[rohrpost] Medientheorie - Das Wikiexperiment
Pit Schultz
pit at midas.in-berlin.de
Fre Nov 19 02:44:23 CET 2004
>Offen bleibt natuerlich ob dies alles ueberhaupt jemanden in den
>Niederlanden interessiert. Wir werden es versuchen. Das Treffen wird
>doch wohl auf Englisch stattfinden, wenn aber eh nur Deutschen hinkommen
>macht das wiederum kein Sinn. Es ist ja ganz heroisch und politisch
>korrekt nicht ueber 'deutsch' oder so zu reden, aber macht es wirklich
>sinn das ganze auf europaeische Ebene zu diskutieren? Ich bezweifele
>das. Nun ja,mal sehen. Ich habe nichts gegen Europa oder die Welt, den
>Kosmos usw., finde aber das das Treffen nicht an Zielrichtung verlieren
>muesste.
welche zielrichtung?
(fuer schnellleser, goto skip.)
es ist weiterhin durchaus unklar und omninoes von beginn an, was ueberhaupt die
zielrichtung fuer eine "deutsche medientheorie" sein soll, ausser einem
spezifischen verwertungszusammenhang, in dem fall einem lettre artikel,
geht es nun darum eine touristisch-lockere situation herzustellen?
von hier aus spasseshalber einen block zu rekrutieren gegen diese
oder jene schule? es wirkt etwas oberflaechlich nicht die perspektive zu
beschreiben aus der heraus diese deutsche medientheorie gesehen/konstruiert
wird,
und das bequemerweise als unnoetige "metaebene" auszublenden. ebenso
interessant,
dass sozusagen, aus der niederlaendischen vermarktungsposition, ein
deutscher mediendiskurs
moderiert werden soll, per kollektiv legitimiertem manifest eine trennlinie
eingefuehrt
werden soll, entlang von "praxis" und "theorie", der zweck letztlich im
unklaren bleibt.
aber der nebel ist ja taktisch durchaus nicht unpraktisch.
vielleicht waere es hilfreich wenn geert sein modell deutscher medientheorie
einfach mal zur diskussion stellst (link?), anstatt es aus zitaten von
emails und
rohrpostbeitraegen zusammenzuremixen, denn damit werden die
konstruktionsbedingungen
auch nicht klarer. koennte es sein, dass es bei "deutscher medientheorie"
um eine interessante mini-form des exotismus handelt? eine doppelte romantik?
dennoch, vielleicht gibt es ja einige erhellende medienspuren von der
reformation zur restauration?
oder handelt es sich um ein label, an das sich ein ein relativ homogenes
feld der produktion anschliesst,
a la kraufrock? es ist oft so, dass sich solche labels erst durch export
und beschreibungsprozesse "im exil" entwickeln, und natuerlich ist man schnell
geschmeichelt bei einer netten einladung zur selbstdarstellung.
diese doch etwas verdeckten fragestellungen sind meiner meinung nach
produktiver als ueber den gesetzten gegenstand selbst zu sprechen, und das
glossarium der medientheorie nun durchzudeklinieren um es nebenbei unbezahlt
auf einen quasi-institutionellen server auszulagern. das "thema" ist im
gegensatz
zu den rahmenbedingungen durchaus variabel und abhaengig von diesen. gerade
wenn
man von medien spricht, sind die bedingungen der kommunikation
keineswegs thema fuer eine abgehobene "metabene" oder einer
selbst-vergessenen historisierung.
wir koennen nebenbei auch nichts mehr daran aendern dass foucault ein
franzose und adorno
ein deutscher war, und es sollten hoffentlich in zukunft attribute einer
vernachlaessigbaren
regionalisierung sein, denn das ist die verheissung intelektueller
debatten, dass sie
unversalisierbar sind, dass man eben nicht festgeschrieben wird, "ah der
ist deutscher".
das ist, fuer mein empfinden, eine kleine, billige art des intellektuellen
rassismus,
die in vielen arten existiert. etwas fuer kneipengespraeche, bestenfalls,
aber einfach
kein thema fuer eine konferenz. es geht eben nicht schlicht um
"deutschsprachigkeit".
es geht um das produktiv-werden dessen was im ominoesen, unklar-kontingenten
vor sich hingaert, und zu diesem zweck dort belassen wird.
daran aendert auch der wiki nichts, und die fleissigen und durchaus sinnigen
und schlauen anmerkungen von florian und vielen anderen. wieder einmal
wurde ein thread
angezettelt, leute zum sprechen "verfuehrt", nun moechte man doch gerne
wissen, wozu ueberhaupt, die eigentlich relevante frage.
die tatsache dass es ein manifest gibt, erklaert noch nicht wofuer.
das war bei den futuristen nicht anders. es bleibt die vage vermutung
dass aus der lokalen situation einer gewissen verarmung, ein gesamtes
benachbartes akademisches feld fuer seine "content produktion" verehrt wird
und auf vage-vermessene weise anderen produktionszielen zugefuehrt werden
soll,
diese ziele bleiben aber letztlich unklar, oder in ihrem ziel-sein-wollen
selbstbezueglich, aka voluntaristisch. man koennte ebensogut, wenn
nicht weitaus schluessiger die deutsche theaterscene diskutieren.
und schon waere man wieder bei den produktionsbedingungen.
