[rohrpost] Medientheorie - Das Wikiexperiment

Till Nikolaus von Heiseler Till_N_v_Heiseler at web.de
Don Nov 25 12:57:10 CET 2004


So, ich denke, jetzt sollten wir einen Schnitt machen und alles Persönliche heraushalten. Auf Geert wurde, denke ich, nun genug herum gesprungen. Und wer daran interessiert ist, das alles aufzuarbeiten, kann ja auf der cc-Ebene (im kleinen Kreis) die Dinge klären. 

Was allerdings interessant zu analysieren wäre, ist, die Dynamik, die auf einer derartigen Mailingliste stattfindet. Und ich denke, dass die Schwierigkeiten in der Unfähigkeit liegen, diese Dynamik zu analysieren. Man müsste es schaffen, mit medientheoretischen und vielleicht auch soziologischen Ansätzen dahin zu kommen, nicht nur die real stattfindende Kommunikation zu analysieren (wobei man die Psychologie vielleicht besser - so weit wie möglich - weg lässt), sondern tatsächlich mit operativen Mitteln zu bearbeiten. 

Auffällig war, dass es auf der Liste immer wieder Ansätze der Theorie gab, die ignoriert wurden. Jeder kann sich vielleicht nur immer an seine eigenen Versuche erinnern, weil es ja dann zu keinerlei Diskurs kam. Dann hat Geert mit seiner doppelten Symbolisierung Institut und lettre-Artikel es irgendwie geschafft, einen Diskurs loszutreten. Und sehr viele haben geantwortet und sich vielleicht im Nachhinein darüber geärgert, dass es sich um einen Diskurs handelt, der nicht aus sich selbst entstanden ist. 

Kommunikation ist aber immer mit Motiven verknüpft und die haben immer eine entsprechende symbolische und damit unaufgeklärte Dimension. Wenn man versucht, hier ohne entsprechende Symbolisierung etwas ins Laufen zu bringen, dann gibt es keine Chance, dass jemand darauf antwortet. Im akademischen Bereich gibt es andere Formen der Symbolisierung, so dass heutige Philosophie, Medientheorie, Kulturwissenschaften etc. sicherlich in ihrer Ausbildung stark von kontingenten Einzelentscheidungen für Reputation und Karriere bestimmt sind. Nur hat die akademische Wissenschaft gewisse Formen entwickelt, wie diese Dynamik durchaus fruchtbar werden kann und ihre Riten der Publikation und des Gesprächs auf Tagungen ist vielleicht nicht optimal (insbesondere deshalb nicht, weil es kaum reflektiert wird und die medialen Bedingungen sowohl in technischer als auch konventioneller Dimension nicht in den Blick kommen und deshalb auch nicht bearbeitet werden können), aber sie stellen genug Freiheitsgrade zur Verfügung, um sehr Unterschiedliches möglich zu machen.

Für mich würde sich die Frage stellen, ob es möglich wäre, gewisse Tools der Kollaboration in die Wissenschaft zu implementieren. Wahrscheinlich müsste man hier erst einmal in einem kleinen Kreis anfangen und vielleicht der betrüblichen Tatsache ins Auge sehen, dass Personen die keine Bücher und Artikel schreiben können, wahrscheinlich auch diese Tools nicht in einer Weise gebrauchen können, dass das Ergebnis interessant ist. Allerdings ginge es nun gerade darum, eine formalisierte Offenheit zu erreichen und Unwahrscheinlichkeiten herauszufordern. 

Was die Tagung angeht: Wir haben vor einem Jahr versucht, unterschiedliche experimentelle Tagungen - Tagungen, in denen mit theatralen Mitteln gearbeitet wird - zu entwickeln. Das Ganze ist dann an der Finanzierung gescheitert. Grundidee war, dass jedes Gespräch zwischen einem akademischen Theoretiker und einem Medienaktivisten stattfinden soll.  

