[rohrpost] kunst

Henning Ziegler mail at henningziegler.de
Mit Feb 16 10:17:02 CET 2005


Können wir nicht, wie Konrad Becker während des Security-Panels auf der 
transmediale vorgeschlagen hat, zusammen mit den Begriffen 
"Öffentlichkeit" und "Aktivismus" auch noch den Begriff "Kunst" auf 
eine Liste von Wörtern setzen, die niemand in den nächsten 10 Jahren 
theoretisch besprechen oder beschreiben soll? -H


Am 13.02.2005 um 02:31 schrieb Stefan Heidenreich:

> die autonomie-diskussion ist ein paar jahre her. wichtiger ist 
> vielleicht zu sehen, welche widersprüche und grenzen das label "kunst" 
> in der praxis mit sich bringt.
>
>>> will hier jemand die autonomie der kunst retten?
>> Ich. Aber nicht die Pseudo-Autonomie von Museumskunst,
>
> es ist ein altes paradox, dass gerade die kritische, die 
> (re-)politisierende kunst sich am ehesten als staatskunst finanziert.
> wie schlagen die formalien der antragskunst auf deren inhalte durch? 
> wie verhalten sich die rituale am zweiten "markt" (anträge, jurys) zu 
> denen am ersten (messen, sammler)?
> und zur netz-kunst (grob gesagt): weist das label "kunst" nicht den 
> falschen weg, zu den Kunst-institutionen und deren falscher 
> historisierung - wobei die entscheidenden entwicklungen im netz 
> anderswo stattfinden, und die (netz)kunst sie nur zweitverwertet und 
> institutionell anbindet?
>
>> Der Produktionsstandard mag feudal sein, er paßt jedoch ausgezeichnet 
>> in
>> den Kapitalismus. Von allen Künsten ist die bildende Kunst die letzte,
>> die noch Unikat-Objekte produziert und deshalb als spekulative,
>> potentiell hochprofitable Geldanlage taugt.
>
> kapitalistische kulturindustrien vermarkten technisch reproduzierbare 
> medien. wenn man sich die umsätze anschaut, ist kunst marginal. dass 
> die ökonomie der reproduktion, die mit den medien gross wurde, nun 
> endlich beginnt zusammenbrechen, ist das eigentlich spannende 
> kulturelle ereignis.
>
>>>> Kunst ist nicht mehr in der Lage, gesellschaftliche oder politische 
>>>> Fragen
>>>> aufzufangen, da die internen Differenzen des Feldes keinen 
>>>> öffentlichen
>>>> Widerhall finden.
>> Das gilt zumindest für jene Art von pseudokritischer
>> Ausstellungskunst, wie sie z.B. in "October" und "Texte zur Kunst"
>> verhandelt wird. Und nichts belegt Stefans o.g.  These besser als die
>> gegenwärtige rot-grün subventionierte Gespensterdebatte über eine
>> "Repolitisierung der Kunst".
>
> ich würde es so hart nicht mehr formulieren. Es stimmt zwar, dass 
> kunst  dazu tendiert, sich themen "dekorativ" anzueignen. aber es geht 
> auch anders.
>
> > Man muß hier differenzieren
>> zwischen dem Diskurs und den Institutionen der Kunst einerseits, sowie
>> der Kunst, die außerhalb des institutionellen Betriebs praktiziert und
>> als solche wahrgenommen wird.
>
> aber dann müsste diese Kunst auf ihr "ausserhalb" achten, und sich 
> nicht umstandslos dem alten betrieb und seinen regeln andienen.
>
> > Daß ihr Betrieb in einer Periode von ca. 1965 bis ca. 1985
>> zeitgenössische künstlerische Tendenzen halbwegs zu rezipieren und
>> integrieren vermochte, ist das eigentliche Wunder.
>
> du meinst: kulturelle, technische, gesellschaftliche Tendenzen. Dann 
> sehe ich es ziemlich genau so.
>
> Stefan
>
>
>> -F
>
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