[rohrpost] Radikale Maschinen
guido vff
gbraun at vff.uni-frankfurt.de
Fre Mar 12 10:05:06 CET 2004
ich fänds spannend, wenn jemand mal über die hyperagierende
allmaschinentheoriemaschinerie schreiben tät', als so ne art
metamaschinenkopie.
Am 11.03.2004 um 19:33 schrieb Matteo Pasquinelli:
>
>
> [ german translation published by republicart.net:
> http://republicart.net/disc/empire/pasquinelli01_de.htm ]
> [ english text + pdf: http://rekombinant.org/article.php?sid=2264 ]
>
>
> Matteo Pasquinelli
>
> Radikale Maschinen gegen das Techno-Empire.
> Von der Utopie zum Netzwerk
>
>
> Jeder von uns ist eine Maschine des Realen,
> jeder von uns ist eine konstruktive Maschine.
> Toni Negri
>
> Technische Maschinen funktionieren nur, wenn sie nicht
> kaputt sind. Im Gegensatz dazu gehen Wunschmaschinen
> dauernd kaputt, während sie laufen, und tatsächlich laufen
> sie
> nur dann, wenn sie nicht ordentlich funktionieren. Die Kunst
> macht sich diese Eigenschaft häufig zunutze, indem sie echte
> Gruppenphantasien produziert, in denen die Wunschproduktion
> dazu benutzt wird, die soziale Produktion kurzzuschließen
> und
> in die reproduktive Funktion der technischen Maschinen durch
> die Einführung eines Elements der Störung einzugreifen.
> Gilles Deleuze, Felix Guattari, Anti-Ödipus
>
>
>
> Was ist Wissensaustausch? Wie funktioniert die Wissensökonomie? Wo ist
> der General Intellect[1] am Werke? Nehmen wir zum Beispiel den
> Zigarettenautomaten. Die Maschine, die wir sehen, ist die Verkörperung
> eines naturwissenschaftlichen Wissens über Hard- und
> Softwarekomponenten, Generationen von Ingenieurstechnik zur
> kommerziellen Nutzung übereinandergeschichtet: Sie verwaltet
> automatisch Geld- und Warenflüsse, ersetzt einen Menschen durch ein
> nutzerfreundliches Interface, verteidigt Privateigentum, funktioniert
> auf der Grundlage einer minimalen Kontroll- und Nachlieferungsroutine.
>
> Wo ist der Tabakhändler geblieben? Manchmal genießt er die
> dazugewonnene Freizeit. Manchmal hat ihn die Firma, der die
> Vertriebskette gehört, ersetzt. An seiner Stelle trifft man oft den
> Techniker an.
>
> Weit davon entfernt, dem Marx´schen Fragment über Maschinen ein
> Fragment über Zigarettenmaschinen nachzubilden, soll dieses
> unheilvolle Beispiel zeigen, wie lebendig postfordistische Theorien um
> uns herum sind, und dass von kollektiver Intelligenz gebaute,
> materielle oder abstrakte Maschinen organisch an die Ströme der
> Ökonomie und an die unserer Bedürfnisse angebunden sind.
>
> Statt über einen General Intellect zu reden, sollten wir besser von
> General Intellects im Plural sprechen. Kollektive Intelligenz nimmt
> viele Formen an. Manche können zu totalitären Systemen werden, wie
> etwa die militärisch-managerhafte Ideologie der Neocons[2] um George
> Bush oder die des Microsoft-Empire. Andere können in
> sozialdemokratischen Bürokratien verkörpert sein, im Apparat der
> Polizeikontrolle, der Mathematik der BörsenspekulantInnen, der
> Architektur unserer Städte (jeden Tag gehen wir durch/über
> Konkretionen kollektiver Intelligenz).
>
> In den Dystopien von '2001: A Space Odyssey' und 'Matrix' entfaltet
> das Maschinengehirn ein Bewusstsein seiner selbst bis zu dem Punkt, wo
> es sich des Menschen entledigt. Dagegen produzieren 'gute' kollektive
> Intelligenzen internationale Kooperationsnetzwerke wie etwa das
> Netzwerk der globalen Bewegung, der prekären ArbeiterInnen, der
> EntwicklerInnen von Free Software, des Medienaktivismus. Außerdem
> produzieren sie den Wissensaustausch an den Universitäten, die offenen
> Urheberrechte der Creative Commons, partizipative Stadtplanung,
> Erzählungen und das Imaginäre der Befreiung.