Hierzu ein kleiner Auszug aus einer e-mail: 
„Ich weiß nicht, ob das für Sie bisher vollkommen klar geworden ist. Aber ich wende mich an Sie nicht als Funktionsträger, sondern als Denker. Das Programm besteht darin, in speichermedialer Kommunikation sich immer an eine einzige Person zu richten.  

Wir möchten eine meta-theoretische Praxis entwickeln, in der Elemente des Theaters auf die Kommunikation von Theoretikern übertragen werden. Dazu brauchen wir Theoretiker, die  neue Formen der wissenschaftlichen Kommunikation, also neu Formate ausprobieren wollen und Speichermedien (Text- und Audioformate) nicht mehr konventionell gebrauchen, sondern diesen Gebrauch nicht nur theoretisch reflektieren, sondern auch operativ und praktisch-experimentell. 

Die Theorie, die dahinter steht, ist, dass die Formate des konventionellen Mediengebrauchs, also auch die Formen der wissenschaftlichen Distribution, die Produktion und damit das Denken formen. Die Imagination des Ergebnisses formatiert die Produktion und die Formen des Denkens in einer zwar weitgehend anschlussfähigen aber mehr oder weniger redundanten Weise.“  

Wir stellen unsere Überlegungen in Bezug auf experimentelle Tagungen und einer Annäherung an Medientheorie mit theatralen Mitteln gerne zur Verfügung, falls es jemanden interessierst. Wir haben auch eine Seite im Netz, auf der ein kleiner Teil der Überlegungen wohl noch zu finden ist. Hier besteht auch das Archiv eines Internet-Colloquiums, das wir in diesem Jahr durchgeführt haben und das im SS 05 fortgesetzt wird.   

