[rohrpost] Medientheorie - Das Wikiexperiment

mercedes bunz mrs.bunz at de-bug.de
Die Nov 23 12:22:17 CET 2004


>ob deutsche medientheorie exotisch ist kann ich schwer beurteilen. denkt
>man/frau bei jeden satz von nietzsche und benjamin an lebkuchen und
>neuschwanstein?


uh. geert ist frustriert. das kann ich irgendwie 
verstehen, auch wenn das hochfahren bei deutsch 
sicher keine überraschung ist. die frage ist, ob 
es auch gelingen kann, deutsch nicht so wichtig 
zu nehmen. selbst wenn ich absolut hinter "nie 
wieder deutschland" stehe, springe ich auf 
deutsche medientheorie nicht allergisch an und 
habe eigentlich nicht das gefühl, hier geht es um 
den beitritt zum bund deutscher mädels oder so. 
sicher, man muss bei nationalen begriffen genau 
hingucken, aber man muss trotzdem nicht immer den 
begriff so pathetisch lesen und "achtung! 
gemeinsamkeit!" schreien, wie es einem die nazis 
vorexerziert haben.

man kann deutsch bei deutsche medientheorie auch 
anders verstehen, denn als identitätsstiftendes 
prinzip. eher als lockerer verbund einer 
zufälligen lokalen gemeinsamkeit, ähnlicher 
lektürepraxis und buchstabenerfahrung mit dennoch 
unterschiedlichen herangehensweisen, etc. geht ja 
auch nicht darum, dass man jetzt das deutsche 
betont. eher das medientheoretische - und da gibt 
es ja nunmal im deutschsprachigen irgendwie so 
lektüre und diskussionsgemeinsamkeiten, in deren 
feinheiten man nicht vorstoßen könnte, wenn man 
jetzt was internationales macht. oder was 
europäisches.

besides: medientheorie ist eh schon krautrock, 
meint also: eh schon sehr deutsch. woanders 
spielt der begriff "medien" eine weitaus 
geringere rolle in der intellektuellen debatte. 
hier dagegen hat er ganze deutsche forschungs- 
und kulturförderungen gepflastert. der begriff 
medientheorie ist also deutsch, aber eben nicht 
voll mit etwas spezifisch deutschem. dazu ist er 
zu divergent. deshalb, pit: europa: sowieso, aber 
klar. aber eben nicht einfach als größeres 
deutschland. das wäre doch auch nur wieder ein 
pseudo-internationalismus. glaube eh: die 
deutschland debatte ist eine andere und eigene im 
gegensatz zur medientheorie-debatte. dass da, bei 
dem medientheorie-ding, keine klare zielrichtung 
auszumachen ist, mag nichts heißen. ein gewusel 
ist da nämlich schon, das aufmerksamkeit verdient 
hätte.

es gibt in der medientheorie, jetzt nachdem die 
stumpfe stierköpfigkeit von technikdetermination 
vs. das-subjekt-kann-aber-doch-entscheiden 
beendet ist, einiges zu diskutieren, auf 
jedenfall in der begrifflichen organisation. denn 
wenn man beides zusammen denkt, veränderbarkeit 
durch subjekt und determination durch medium, wie 
macht man das? wenn das medium keinen stabilen 
sinn hat, sondern selbst veränderbar ist, was 
bleibt dann noch von der theorie, dass medien 
etwas anderes tun, als sich dem vorhandenen 
einfach anzuschließen? wie stark ist ein medium 
(ich hoffe doch, ein wenig!)? was passiert im 
moment des anschlusses? kann man die 
hardware-software-trennung, die trennung in form 
und medium bzw. in medium und daten noch weiter 
aufrecherhalten? was kann man anstelle dessen 
denken? wie interagieren sie?
muss man sich den inhalten wieder stärker 
zuwenden? wie, mit welchen ansätzen kann man den 
datenflüssen mehr aufmerksamkeit schenken? wirken 
datenflüsse, wirken inhalte auf medien zurück? 
und wenn man sich in der medientheorie gerne auf 
das archiv und die postivität von foucault 
berufen hat, welche rolle spielt der begriff der 
positivität?
und - angesichts von ca. 20 jahren medientheorie 
als strömung, da steht auch die eigene 
historisierung an, zum beispiel woher kommen 
welche einsätze in der medientheorie und welche 
kann man davon heute noch brauchen? was waren die 
wichtigsten einsätze? vor welchen resten der 
hermeneutik muss man sich immer noch in acht 
nehmen? oder braucht das kein mensch mehr? kann 
man die bewegung, die gerade einsetzt, mit dem 
begriff der kulturtechnik fassen? ist damit alles 
gesagt? was nicht? welche anderen modelle gibt es?
das wären mal so ein paar fragen.