>
> Von einer geopolitischen Perspektive aus könnten wir uns in einer
> Sci-Fi-Paranoia von Philip Dicks wiederfinden: Die Erde wird von einer
> Intelligenz dominiert, doch innerhalb dieser Intelligenz entwickelt
> sich ein Krieg zwischen zwei Organisationen des General Intellect,
> einander entgegengesetzt und doch ineinander verwickelt.
>
> Gewöhnt an die traditionellen Repräsentationsformen der globalen
> Bewegung gelingt es uns nicht, die neuen produktiven Konflikte zu
> begreifen. So besorgt, wie wir über den imperialen Krieg sind,
> erkennen wir die Zentralität dieses Kampfes nicht. Mit Manuel Castells
> definieren wir die Bewegung als eine Subjektivität des Widerstands,
> die es nicht schafft, eine Subjektivität des Projekts zu werden. Die
> Entfernung zwischen der globalen Bewegung und dem Zentrum
> kapitalistischer Produktion ist uns nicht bewusst. Eine Formulierung
> von Paolo Virno paraphrasierend sagen wir, dass neue Produktionsweisen
> schon jetzt zu viel Politik beinhalten, als dass die Politik der
> Bewegung noch irgendeine Form von autonomer Würde genießen könnte.[3]
>
> Die Ereignisse von 1977 (nicht nur in Italien, denken wir auch an die
> Blütezeit des Punk) haben das Ende des 'revolutionären' Paradigmas und
> gleichzeitig den Beginn des Paradigmas der Bewegung bestätigt. Neue
> Konflikträume im Bereich der Kommunikation, der Medien und der
> Produktion des Imaginären wurden eröffnet. Heute erkennen wir, dass
> die 'Bewegung' als Format überwunden werden muss - wahrscheinlich
> zugunsten des Formats des Netzwerks .
>
> Drei Formen des Handelns, im 19. Jahrhundert noch klar voneinander
> getrennt - Arbeit, Politik und Kunst -, sind nun in einer einzigen
> Haltung integriert und stehen im Zentrum jedes produktiven Prozesses.
> Um zu arbeiten, Politik zu treiben oder das Imaginäre zu produzieren,
> braucht man heute hybride Fähigkeiten. Das bedeutet, dass wir alle
> ArbeiterInnen-KünstlerInnen-AktivistInnen sind, aber es bedeutet auch,
> dass die Figuren von Militanten und KünstlerInnen überwunden sind und
> dass solche Fähigkeiten sich nur in einem gemeinsamen Raum formieren -
> und dieser Raum ist der Wirkungsbereich des kollektiven Intellekts.
>
> Seit Marxens Grundrissen ist der General Intellect zum Ausgangspunkt
> einer immer zahlreicher werdenden Begriffsfamile geworden, die eine
> große Bandbreite von Gegenständen abdeckt: Wissensbasierte Ökonomie,
> Informationsgesellschaft, kognitiver Kapitalismus, immaterielle
> Arbeit, kollektive Intelligenz, kreative Klasse, Kognitariat,
> Wissensaustausch, Postfordismus. In den letzen paar Jahren ist das
> politische Lexikon reich geworden an ineinander verwobenen kritischen
> Werkzeugen. Wir drehen sie in unseren Händen herum und fragen uns,
> worin genau wohl ihr Nutzen besteht. Der Einfachheit halber haben wir
> nur solche Begriffe zur Kenntnis genommen, die einen aufklärerischen,
> spekulativen, engelshaften und fast neognostischen Ansatz geerbt
> haben. Aber die Wirklichkeit ist sehr viel komplexer, und wir warten
> auf neue Formen, die für sich diejenige Rolle beanspruchen können, die
> im selben Feld dem Begehren, dem Körper, der Ästhetik, der Biopolitik
> zustehen.
