[rohrpost] Tiamat Verlag verbietet link auf einem Internetseminar

sascha brossmann news at brsma.in-berlin.de
Mit Aug 17 10:09:49 CEST 2005


on 8/16/05 2:15 PM, sven wrote:
> auf der idee geistigen eigentums basierende gesetzte haben dafür die
> grundlage geschaffen und das nicht erst seit heute sondern schon
> seit mindestens 1710 (statute of anne).

wenn man das ganze ein wenig weiter betrachtet sogar schon erheblich
früher. siehe z.b. machlup, fritz: report to the subcommittee on
patents, trademarks and copyrights of the u.s. senate judiciary comm.,
1958, dt. in: gewerblicher rechtsschutz und urheberrecht, nr. ??/1961.
online u.a. unter http://www.sffo.de/sffo/machlup1.htm (nochmal danke
an ar at gnuwhv.de für den hinweis <g>). der text kann übrigens nichts
für die umgebung, in der er liegt. >;->

> problematisch an massenkultur scheint zu sein, dass die
> definitionmacht, was massenkultur ist, in den händen derer liegt,
> die auch die macht über die distributionskanäle von kultur besitzen.

das zumindest ist die klassische wahrnehmung von machtverhältnissen u.
-strukturen in (nicht nur) diesem bereich. das problem, das ich
allerdings mit "definitionsmacht" - allemal dieser grössenordnung -
habe, ist, dass es die masse der rezipientensubjekte auch in gewisser
hinsicht zu willenlosen idioten degradiert, die zu einer "freien"
entscheidung im grunde nicht in der lage sind. sollte das der fall
sein, sind aber auch ideen wie "demokratie" und konsorten letztendlich
sinnlos (zu den konsequenzen siehe z.b. lenin, der historisch
erheblich mehr dreck am stecken hat, als man in manchen kreisen gerne
wahrhaben will). akzeptiere ich aber, dass nicht nur ich, sondern auch
der nette proll von nebenan in einem hinreichenden mass über
"entscheidungsfreiheit" verfügt, dann ist die herrschende (sic!)
massenkultur etc. auch eine folgeerscheinung der ästhetischen und
sonstigen präferenzen ihrer rezipienten und mithin von diesen auch
*gewollt*, ob es mir passt oder nicht. das mag durchaus in gewisser
hinsicht beeinflussbar sein, ich glaube aber mitnichten, dass das
letztendlich gegen den willen der betroffenen funktioniert. in dem
zusammenhang kann ich mich z.b. vage an eine studie zur "bild"
erinnern, in der u.a. deutlich wurde, dass sie letztendlich nicht nur
"meinung macht" sondern in erster linie meinungen bedient. (quelle
leider entfallen, vermutlich ca. anfang bis mitte 80er jahre, bin für
hinweise dankbar) das bedeutet aber letztendlich, dass es sich bei der
"definitionsmacht" nicht um eine mehr oder weniger einseitige ausübung
von "macht" handelt, sondern vielmehr um einen rückkopplungsmechanismus
und/oder ein emergentes fänomen. das alles ist nicht ganz ohne brisanz,
wenn man es vor hintergründen wie z.b. "faschismusschuld" etc. betrachtet:
bestand die mehrheit der deutschen nun aus (mit-)tätern oder armen
propagandaopfern? ich für meinen teil neige deutlich in richtung "täter",
wenngleich auch einigen die systemischen auswirkungen ihrer
alltagsentscheidungen möglicherweise nicht voll bewusst waren.

von alldem allerdings nicht berührt ist das problem unterschiedlicher
bildungsprivilegien und intellektueller voraussetzungen durch
gene, herkunft, sonstiges soziales umfeld etc.

> zwischen einem knappem (materiellem) und nichtknappem
> (immateriellem) gut bestehen fundamentale unterschiede.

jein. ich befürchte, dass diese sichtweise den sachverhalt unzulässig
verkürzt, denn nicht-knapp ist bei "GE" nur das "produkt" in seiner
immateriellen distributionsform, nicht aber die für den produktions-
und distributionsprozess notwendigen ressourcen. das ist derzeit
unproblematisch, solange das in akademischen kontexten stattfindet,
denn dort sorgt i.d.r. der institutionelle überbau für die ausstattung
mit den notwendigen ressourcen, von der infrastruktur bis hin zum
lebensunterhalt. weswegen es z.b. nicht im geringsten einzusehen ist,
warum akademische arbeiten (oder auch mit sonstigen gesellschaftlichen
fördermitteln entstandene werke) nicht samt und sonders frei
elektronisch publiziert werden. ausserhalb dieses in dieser hinsicht
privilegierten bereichs sieht es aber anders aus. und das lässt sich
nicht einfach ausklammern. eine ökonomie aber, die die
produktionsbedingungen und -voraussetzungen missachtet, ist keine. und
hier gilt es nach wie vor, einen ansatz zu finden, der auch *das*
hinreichend berücksichtigt. die verstiegenen unverschämtheiten der
wegelagerer der copyrightindustrie von MPAA bis BSA und ähnlicher
banden sind es hoffentlich nicht.

>  GE war ursprünglich eine (notwendige(?)) hilfkonstruktion, um
> _zeitlich_eng_begrenzte_ schutzrechte für nichtknappe güter in
> positivem recht verankern zu können. das war erstens eine vielleicht
> nicht ganz unwichtige voraussetzung zur herausbildund der modernen
> westlichen gesellschaft, anderseits birgt diese voraussetzung in
> sich das potential zur pervertierung, indem >geistiges eigentum<
> ontologisch zu >eigentum< transformiert wird.

à propos: "denn die drucktechnik versprach befreiung aus der
vormundschaft traditioneller eliten. diese vision einer
verallgemeinerung von wissen lässt sich jedoch nur denken auf der
grundlage einer sich abzeichnenden marktwirtschaft, das heisst freier
tausch von waren gegen geld. nicht nur die menschliche arbeitskraft,
sondern auch das menschliche wissen wird damit plötzlich zu einer
ware. allein der kauf des buches berechtigt fürderhin zur nutzung von
informationen." [kloock, daniela/spahr, angela (hrg.): medientheorien.
eine einführung, 2. aufl., münchen: fink, 2000, p. 258] das zitat
nimmt bezug auf giesicke, michael: der buchdruck in der frühen
neuzeit.

auf den ersten blick ein paradoxon: der buchdruck, der zuvorderst eine
befreiung des wissens bewirkt hat, führt über damit verknüpfte
marktwirtschaftliche folgekonstruktionen wie "geistiges eigentum" etc.
auf lange sicht zum gegenteil. ich bin zwar kein freund solch simpler
kausalketten anstelle komplexerer wirkungsgeflechte, dennoch als these
ggf. überprüfenswert, gerade im aktuellen kontext.

> das problem, das ich mit der GPL und CC habe, ist eigentlich das,
> dass sie nur auf basis von copyright/urheberrecht funktionieren
> können. sie sind das richtige-im-falschen, haben das fundamentale
> problem, dann nicht mehr funktionieren zu können, wenn es das
> "falsche" nicht gäbe.

ja. allerdings ist das auch irrelevant: sie sind ja nur im "falschen"
notwendig, im "richtigen" wären sie 'eh überflüssig. <g>

liebe grüsse


sascha