[rohrpost] Flashback: reboot
Till Nikolaus von Heiseler
Till_N_v_Heiseler at web.de
Don Feb 17 15:56:51 CET 2005
> Am Donnerstag, 10. Februar 2005 um 18:05:58 Uhr (+0100) schrieb Till
> Nikolaus von Heiseler:
>
> > Das Überhörte, so meint man, ist das, was keine Repräsentation hat,
> > das deleuzianische Minoritäre, das, was gesellschaftlich abgewertet
> > oder gar nicht erst in Betracht gezogen wird.
Originaltext:
http://www.neue-methode.de/in-klo-sion/html/Das%20Ueberhoerte.pdf
Florian Cramer <cantsin at zedat.fu-berlin.de> schrieb am 12.02.05 14:37:54:
> Ein Problem dieses Konzepts wurde hier einmal vor längerer Zeit
> diskutiert, daß nämlich "Minderheit" zu sein für sich keinen Wert
> darstellt.
>
Davon war überhaupt nicht die Rede. Die Rede war davon, dass auch das
Minoritäre (www.wmg-seminar.de/minoritaer) kein "Ding an und für sich"
ist, sondern sich auch aus Kategorien herleitet, die als Kategorie
notwendigerweise einer gewissen Gewaltsamkeit bedürfen, weil sie in
ihrer Anwendung immer auch etwas anderes verdecken; dass also die
Minorität, wenn sie zum Begriff, zur Kategorie erstarrt (wir Schwulen,
wir Schwarzen, wir Frauen, wir Medienaktivisten etc.) immer schon etwas
hinter sich hat, und eine kleine Majorität bildet und vielleicht die Regel von
Morgen wird. Es ging um die epistemologische Frage nach der Relation des
Begriffs Minorität und der Organisationsleistung, der es Bedarf, etwas in
den Status der Minorität zu heben, in den Status der sozialen Kenntnisnahme,
in den Status der Problematisierung der Annerkennung oder der
Herrschaftsverhältnisse, die in der Unterscheidung von Minorität/Institution
oder Minorität/Regel oder Minorität/Spitze impliziert sind. Es ging um die Frage,
inwieweit diese emanzipatorischen Bewegungen selbst diskriminieren, indem
sie eine Grenze ziehen, indem sie eine Kategorie, einen Begriff bilden, um
diesen gegen die Herrschaftsstrukturen und Repräsentation der Spitze
und der Regel ins Feld zu führen und damit eine Schärfe verwenden
müssen, die nach oben gemeint ist, aber auch nach unten hin wirkt. (Oben
und Unten wird hier gedacht vor dem Hintergrund der Vorstellung, dass die
Spitze das Ganze verkörpert, damit verweist die Metapher des Höher und
Tiefer auf kein formales A priori, sondern ist historisch. {Das Oben zeichnet
sich vor allem durch Sichtbarkeit aus, deshalb ist Emanzipation immer auch
ein epistemologisches Problem. =>
http://coredump.buug.de/pipermail/rohrpost/2005-January/007768.html}).
Es ging aber auch darum, die Parallelität zweier Fluchtlinien aufzuzeigen oder
zu befragen: die der Grammatik/Theorie und die der gesellschaftlichen Struktur.
Auf der einen Seite herrschen die Begriffe, Spitzen, die in Anspruch nehmen,
das Ganze zu repräsentieren, auf der anderen Seite die gesellschaftliche
Idealgröße (Majorität). Es könnte nun aber auch darum gehen, dass Majorität
und ihr Gegensatz (das Minoritäre und das, was nicht einmal minoritär ist)
nicht mehr Gruppen oder Personen zuzurechnen wären, sondern zentrumlos
gedacht wird als jeweilige Anschlussfähigkeit (von Aussagen beispielsweise).
Anschlussfähigkeit versus Nicht-Anschlussfähigkeit meint den Unterschied
zwischen Einschluss und Ausschluss auf der Ebene der Operativität der
Letztelemente. Es könnte darum gehen, das Minoritäre in jedem Sprechakt
zu beschreiben, nicht darum, sich als das Andere zu labeln, sondern zu
fragen, was lässt sich nicht labeln, was ist nicht minder präsentiert, sondern
unpräsentierbar?
Es ging darum, auszumachen, inwiefern Emanzipation und Epistemologie
BEWEGUNGEN sind, die parallel verlaufen. Und es ging darum, dass das
Nicht-Repräsentierbare nur operativ zu erreichen ist durch die Organisation
von Verschiebung, durch aleatorisch-operative Techniken, durch
performatives Vorgehen und es ging darum, eine Praxis zu begründen
und zu beginnen.
Das alles soll aber nicht heißen, dass minoritäre Bewegungen, also
Bewegungen, die für ihr Anders-Sein zu recht Anerkennung verlangen,
das gleiche sind wie der Mainstream. Hier allerdings trennt sich der Weg
des epistemologischen Künstlers/Forschers und des politischen Aktivisten.
Was würde es also bedeuten, Emanzipation und Epistemologie als
Parallelbewegung zu lesen?
War der Text wirklich so unverständlich oder hast du, lieber Florian, ihn am
Ende gar nicht zu Ende gelesen?
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