>
> Wir erinnern uns auch an die Auseinandersetzung um kognitive versus
> prekäre ArbeiterInnen, zwei Seiten der gleichen Medaille, die die
> Pre-Cogs[4] von Chainworkers.org folgendermaßen beschreiben:
> "Kognitive ArbeiterInnen sind NetzwerkerInnen, prekäre ArbeiterInnen
> werden vernetzt, erstere sind 'Brainworkers', letztere 'Chainworkers':
> Erstere wurden erst von den Firmen und Finanzmärkten verführt, dann
> fallengelassen, letztere wurden in die globalen Kapitalströme
> hineingezogen und von ihnen flexibel gemacht".[5]
>
> Der Punkt ist, dass wir nach einem neuen kollektiven Akteur suchen,
> und nach einem neuen Ansatzpunkt für den angerosteten revolutionären
> Hebel. Der Erfolg des Konzepts der Multitude spiegelt gleichzeitig den
> gegenwärtigen Orientierungsverlust wider. Kritisches Denken drängt
> beständig darauf hin, den neuen kollektiven Akteur zu finden, der den
> Zeitgeist verkörpern könnte. In einem Rückgriff auf die Geschichte
> können wir die Formen rekonstruieren, die jedem Paradigma politischer
> Aktion zugrunde liegen: Der mehr oder weniger kollektive soziale
> Akteur, die mehr oder weniger vertikale Organisation, das mehr oder
> weniger utopische Ziel. Proletariat und Multitude, Partei und
> Bewegung, Revolution und Selbstorganisation.
>
> Im aktuellen Imaginären scheint der kollektive Akteur der General
> Intellect (oder wie immer es genannt werden soll) zu sein. Seine Form
> ist das Netzwerk, sein Ziel die Schaffung einer Plattform von
> Selbstorganisation, sein Handlungsfeld der biopolitische,
> spektakuläre, kognitive Kapitalismus.
>
> Wir reden hier nicht über die Multitude, weil dieses Konzept
> gleichzeitig zu edel und zu aufgeblasen ist, Erbe von
> jahrhundertelangem Philosophieren und allzu oft ausgerufen von den
> Megaphonen in den Demonstrationszügen. Das Konzept der Multitude war
> eher nützlich als ein Exorzismus gegen die identitären Täuschungen der
> globalen Bewegung, denn als konstruktives Werkzeug. Die Pars
> Construens wird eine Aufgabe für den General Intellect sein: Wenn
> Philosophen wie Paolo Virno eine gemeinsame Basis finden müssen, den
> verlorenen kollektiven Akteur, dann rekonstruieren sie die kollektive
> Intelligenz und Kooperation als entstehende und konstitutive
> Eigenschaften der Multitude.
>
> In einer anderen paranoiden Fabel stellen wir uns vor, dass
> Technologie die letzte Erbin einer Serie von kollektiven Subjekten
> sei, die die Geschichte wie in einer russischen Matrioschka-Puppe
> hervorgebracht hat: Religion - Theologie - Philosophie - Ideologie -
> Naturwissenschaft - Technologie. Damit soll gesagt werden, dass die
> Geistesgeschichte in Informations- und Intelligenztechnologien
> geschichtet ist, selbst wenn wir nur die letzte Episode der Serie
> erinnern, d.h. das Netzwerk, das die Träume der vorangegangenen
> politischen Generation verkörpert.
>
> Wie sind wir auf all diese Fragen gekommen? Wir stehen an einem
> Kulminationspunkt verschiedener historischer Plattformen: Dem Erbe der
> historischen Avantgarde in der Synthese von Ästhetik und Politik; den
> Kämpfen von '68 und '77, die neue Räume für Konflikte außerhalb der
> Fabriken und innerhalb des Imaginären und der Kommunikation eröffnet
> haben; der Hypertrophie der Gesellschaft des Spektakels und der
> Ökonomie des Logo; der Transformation der fordistischen Lohnarbeit in
> postfordistische autonome prekäre Arbeit; der Informationsrevolution
> und der Entstehung des Internet, der Netzökonomie und der
> Netzwerkgesellschaft. Die Utopie wurde zur Technologie. Die äußerste
> Übung der Repräsentation, die zu molekularer Produktion wird.
>
> Manche Leute nehmen den gegenwärtigen Moment als ein lebendiges
> Welt-Netzwerk wahr, manche als unbestimmte Wolke, manche als eine neue
> Form der Ausbeutung, manche als eine Gelegenheit. Heute erreicht die
> Dichte ihre kritische Masse und formiert eine globale radikale Klasse,
> da, wo sich die Plattformen von Aktivismus, Kommunikation, Kunst,
> Netzwerktechnologien und unabhängiger Forschung kreuzen. Was bedeutet
> es, gleichzeitig produktiv und planend zu sein, die bloße
> Repräsentation von Konflikt und die repräsentativen Politikformen
> aufzugeben?
