausgeholt. Nun ist es an uns, sie aus dem 
> Netzwerk herauszuholen und die Post-Internet-Generation zu 
> imaginieren.
>
> Kognitive Arbeit produziert alle möglichen Maschinen, nicht nur 
> Software: elektronische Maschinen, narrative Maschinen, 
> Werbemaschinen, Medienmaschinen, Handlungsmaschinen, psychische 
> Maschinen, soziale Maschinen, libidinöse Maschinen. Im 19. Jahrhundert 
> bezog sich die Definition von Maschine auf ein Gerät, das Energie 
> transformiert. Im 20. Jahrhundert beginnt die Turing-Maschine - die 
> Grundlage jedes Computers - Information in Form von Sequenzen von 0 
> und 1 zu interpretieren. Für Deleuze und Guattari hingegen produziert 
> eine Wunschmaschine Strömungen, schneidet sie zu und ordnet sie an, 
> und produziert pausenlos das Reale.
>
> Heute verstehen wir unter Maschine die elementare Form des General 
> Intellect, jeden Knoten des Netzwerks der kollektiven Intelligenz, 
> jedes materielle und immaterielle Dispositiv, das die Ströme der 
> Ökonomie organisch mit denen unseres Begehrens verbindet.
>
> Auf einer höheren Ebene kann das Netzwerk selbst als Mega-Maschine 
> gesehen werden, die andere Maschinen zusammenbaut. Negri und Hardt 
> schreiben in Empire: "Die Multitude benutzt Maschinen nicht nur zur 
> Produktion, sondern sie wird selbst maschinell, indem die 
> Produktionsmittel zunehmend in die Köpfe und Körper der Multitude 
> integriert werden. In diesem Zusammenhang meint Aneignung den freien 
> Zugang zu und die Kontrolle über Wissen, Information, Kommunikation 
> und Affekte, denn dies sind einige der primären Produktionsmittel der 
> biopolitischen Produktion. Dass diese produktiven Maschinen in die 
> Multitude integriert wurden, heißt noch lange nicht, dass die 
> Multitude sie kontrolliert, im Gegenteil, all das macht ihre 
> Entfremdung umso bösartiger und schädlicher. Das Recht auf Aneignung 
> ist das Recht der Multitude auf Selbstkontrolle und autonome 
> Selbstproduktion".[7]
>
> Anders gesagt: Im Postfordismus ist die Fabrik aus der Fabrik 
> herausgetreten, und die gesamte Gesellschaft ist zu einer Fabrik 
> geworden. Eine bereits maschinenhafte Multitude legt die Vermutung 
> nahe, dass die Umstülpung des aktuellen Produktionssystems auf eine 
> autonome Ebene in einem blitzartigen Coup möglich sein könnte, einfach 
> indem die Multitude vom Kommando des Kapitals abgekoppelt wird. Aber 
> dieser Vorgang ist nicht ganz so einfach in Begrifflichkeiten nach dem 
> traditionellen Motto der "Aneignung der Produktionsmittel" zu fassen. 
> Warum?
>
> Während es richtig ist, dass heute das Gehirn das hauptsächliche 
> Arbeitsmittel ist, und dass ArbeiterInnen sich die Produktionsmittel 
> unmittelbar aneignen können, stimmt es auch, dass Kontrolle und 
> Ausbeutung in der Gesellschaft immateriell geworden sind, kognitiv, 
> vernetzt. Nicht nur der General Intellect der Multituden ist 
> gewachsen, sondern auch der General Intellect des Empire. Ausgerüstet 
> mit ihren Computern, können die ArbeiterInnen sich die 
> Produktionsmittel aneignen. Aber sobald sie die Nasen aus ihren 
> Desktops herausstrecken, sehen sie sich mit einem Godzilla 
> konfrontiert, mit dem sie nicht gerechnet hatten: Dem Godzilla des 
> feindlichen General Intellect. Soziale, staatliche und ökonomische 
> Meta-Maschinen, an die die Menschen wie Prothesen angekoppelt sind, 
> sind von bewussten und unbewussten Automatismen dominiert.
>
> Meta-Maschinen werden von einer bestimmten Art kognitiver Arbeit 
> beherrscht, nämlich der administrativen, politischen, managerhaften 
> Arbeit, die Projekte durchführt, organisiert, und in gewaltigem Ausmaß 
> kontrolliert, einer Form von General Intellect, die wir uns nie hätten 
> vorstellen können, einem General Intellect, dessen "Fürst" eine Figur 
> ist, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Bühne betritt: 
> Der Manager.