Glück zu allen!
till






Sophia Nabokov <sophia_nabokov at yahoo.de> schrieb am 24.11.04 22:09:39:
> 
> 
> Liebe Liste,
> Keine Ahnung, was uns die Autorin hier sagen will.
> 
> >Was ich nun von dir, Geert, erwarten würde, ist
> >weniger, das trotzige Kind zu spielen, sondern mal
> >irgendeine theoretische Äußerung zu machen. 
> 
> Ist es wirklich so abseitig? 
> 
> Wir warten immer noch darauf. 
> 
> Es kann ja auch eine Erklärung sein, was die Tagung
> soll. Oder wo die zur Zeit gängige Medientheorie irrt.
> Nur dann bitte einmal genau und mit einem Verweis, wo
> man weiterlesen kann. Das meine ich jetzt nicht
> ironisch.
> 
> Dass das so nicht klappt, war klar, als das Wiki
> eingerichtet wurde und von der Methode her nicht
> durchdacht war und alles zusammengefasst wurde, ohne
> sich auf das Material der Diskussion zu beziehen. Und
> es war klar, dass es deshalb nicht weiter geht, weil
> Medientheoretikern, den wirklichen sozusagen, das
> alles zu ungenau ist. Die gehen auf das wiki und lesen
> den ersten Satz:
> Bestehende Theorien sind unzureichend für die
> Betrachtung zeitgenössischer Kultur.
> Jeder, der schon einmal ein Buch über Medientheorie
> geschrieben hat, kann das ja nur als Beleidigung
> empfinden. Jeder, der gewohnt ist, über etwas
> nachzudenken, fragt sich: Was ist mit „bestehenden
> Theorien“ gemeint. Für was sollen sie unzureichend
> sein? Für die Betrachtung? Theorie kommt doch
> irgendwie sowieso vom altgriechischen Wort „Sehen“
> (wie übrigens auch Theater). Was ist das also für ein
> tautologischer Blödsinn? 
> 
> Also, wie ich die wissenschaftliche Rhetorik verstehe,
> geht das doch normalerweise so vor sich: Man
> beschreibt irgendwie, was es für Theorien gibt, indem
> man sie kurz skizziert und Fußnoten dran heftet und
> dann wirft man ein Problem auf, das mit der alten
> Theorie nicht gelöst werden kann. Entweder sagt man
> dann, dass die Perspektive nicht so wichtig war für
> das eigentlich Problem (also: die alte Theorie
> erklärt, das, das ist aber gar nicht so wichtig,
> sondern dies und dies erklärt die alte Theorie nicht),
> oder man weist einen Denkfehler nach oder nimmt einen
> Streit und öffnet ihn für einen neuen Aspekt. So in
> der Art. Oder man kann auch verschiedene Theorien
> kombinieren. Schon „bestehende Theorie“ ist ungenau.
> Es kann nur heißen, die zur Zeit diskutierten
> Theorien. Wer weiß, was es alles noch an
> Theorie-Bestand irgendwo gibt. Übrigens hatte ich ja
> die Frage nach dem Wozu der Medientheorie aufgeworfen
> und Sascha Brossmann hatte mir geschrieben, dass es
> kein Wozu gebe oder das erst in Nachhinein entstünde.
> Formuliert man den Satz oben um, kommt heraus: 
> 
> Der Sinn von Medientheorie ist zeitgenössische
> Kultur-Betrachtung.
> 
> Na ja, es liegt also daran, dass hier so schlampig
> gedacht wird, dass kein akademischer Theoretiker sich
> auch nur die Mühe macht, etwas zu kritisieren. 
> 
> Außerdem kommt ja Theorie auch nicht wie eine
> religiöse Erweckung über einen, sondern baut immer auf
> andere Theorien auf. Also, aller bestehender Theorie
> ein Ungenügend zu erteilen, bringt uns einfach nicht
> weiter. 
> 
> >>Aber man sollte doch mal festhalten, dass die Art,
> wie Geert diese Konferenz andiskutiert hat, für diese
> Art von Veranstaltung ziemlich transparent ist.<<
> 
> Also für mich ist nichts transparent! Was ist der
> Sinn? Soll irgendeine Position betont werden? Was für
> ein Budget gibt es? Wer kann wo konkrete Vorschläge
> machen? Wie gesagt, ich halte das mit der „deutschen
> Medientheorie“ für einen Trick, um theoretische Fragen
> gar nicht erst aufkommen zu lassen. 
> 