>
> Es gibt eine hegemoniale Metapher in der politischen
> Auseinandersetzung, in Kunst, Philosophie, Medienkritik,
> Netzwerkkultur: und das ist die Free Software. Sie wird uns am Ende
> jeder Intervention zitiert, die das Problem des "Was tun?" anspricht
> (aber auch in Artikeln über strategisches Marketing...). Gleichzeitig
> kontaminiert ihre Zwillingsmetapher, die der Open Source alle Sparten:
> Open Source Architektur, Open Source Literatur, Open Source
> Demokratie, Open Source City...
>
> Softwaren sind immaterielle Maschinen. Die Metapher der Free Software
> ist aufgrund ihrer Immaterialität so einfach, dass sie es häufig nicht
> schafft, mit der realen Welt in Widerspruch zu geraten. Obwohl wir
> wissen, dass Free Software eine gute und richtige Sache ist, fragen
> wir polemisch: Was wird sich ändern, wenn alle Computer der Welt unter
> Free Software laufen? Der interessanteste Aspekt des Free Software
> Modells ist das gewaltige, von ProgrammiererInnen auf globaler Ebene
> geschaffene kooperative Netzwerk. Aber auf welche anderen konkreten
> Beispiele können wir uns beziehen, wenn wir neue Aktionsformen in der
> realen Welt vorschlagen, und nicht nur im Reich des Digitalen?
>
> In den 70er Jahren haben Deleuze und Guattari intuitiv das Maschinelle
> erfasst, eine Introjektion / Imitation der industriellen
> Produktionsweise. Schließlich sprach ein hydraulischer Materialismus
> über begehrende, revolutionäre, zölibatäre Kriegsmaschinen statt über
> repräsentative oder ideologische.[6] Deleuze und Guattari haben die
> Maschine aus der Fabrik herausgeholt. Nun ist es an uns, sie aus dem
> Netzwerk herauszuholen und die Post-Internet-Generation zu
> imaginieren.
>
> Kognitive Arbeit produziert alle möglichen Maschinen, nicht nur
> Software: elektronische Maschinen, narrative Maschinen,
> Werbemaschinen, Medienmaschinen, Handlungsmaschinen, psychische
> Maschinen, soziale Maschinen, libidinöse Maschinen. Im 19. Jahrhundert
> bezog sich die Definition von Maschine auf ein Gerät, das Energie
> transformiert. Im 20. Jahrhundert beginnt die Turing-Maschine - die
> Grundlage jedes Computers - Information in Form von Sequenzen von 0
> und 1 zu interpretieren. Für Deleuze und Guattari hingegen produziert
> eine Wunschmaschine Strömungen, schneidet sie zu und ordnet sie an,
> und produziert pausenlos das Reale.
>
> Heute verstehen wir unter Maschine die elementare Form des General
> Intellect, jeden Knoten des Netzwerks der kollektiven Intelligenz,
> jedes materielle und immaterielle Dispositiv, das die Ströme der
> Ökonomie organisch mit denen unseres Begehrens verbindet.
>
> Auf einer höheren Ebene kann das Netzwerk selbst als Mega-Maschine
> gesehen werden, die andere Maschinen zusammenbaut. Negri und Hardt
> schreiben in Empire: "Die Multitude benutzt Maschinen nicht nur zur
> Produktion, sondern sie wird selbst maschinell, indem die
> Produktionsmittel zunehmend in die Köpfe und Körper der Multitude
> integriert werden. In diesem Zusammenhang meint Aneignung den freien
> Zugang zu und die Kontrolle über Wissen, Information, Kommunikation
> und Affekte, denn dies sind einige der primären Produktionsmittel der
> biopolitischen Produktion. Dass diese produktiven Maschinen in die
> Multitude integriert wurden, heißt noch lange nicht, dass die
> Multitude sie kontrolliert, im Gegenteil, all das macht ihre
> Entfremdung umso bösartiger und schädlicher. Das Recht auf Aneignung
> ist das Recht der Multitude auf Selbstkontrolle und autonome
> Selbstproduktion".[7]
>
> Anders gesagt: Im Postfordismus ist die Fabrik aus der Fabrik
> herausgetreten, und die gesamte Gesellschaft ist zu einer Fabrik
> geworden. Eine bereits maschinenhafte Multitude legt die Vermutung
> nahe, dass die Umstülpung des aktuellen Produktionssystems auf eine
> autonome Ebene in einem blitzartigen Coup möglich sein könnte, einfach
> indem die Multitude vom Kommando des Kapitals abgekoppelt wird. Aber
> dieser Vorgang ist nicht ganz so einfach in Begrifflichkeiten nach dem
> traditionellen Motto der "Aneignung der Produktionsmittel" zu fassen.