>
> Orwell zitierend, erinnert uns Bifo in seinem Essay "Il totalitarismo 
> tecno-manageriale da Burnham a Bush" daran, dass in unserer 
> postdemokratischen Welt (oder, wenn es euch lieber ist, im Empire) die 
> Manager das Kommando übernommen haben: "Der Kapitalismus verschwindet, 
> aber er wird nicht durch Sozialismus ersetzt. Was sich nun erhebt, ist 
> ein neuer Typus einer geplanten, zentralisierten Gesellschaft, die 
> weder kapitalistisch ist noch in irgendeinem anerkannten Sinn des 
> Wortes demokratisch. Die Herrscher dieser neuen Gesellschaft werden 
> diejenigen sein, die faktisch die Produktionsmittel kontrollieren, das 
> heißt leitende Geschäftsleute, TechnikerInnen, BürokratInnen und 
> SoldatInnen, von Burnham unter dem Begriff des Managers in einen Topf 
> geworfen. Diese Leute werden die alte kapitalistische Klasse 
> eliminieren, die Arbeiterklasse zerschlagen, und die Gesellschaft so 
> organisieren, dass jegliche Macht und jeder ökonomische Vorteil in 
> ihren eigenen Händen bleibt. Das Recht auf Privateigentum wird 
> abgeschafft werden, doch wird dafür kein Gemeineigentum etabliert 
> werden. Die neuen Managergesellschaften werden nicht aus einem 
> Flickenteppich von kleinen, unabhängigen Staaten bestehen, sondern aus 
> großen, um die wichtigsten industriellen Zentren in Europa, Asien und 
> Amerika gruppierten Superstaaten. Diese Superstaaten werden 
> untereinander um den Besitz der verbleibenden, noch nicht eroberten 
> Teile der Erde kämpfen, aber es wird ihnen voraussichtlich nicht 
> gelingen, einander vollständig zu besiegen. Jede von diesen 
> Gesellschaften wird streng hierarchisch sein, mit einer Aristokratie 
> des Talents an der Spitze und einer Masse von Halbsklaven am unteren 
> Ende."[8]
>
> Wir haben eingangs zwei Intelligenzen erwähnt, die einander in der 
> Welt gegenüberstehen, und die Formen, in denen sie sich manifestieren. 
> Die Multitude funktioniert als Maschine, weil sie innerhalb eines 
> Modells existiert, einer sozialen Software, die zur Ausbeutung ihrer 
> Energien und Ideen gedacht ist. Die Techno-Manager (öffentlich, 
> privat, militärisch) sind diejenigen, die, bewusst oder nicht, solche 
> Maschinen planen und kontrollieren, Maschinen, die aus 
> aneinandermontierten Menschen bestehen. Der Traum des General 
> Intellect gebirt Ungeheuer.
>
> Verglichen mit dem alles durchdringenden neoliberalen 
> Techno-Management ist die Intelligenz der globalen Bewegung von 
> geringer Bedeutung. Was tun? Wir müssen virtuose revolutionäre 
> radikale Maschinen entwickeln, die wir an den Knotenpunkten des 
> Netzwerks platzieren. Gleichzeitig müssen wir mit dem General 
> Intellect rechnen, der die imperialen Meta-Maschinen verwaltet. Bevor 
> wir damit beginnen, müssen wir uns über die Dichte der 'Intelligenz' 
> klarwerden, die sich in jeder Ware, Organisation, Botschaft und jedem 
> Medium, in jeder Maschine der postmodernen Gesellschaft, verdichtet.
>
> Don't hate the machine, be the machine. Wie können wir den Austausch 
> von Wissen, Werkzeugen und Räumen in neue radikale Maschinen 
> verwandeln, die über die aufgeblähte Free Software hinausgehen? Dies 
> ist die Herausforderung, die man einst 'Aneignung der 
> Produktionsmittel' nannte.
>
> Wird es der globalen radikalen Klasse gelingen, soziale Maschinen zu 
> erfinden, die das Kapital herausfordern können, die als Plattformen 
> der Autonomie und Autopoiesis funktionieren? Radikale Maschinen, die 
> in der Lage sind, der techno-managerhaften Intelligenz und den 
> imperialen Meta-Maschinen, die um uns herum angetreten sind, die Stirn 
> zu bieten? Der Wettkampf Multitude gegen Empire wird zum Kampf der 
> radikalen Maschinen gegen die imperialen Techno-Monster. Wie beginnen 
> wir den Bau dieser Maschinen?
>
>  
>
> Übersetzung: Marion Hamm
>
>
>
> [1]  General Intellect - von Negri und Hardt unter Bezug  auf Marx 
> verwendeter Begriff. Vgl. MEW, Band 42, S.  602. [A.d.Ü.]
>
> [2]  Neocons – kurz für Neoconservatives, negative  Bezeichnung für 
> einen Kreis reformistischer  US-amerikanischer Intellektueller um 
> Irving Kristol  und Norman Podhoretz. [A.d.Ü.]
>
> [3]  Paolo Virno, A Grammar of the Multitude, Semiotext(e),  New York 
> 2003. Orig. ed. Grammatica della  moltitudine, Derive Approdi, Roma 
> 2002.
>
> [4]  Pre-Cogs - kurz für Precognitive Thinkers (Leute  mit der 
> übersinnlichen Fähigkeit, die Zukunft  vorherzusagen), übernommen aus 
> dem Spielberg-Film  Minority Report. [A.d.Ü.]
>
> [5] Chainworkers, Il precognitariato. L'europrecariato si è sollevato, 
> 2003. Online im Internet 12.11.2003: 
> www.rekombinant.org/article.php?sid=2184. Vgl. auch 
> www.chainworkers.org und www.inventati.org/mailman/listinfo/precog
>
> [6]  Gilles Deleuze / Félix Guattari: Anti-Ödipus.  Kapitalismus und 
> Schizophrenie. Frankfurt am Main:  Suhrkamp Verlag 1977. Orig ed. 
> L'anti-Oedipe, Les Éditions  De Minuit, Paris 1972"
>
> [7]  Michael Hardt / Antonio Negri: Empire. Campus,  Frankfurt/M 2003. 
> Orig ed. Empire, Harvard  University Press, Cambridge MA 2000.
>
> [8] George Orwell: Second Thoughts on James Burnham, 1946. Zitiert in 
> Franco "Bifo" Berardi: Il totalitarismo tecno-manageriale da Burnham a 
> Bush, 2004. Online im Internet 25.01.2004: 
> www.rekombinant.org/article.php?sid=2241.
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