> ...und zum Schluss noch eine kleine Erklärung zu
> unserem süßen Schmoller Geert...
> 
> das „süß“ bezog sich auf eine Vergangenheit, in der
> ich enttäuscht war, weil ich wusste, dass das so mit
> dem Wiki schon im Ansatz nicht funktionieren wird.  
>  
> Hier das Material (das für sich spricht); 
> - auch wenn Claus Pias meint, dass Material nie
> spricht - 
> 
> 
> Mon, 08 Nov 2004 14:50:01 +0000
> 
> Ich unterstuetze was Florian sagt.
> 
> Ich fand Sophia's Drang zur Enttaueschung suess.
> Superdeutsch. Etwas 
> hat
> noch nicht mal angefangen und schon sind einige
> enttauescht. Und mit
> welchen Poetik. Ich bin eifersuchtig.
> 
> Aber schluss jetzt mit dieser nationalen
> Indentitaeterei. An die wikis!
> 
> Geert
> 
> 
> Für mich entscheidend: Schweigen von allen
> Vielschreibern. 
> Niemand, der von den normalen Schreibern, zu dieser
> Unverschämtheit etwas sagt.
> 
> 
> Mon, 08 Nov 2004 15:24:24 +0100
> 
> Lieber Geert:
> 
> > >Ich fand Sophia's Drang zur Enttaueschung suess.
> 
> Du uebersiehst da ein Gender-Problem. Die Herrenrunde,
> die da 
> diskutiert, 
> hat tatsaechlich Zuege von Arroganz (und zwar von
> unberechtigter); 
> darauf 
> solltest Du nicht einschwenken.
> 
> tschues und Gruss
> Hartmut
> 
> Henning Ziegler:
> Mon, 8 Nov 2004 18:47:45 +0100
> 
> Das mit der Herrenrunde ist in der Tat bemerkenswert.
> Aber es gibt ja 
> noch Mercedes Bunz. :-)
> 
> 
> 
> Davor kam von Geert an mich privat: 
> 
> Von:	"geert" <geert at xs4all.nl>
> An:	"Sophia Nabokov" <sophia_nabokov at yahoo.de>
> Datum:	Mon, 08 Nov 2004 08:58:26 +0000
> 
> my advice: nimm ein geek als boyfriend!
> 
> 
> Also, worauf wir alle warten, Geert, ist ein
> sachliches Statement! Keine Pennälerwitze über Berlin!
> Keine privat geschickten Unverschämtheiten, sondern
> einfach mal eine These zur Medientheorie! 
> 
> Hier noch zur Ergänzung ein anderer Text von Wolfgang
> Ernst, der an der HU Berlin arbeitet. Das ist doch
> eine Basis, auf der man vielleicht über etwas
> nachdenken kann!
> 
> Homepage des Autors:
> http://www.medienwissenschaft.hu-berlin.de/~ernst/
> Wolfgang Ernst
> Zum Verhältnis von Medientheorie und Medienphilosophie
> "Téchne" war immer schon das gemeinsame Bezugswort von
> Philosophie und Wissenschaft. Bei Platon meint
> "téchne" das Erkennen schlechthin, steht also auf der
> Seite der Theorie: ein ursprüngliches Kennen der
> "physis". Der (altgriechische) Begriff der Theorie ist
> ein originär philosophischer; auch ein philosophischer
> Begriff des Mediums läßt sich von Aristoteles ("to
> metaxy") bis Hegel höchst materiell fassen (Luft,
> optische Gläser). Und Logik, von Parmenides glasklar
> entwickelt und mit Philosophen wie Georg Klaus in der
> Kybernetik gipfelnd, ist ein philosophischer Modus
> Operandi. Um aber Medien zu dem, was kulturtechnisch
> zur Bedingung des Machbaren und im Computer universal
> wurde, eskalieren zu lassen, bedurfte es einer
> Konvergenz ganz anderer Praktiken jenseits von
> Philosophie, von der Ingenieurskunst bis hin zur
> Quantenphysik. Das "close reading" dieser
> Konfigurationen bedarf einer
> praktisch-medienwissenschaftlichen und
> reflektierend-medientheoretischen Kompetenz, welche
> die Grenzen der Philosophie sprengt; umso dankbarer
> sind wir für Philosophinnen wie Sybille Krämer, welche
> Medienbegriffe aus ihrer Disziplin heraus theoretisch
> wie auch historisch (Leibniz' Kalkülisierung des
> Denkens) beschreibt. Eine gewisse philosophische Ferne
> der konkreten Materialität und Historizität von Medien
> gegenüber jedoch macht eine genuine Medientheorie
> notwendig. Schön, daß es aus wohldefinierten