> Warum?
>
> Während es richtig ist, dass heute das Gehirn das hauptsächliche
> Arbeitsmittel ist, und dass ArbeiterInnen sich die Produktionsmittel
> unmittelbar aneignen können, stimmt es auch, dass Kontrolle und
> Ausbeutung in der Gesellschaft immateriell geworden sind, kognitiv,
> vernetzt. Nicht nur der General Intellect der Multituden ist
> gewachsen, sondern auch der General Intellect des Empire. Ausgerüstet
> mit ihren Computern, können die ArbeiterInnen sich die
> Produktionsmittel aneignen. Aber sobald sie die Nasen aus ihren
> Desktops herausstrecken, sehen sie sich mit einem Godzilla
> konfrontiert, mit dem sie nicht gerechnet hatten: Dem Godzilla des
> feindlichen General Intellect. Soziale, staatliche und ökonomische
> Meta-Maschinen, an die die Menschen wie Prothesen angekoppelt sind,
> sind von bewussten und unbewussten Automatismen dominiert.
>
> Meta-Maschinen werden von einer bestimmten Art kognitiver Arbeit
> beherrscht, nämlich der administrativen, politischen, managerhaften
> Arbeit, die Projekte durchführt, organisiert, und in gewaltigem Ausmaß
> kontrolliert, einer Form von General Intellect, die wir uns nie hätten
> vorstellen können, einem General Intellect, dessen "Fürst" eine Figur
> ist, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Bühne betritt:
> Der Manager.
>
> Orwell zitierend, erinnert uns Bifo in seinem Essay "Il totalitarismo
> tecno-manageriale da Burnham a Bush" daran, dass in unserer
> postdemokratischen Welt (oder, wenn es euch lieber ist, im Empire) die
> Manager das Kommando übernommen haben: "Der Kapitalismus verschwindet,
> aber er wird nicht durch Sozialismus ersetzt. Was sich nun erhebt, ist
> ein neuer Typus einer geplanten, zentralisierten Gesellschaft, die
> weder kapitalistisch ist noch in irgendeinem anerkannten Sinn des
> Wortes demokratisch. Die Herrscher dieser neuen Gesellschaft werden
> diejenigen sein, die faktisch die Produktionsmittel kontrollieren, das
> heißt leitende Geschäftsleute, TechnikerInnen, BürokratInnen und
> SoldatInnen, von Burnham unter dem Begriff des Managers in einen Topf
> geworfen. Diese Leute werden die alte kapitalistische Klasse
> eliminieren, die Arbeiterklasse zerschlagen, und die Gesellschaft so
> organisieren, dass jegliche Macht und jeder ökonomische Vorteil in
> ihren eigenen Händen bleibt. Das Recht auf Privateigentum wird
> abgeschafft werden, doch wird dafür kein Gemeineigentum etabliert
> werden. Die neuen Managergesellschaften werden nicht aus einem
> Flickenteppich von kleinen, unabhängigen Staaten bestehen, sondern aus
> großen, um die wichtigsten industriellen Zentren in Europa, Asien und
> Amerika gruppierten Superstaaten. Diese Superstaaten werden
> untereinander um den Besitz der verbleibenden, noch nicht eroberten
> Teile der Erde kämpfen, aber es wird ihnen voraussichtlich nicht
> gelingen, einander vollständig zu besiegen. Jede von diesen
> Gesellschaften wird streng hierarchisch sein, mit einer Aristokratie
> des Talents an der Spitze und einer Masse von Halbsklaven am unteren
> Ende."[8]
>
> Wir haben eingangs zwei Intelligenzen erwähnt, die einander in der
> Welt gegenüberstehen, und die Formen, in denen sie sich manifestieren.
> Die Multitude funktioniert als Maschine, weil sie innerhalb eines
> Modells existiert, einer sozialen Software, die zur Ausbeutung ihrer
> Energien und Ideen gedacht ist. Die Techno-Manager (öffentlich,
> privat, militärisch) sind diejenigen, die, bewusst oder nicht, solche
> Maschinen planen und kontrollieren, Maschinen, die aus
> aneinandermontierten Menschen bestehen. Der Traum des General
> Intellect gebirt Ungeheuer.
