[rohrpost] Re: kunst

hans bernhard play at ubermorgen.com
Die Feb 15 11:33:06 CET 2005


meiner erfahrung nach ist solch eine bewegung, z.b. eben die 
repolitisierung der kunst wie sie z.b. in den USA z.zt. stattfindet [s. 
ARTFORUM, interviews mit the yes men oder schlingensief, oder auch 
critical art ensemble, um nur ein paar akteure "unserer" szene zu 
nennen), immer eine krasse instrumentalisierung zur ablenkung vor den 
massiven problemen der politik und gesellschaft.

in einem projekt namens NAZI~LINE* [gemeinsam mit schlingensief, 2000] 
haben wir diese erfahrung intensiv gemacht - der sinn des projektes 
bestand in der erforschung der frage: warum gibt es in deutschland 
ueberhaupt neo-nazis? was erfuellen sie fuer eine gesellschaftliche 
funktion?

wie in der kunst, bin ich bei diesem projekt auf einen aehnlichen 
prozess gestossen. die jugendlichen arbeitslosen und schlecht 
ausgebildeten kids wurden repolitisiert, primaer von aussen, z.b. 
medien [stern, die welt, etc.], von der polizei [fuer 
spitzel-programme] und von der politik [zwecks reintegrations 
programmen]. natuerlich hat sich dieser prozess dann verselbstaendigt 
und die kids haben sich dann selbst auch so gesehen und dementsprechend 
agiert [in der kunst laeuft das genauso ab, einfach polizei mit stern 
mit ARTFORUM ersetzen, polizei mit galerist und politik mit kritik].

nun stellte sich die entscheidende frage - sowohl fuer die neo-nazis 
wie fue die kunst - des warum? wem dienen neo-nazis? wem dienen 
"politische kuenstler", resp. "politische kunst / repolitisierte 
kunst"?

im jahr 2000 war meine antwort war sehr einfach. allen! der politik, 
der gesellschaft, der wirtschaft, schlichtweg allen, da sie eine 
suendenbock funktion uebernehmen. sie leiten agression ab, sie 
formulieren unausgesprochenes, sie tun unschickliches, und immer sind 
sie klar sichtbar und identifizierbar. ich denke das gilt genauso fuuer 
die kunst.


*http://ubermoren.com/NAZI~LINE


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skype: "hans_bernhard"

Am 15.02.2005 um 08:38 schrieb mercedes bunz:

>>> diegegenwärtige rot-grün subventionierte Gespensterdebatte über eine
>>> "Repolitisierung der Kunst".
>
>
> das finde ich einen sehr guten punkt. das ist mir auch schon 
> aufgefallen. es wird eine repolitisierung der kunst ausgerufen, obwohl 
> im grunde keine depolitisierung stattgefunden hat. tatsächlich hat man 
> nur genau dann, als die politisierung zur strategie der 
> großausstellungsereignis geworden ist, als gegenreaktion die 
> poetischen qualitäten von kunst hochgehalten. was jawohl richtig 
> gewesen. malerei 2000. wobei ich kein stück gegen großausstellungen 
> bin, auch kein stück gegen ereignisse. und im übrigen auch nicht gegen 
> malerei. und auch nicht gegen politische kunst.
>
> nur eben: per se war kunst nie politisch, zumindest nicht mehr als 
> alle anderen felder auch. nicht mehr als alle möglichen strukturen, in 
> denen sich hierarchische verhältnisse festschreiben können. nicht mehr 
> als das private zum beispiel. allerdings konnte in der kunst 
> politisches verhandelt werden. dieses moment ist jedoch nie 
> abgesprochen worden. das heißt also, dass man kunst nicht wieder ins 
> unpolitische zurückgetrieben hat. was also war los? wer brauchte 
> eigentlich diesen ruf nach repolitisierung? cui bono?
>
> denn tatsächlich hat der politische moment der kunst ja hervorragend 
> an der stelle geklappt, an der nicht inhaltsleer nach dem politischen 
> gegriffen wurde - heil dich doch selbst, die flickausstellung wird 
> geschlossen ist hier ein prominentes beispiel, dass die kunst ebenso 
> wie die gegenkultur politisch ist. hochpolitisch. und kickt.
>
> repolitisierung wird einfach am falschen ort gesucht: das polititsche 
> moment der kunst besteht nicht mehr in ihrer autonomie. nicht mehr in 
> irgendeinem spiegelhaften verhältnis. sondern in ihrer involvierung. 
> das interessante ist damit, dass heutzutage eine autonomie der kunst 
> keiner mehr braucht. außer einige politiker, die denken, indem man den 
> verlust der politik in der kunst anprangert, etwas relevantes und 
> bedeutungsschwangeres gesagt zu haben. vielleicht muss man also die 
> kunst gegen diese politiker verteidigen.
>
> -- 
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