> Disziplinen heraus Anschlüsse zum Denken der Medien
> gibt. Aber akademische Medienwissenschaft entstand
> gerade aus der Einsicht, daß es angesichts der
> aktuellen Wirkungsmächtigkeit einer Realität namens
> Medien einer eigenständigen disiziplinären Matrix
> bedarf, um diesen Gegenstand hinreichend zu fassen.
> Aufgabe von Medientheorie ist es ferner, die
> Medialität von Theorien selbst zu benennen: ist dieser
> Begriff doch einem konkreten medienhistorischen
> Dispositiv (dem Theater) und der abendländischen
> Privilegierung der Sichtbarkeit (dem optischen Kanal
> von Datenübertragung) geschuldet. Ich bin mir mit
> Frank Hartmann einig, der im Interview betont, daß
> auch visuelles Design, DJ-ing oder Programmieren als
> eine Form philosophischer Reflexion zu achten sind.
> Digitale Medien selbst sind potentiell theoriefähig -
> auch in dem Sinne, daß sie ohne Theorie (rein als
> Maschinen) nie zustandegekommen wären.
> Wenn Medien im Fach Philosophie bedacht werdern, ist
> dies zum Nutzen der Medienwissenschaft - solange die
> Begriffe "Medien" und "Philosophie" nicht hybrid
> konvergieren, sondern in ihrer gegenseitigen
> Beobachterdifferenz produktiv bleiben.
> "Medienphilosophie" hingegen ist eine Subdisziplin der
> Medienwissenschaft, wie auch Medienanthropologie,
> -soziologie, -archäologie. Hier mögen dann diejenigen
> Denker zum Zug kommen, die Medien etwa dezidiert von
> der phänomenologischen Seite aus analysieren - im
> Unterschied zu denjenigen Medienwissenschaftlern, die
> sich den Mühen unterziehen, auch mathematische
> Operationen des Programmierens zu betreiben oder die
> elektrotechnischen Details von Chip-Architekturen zu
> analysieren (denn erst auf dieser Ebene gibt es Medien
> als epistemische Dinge).
> Medientheorie ist der akademische Ort expliziter
> Reflexion dessen, was als implizites Medienwissen
> täglich Praxis ist. Sie sucht symptomatologisch jene
> Fragen zu formulieren, auf welche real existierende
> Medien längst eine technische Antwort sind. Aufgabe
> von Medientheorie ist es, einerseits zu erforschen und
> (streng mit Hegel) auf den Begriff zu bringen, wo die
> entscheidenden Fragen an Medien(praktiken) liegen, und
> darüber hinaus zu helfen, diese Fragen maßgeblich zu
> machen - als Modus der Wahrnehmung, der Schau, der
> "theoria" (der medienarchäologische Blick).
> Wenn Medien auf den Begriff gebracht werden, ist dies
> nicht nur philosophisch, sondern auch im Sinne von
> Hardware gemeint - und sei es durch Löten von
> Schaltungen, denn erst hier wird philosophische Logik
> operativ.
> Frank Hartmann beschreibt die deutsche
> medienphilosophische Debatte als eine, für welche
> "Medium" eine Substantivierung bedeutet, die es
> anderswo so nicht gibt - "eine Sprachfalle
> gewissermaßen, in die gerade die Philosophen gern
> hineintappen". Tatsächlich gibt es ja Medien nicht nur
> als syllogistisches Vehikel, sondern als apparativen
> Gegenstand. Diese Materialität immer mitzudenken mag
> ein Zug dessen sein, was aus amerikanischer Sicht
> gerne "Germanic media theory" genannt wird.
> Wie weitreichend ist diese Medientheorie? Ihre Aufgabe
> liegt nicht in autoritativer Diskurskontrolle von
> Medienbegriffen, sondern im Angebot von "Definitionen"
> (und das meint buchstäblich: Grenzen von
> Medienbegriffen zu testen). Es gilt also Medien von
> Nicht-Medien unterscheidbar zu halten. Medien meinen
> sowohl physische wie logische Artefakte, doch damit
> gerinnt nicht schon jede Form der
> Wirklichkeitserzeugung zu einer medialen Performanz.
> Medientheorie ist der Ort, Definitionen des Mediums
> und der Medialität, konkret: die drei