>
> Verglichen mit dem alles durchdringenden neoliberalen
> Techno-Management ist die Intelligenz der globalen Bewegung von
> geringer Bedeutung. Was tun? Wir müssen virtuose revolutionäre
> radikale Maschinen entwickeln, die wir an den Knotenpunkten des
> Netzwerks platzieren. Gleichzeitig müssen wir mit dem General
> Intellect rechnen, der die imperialen Meta-Maschinen verwaltet. Bevor
> wir damit beginnen, müssen wir uns über die Dichte der 'Intelligenz'
> klarwerden, die sich in jeder Ware, Organisation, Botschaft und jedem
> Medium, in jeder Maschine der postmodernen Gesellschaft, verdichtet.
>
> Don't hate the machine, be the machine. Wie können wir den Austausch
> von Wissen, Werkzeugen und Räumen in neue radikale Maschinen
> verwandeln, die über die aufgeblähte Free Software hinausgehen? Dies
> ist die Herausforderung, die man einst 'Aneignung der
> Produktionsmittel' nannte.
>
> Wird es der globalen radikalen Klasse gelingen, soziale Maschinen zu
> erfinden, die das Kapital herausfordern können, die als Plattformen
> der Autonomie und Autopoiesis funktionieren? Radikale Maschinen, die
> in der Lage sind, der techno-managerhaften Intelligenz und den
> imperialen Meta-Maschinen, die um uns herum angetreten sind, die Stirn
> zu bieten? Der Wettkampf Multitude gegen Empire wird zum Kampf der
> radikalen Maschinen gegen die imperialen Techno-Monster. Wie beginnen
> wir den Bau dieser Maschinen?
>
>
>
> Übersetzung: Marion Hamm
>
>
>
> [1] General Intellect - von Negri und Hardt unter Bezug auf Marx
> verwendeter Begriff. Vgl. MEW, Band 42, S. 602. [A.d.Ü.]
>
> [2] Neocons – kurz für Neoconservatives, negative Bezeichnung für
> einen Kreis reformistischer US-amerikanischer Intellektueller um
> Irving Kristol und Norman Podhoretz. [A.d.Ü.]
>
> [3] Paolo Virno, A Grammar of the Multitude, Semiotext(e), New York
> 2003. Orig. ed. Grammatica della moltitudine, Derive Approdi, Roma
> 2002.
>
> [4] Pre-Cogs - kurz für Precognitive Thinkers (Leute mit der
> übersinnlichen Fähigkeit, die Zukunft vorherzusagen), übernommen aus
> dem Spielberg-Film Minority Report. [A.d.Ü.]
>
> [5] Chainworkers, Il precognitariato. L'europrecariato si è sollevato,
> 2003. Online im Internet 12.11.2003:
> www.rekombinant.org/article.php?sid=2184. Vgl. auch
> www.chainworkers.org und www.inventati.org/mailman/listinfo/precog
>
> [6] Gilles Deleuze / Félix Guattari: Anti-Ödipus. Kapitalismus und
> Schizophrenie. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1977. Orig ed.
> L'anti-Oedipe, Les Éditions De Minuit, Paris 1972"
>
> [7] Michael Hardt / Antonio Negri: Empire. Campus, Frankfurt/M 2003.
> Orig ed. Empire, Harvard University Press, Cambridge MA 2000.
>
> [8] George Orwell: Second Thoughts on James Burnham, 1946. Zitiert in
> Franco "Bifo" Berardi: Il totalitarismo tecno-manageriale da Burnham a
> Bush, 2004. Online im Internet 25.01.2004:
> www.rekombinant.org/article.php?sid=2241.
> -------------------------------------------------------
> rohrpost - deutschsprachige Liste zur Kultur digitaler Medien und Netze
> Archiv: http://www.nettime.org/rohrpost
> http://post.openoffice.de/pipermail/rohrpost/
> Ent/Subskribieren:
> http://post.openoffice.de/cgi-bin/mailman/listinfo/rohrpost/
pont 9 werbeagentur gmbh
schleusenstr. 17
60327 frankfurt am main
germany
tel +49-69-78803383
fax +49-69-78803384
http://pont9.de
creative planning tool
http://objekt-a.com