(kutltursubventionspolitik usw.)
der wiki, wie schon angemerkt wurde, ist fuer das fuehren einer
(dialogischen) kontroverse
ungeeignet, auch fuer manifeste wohl, vor allem wenn der veranstalter
selbst, sich
nicht wirklich der diskussion zu stellen bereit ist, sondern eher an einer
vagen
verwertung interessiert scheint.
also nochmal, da es so dermassen unklar geblieben ist:
die europaeische frage ist in der tat unpopulaerer als die deutsche
frage, vor allem wenn man sie von holland aus stellt, weit unpopulaerer
als die auslaenderfrage oder die "darf ein regisseur fuer seine schlechten
filme getoetet werden"-frage.
wenn es also allgemein um medientheorie geht, gibt es keinen vernuenftigen
grund diese um das "deutsch" label herumzuorganisieren, wie eine
fussballmannschaft,
ausser eben, ein goethe-aehnliches institut zahlt, warum also nicht gleich
mouse on mars dazu einladen
und eine lustige party feiern?
und wenn also versucht wird implizit-vage die deutsche frage zu stellen, um
sie umso undeutlicher im aussen des netzes oder amsterdamer coffeshops
aufzuloesen
um sie liberalistisch irgendwo hin zuverschieben, in fiktive "netzkultur"
und den "datenraum" vielleicht, kann man eigentlich auch und gerade wenn
es langweilt, nur mit der europaeischen frage darauf antworten,
das entspricht zumindest in etwa derzeitigem stand der politik nicht
mehr und nicht weniger. politik als praxis. die politik als
bewertungszusammenhang,
wenn es nicht stoert, gerade wenn von theorie und kritik gesprochen wird,
aber die aufmerksamkeit am politischen vorbei auf die aesthetik gelenkt wird.
also geht es nicht um die entscheidung zwischen
apriorischer technik vs. kultur vs. medienschwammigkeit. denn
letztlich ist das eine veranstaltung deutsch-niederlaendischer
kulturdiplomatie,
und darum waere es wert zu sprechen, angesichts der vielfaeltigen krisen in
denen sich diese gesellschaften befinden,
und die frage ist auch, was nutzt die fortschreibung derartiger
nationalunterscheidungen, wenn letztlich
der euro/dollar kurs wahrscheinlich konstitutiver ist als alle medien. darum
europa.
dass zwischen "volk" und "macht" eine entfremdung stattfindet ist ja auch
gerade
medial nicht ganz untinteressant, wozu werden nebelwerfer eingsetzt?
die wachsende unfaehigkeit ueber das politische
der datenstroeme zu sprechen, deutet gerade auf die totalitaet ihrer politik,
oder zumindest auf die streng gehuetete pragmatische esoterik eines
spin-doctor-expertentums.
statt zu einem gesamttreffen einer noch nicht existierenden sportart
einzuladen,
auf die viele zu warten scheinen, waere das problem eher, wie man am
filmemacher van gogh sieht,
die jeweilige krise der jeweils nationalen kultur, zumindest was die
niederlande angeht,
zum anlass fuer eine konferenz zu nehmen. zwei kulturen die fuer ihre
probleme anscheinend
keine loesungen parat haben, geschweige denn ihre medienkulturen, oder gar
netzkulturen
(was immer das sein soll). es geht also nicht um ein heroisieren des
scheiterns, sondern
um eine anerkennung des problems einer produktion organisierter inkompetenz
mit der das eigenstaendige denken diszipliniert/kontrolliert wird. van gogh
ist teil
einer nicht-funktionierenden medienkultur, die es zu analysieren
interessanter waere
als das angebot einer lustigen butterfahrt.
>> skip
vielleicht waere eine internationale konferenz zu den
ereignissen um "submission" sinnvoller. meiner meinung nach,
ein durchaus schwacher propagandafilm im stile von "der ewige jude" aber
ist das ein grund jemand umzubringen? und was sagt das zum
zustand der offenen gesellschaft und seiner provokativen
kuenstler/theoretiker? dazu koennte man doch auch in lettre mal diskutieren,
aber das waere wahrscheinlich zu aufregend...