> kulturgenealogischen Wellen von Symbolerfindung, ihrer
> mechanischen Reproduzierbarkeit und ihrer mathematisch
> augmentierten universalen Berechenbarkeit in
> historischer und theoretischer Breite zu reflektieren.
> Dies nicht, um in Angleichung an die Objekte selbst
> technoid zu werden und Medientheorie ausschließlich
> auf Apparate und Signalübertragung zu reduzieren,
> sondern um die Analyse medialer Übertragungsprozesse -
> was der Begriff schon nahelegt - um die Dimension
> einer kulturellen Metaphorologie zu erweitern. Genau
> in der Kombination von akademischen Reflexion mit
> technologischer Kompetenz liegt die kritische Chance
> der Medientheorie, sich wohldefiniert gegenüber einem
> inflationären, außer Rand und Band geratenen
> Medienbegriff zu profilieren. Dabei ist die konkrete
> Archäologie der Medien der Lackmustest für alle
> Medientheorie - während Medienphilosophie in dieser
> Hinsicht gelegentlich nachlässig, ja unscharf ist.
> Medientheorien (sowohl auf die "alten" analogen als
> auch die "neuen", digitalen Medien bezogen) suchen
> nach Orten, Momenten, Ereignissen der Konvergenz von
> Theorie und Medienpraxis - und nach der Medialität von
> Theorien schlechthin. Historische Medientheorien sind
> dabei Funktionen einer jeweiligen medienkulturellen
> Kompetenz. Immanuel Kant, dessen 200. Todesjahr wir
> nun bedenken, beschreibt - avant la lettre - das
> Prinzip der Turing-Maschine in seiner Schrift "Über
> den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein,
> taugt aber nicht für die Praxis"; hier verheißt er
> gleich zu Beginn: "Man nennt einen Inbegriff selbst
> von praktischen Regeln aldann Theorie, wenn diese
> Regeln als Prinzipien in einer gewissen Allgemeinheit
> gedacht werden, und dabei von einer Menge Bedingungen
> abstrahiert wird, die doch auf ihre Ausübung notwendig
> Einfluß haben." Tatsächlich ist damit das Verhältnis
> von Hard- zu Software definiert. Medienbegriffe
> erschöpfen sich eben nicht in ihrer diskursiven
> Reflexion (das Reich der Philosophie), sondern sind
> erst im Moment ihrer technischen Implementierung
> welterzeugend. Dies ist das mediale Moment von
> Theorie: von Theorie-Maschinen, wie es der Computer in
> Hinsicht auf die universale Turing-Maschine von 1936
> ist, die als mathematische Stellungnahme auf Papier
> entstand.
> Wo die Mathematisierung der Maschine (frühe
> Rechenmaschinen) mit der Mechanisierung der Mathematik
> konvergiert (George Booles "Forms of Thought" etwa,
> bis hin zu Hilberts Metamathematik), wird die Maschine
> theoretisch und die Theorie maschinal. Ihre
> Welthaftigkeit liegt in der physikalischen
> Implementierung. "The abstract idea of a machine, e.
> g., an adding machine, is a specification for how a
> physical object ought to work" (Marvin Minsky). Hier
> kommt Leibniz ins Spiel, der das Kalkül nicht nur
> dachte, sondern auch als Bauanleitung realisierte -
> ein Moment, wo aus philosophischer Spekulation
> Medientheorie wird.
> Brilliante Denker wie Mike Sandbothe bieten das, was
> ausdrücklich unter dem Namen Medienphilosophie
> firmiert. Doch die "experimentelle
> Medienepistemologie", die er verlockend in Aussicht
> stellt, gründet sich bei ihm pragmatistisch eher im
> alltäglichen common sense denn in einem close reading
> der dies steuernden Technologien. So beeindrucken
> Analysen zur "Medienzeit", die etwa an Ilya Prigogines
> Werk anknüpfen. Zur präzisen Analyse zeitkritischer
> Operationen elektronischer Medien aber arbeiten sich
> diese Analysen nicht vor, sondern verbleiben im
> medienphilosophischen Diskurs. Medienphilosophische
> Fokussierungen einer Phänomenologie des Internet
> reichen bei aller Inspiration nicht wirklich zu einer
> Kulturtheorie digitaler Medien oder gar einer
> Medientheorie, solange sie sich ausdrücklich gegen
> "strenge Definitionen des Medienbegriffs" (Sandbothe)
> wenden. Charakteristisch ist der Katalog seiner
> Adjektive, die seine Untersuchung über "Globalität als
> Lebensform" kennzeichnen: ethische, moralische,
> politische, rechtliche Aufgaben des Internet - aber
> keine kommunikationstechnischen. Sandbothe ist dort
> stark, wo er eine "pragmatische Kulturwissenschaft"
> unter Berücksichtigung der Medien betreibt - aber das
> ist eben keine genuine Medien-, sondern
> Kulturwissenschaft. Ein "Beobachter dritter Ordnung"
> (Pragmatische Medienphilosophie) ist doch etwas weit
> entfernt von einer praktizierten Medienwissenschaft.
> An dieser Stelle ist Medientheorie unerbittlich. Auch
> Frank Hartmann, interviewt von Geert Lovink, bleibt
> hier liberal: "Statt einer präzisen Definition des
> Medienbegriffs stelle ich mir lieber ein Gemenge aus
> soziologischen, philosophischen und semiotischen
> Fragestellungen vor, die mit den Problemen unserer
> technisch fortgeschrittenen Kultur zu tun haben."
> Medienwissenschaft aber ist eine wohldefinierte
> Disziplin und bedarf daher eines theorisch fundierten
> Medienbegriffs (gerne auch im Plural) ebenso, wie es
> etwa auch Literatur- und Geschichtswissenschaft, aber
> auch Physik und Informatik für sich beanspruchen.
> Interessant ist die intellektuelle Genese von Norbert
> Bolz; seine selbst deklarierte Konversion vom profund
> gebildeten Philosophen zum Medientheoretiker lief über
> die Lektüren Walter Benjamins. So setzt seine
> Medienwissenschaft am blinden Fleck der Kritischen
> Theorie um Horkheimer / Adorno an. Die Stärken von
> Medienphilosophen (etwa auch Marc Ries) liegen ganz
> sicher darin, medienkulturelle Fragen an konkreten
> ästhetischen Objekten durchzuspielen, doch ringen sie
> sich dabei zumeist weder zu einer wohldefinierten
> Kommunikations- noch zu einer Medientheorie durch.
> Kultur und Medientechniken werden hier zwar als
> unvordenkliche Kopplung durchdekliniert, ohne die
> Transparenz präziser kulturtechnischen Analysen zu
> erringen. In einer Medienkultur unter hochtechnischen
> Bedingungen aber langt es nicht mehr hin, nur
> Text-Bild-Verhältnisse zu untersuchen, wenn dazwischen
> längst die Operativität von Zahlen steht. Da Medien
> nicht nur Funktionen von Diskursen sind, sondern ein
> komplexes "fundamentum in re" in Hardware und
> Apparaturen haben, darf auch die technische Kompetenz
> nicht zu kurz kommen.
> Wenn der Blick auf das Internet zur Theorie
> sozio-medialer Räume wird, ist auch dieser Typus von
> Analyse eher phänomenologisch denn
> kommunikationstechnisch, eher medienphilosophisch denn
> medientheoretisch informiert. "Überlegungen zu einer
> Phänomenologie medialer Lebenswelten" (Marc Ries)
> resultieren in Medienphilosophie, nicht -theorie.
> Beide Ansätze - der philosophische und ästhetische
> einerseits, der technische und medienarchäologische
> andererseits - sind, arbeitsteilig, aufeinander
> angewiesen.
> 
> 
> 
> 
> 
> 
> 
>  --- Claus Pias <claus.pias at ruhr-uni-bochum.de>
> schrieb: 
> > 
> > Wolfgang, liest Du eigentlich mit?
> > Herzlich, C.
> > 
> > 
> > 
> > Am 24.11.2004 um 01:18 schrieb Sophia Nabokov:
> > 
> > > Have a look at my
> > > homepage (www.verzetteln.de/ernst) ...
> > 
> > 
> > Not Found
> > 
> > The requested URL /ernst was not found on this
> > server.
> > Apache/2.0.52 (Gentoo/Linux) mod_ssl/2.0.52
> > OpenSSL/0.9.7d PHP/4.3.4 
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