[rohrpost] kunst

Janus von Abaton jv-abaton at gmx.net
Fre Feb 18 21:34:49 CET 2005


> Künstler sein, würde heißen, aus der Umarmung 
> der Kuratoren und Veranstalter herauszutreten und seinerseits 
> die Aussteller auszustellen und die Umarmung der Kuratoren und 
> Veranstalter zu umarmen. 
> 
> http://www.negative-sensualisten.de/best-of-transmediale04/
> 
> Das Beste 05 war das Beste 04!
> Oder: Das Beste 05 war “The Best of 04”!
> Oder?
> 

Wow!
da hat ja das abatonianische Heidenreich-Posting eine den Berg
hinunterkrachende Tipp-Lawine ausgelöst! Nette Suggestivfrage: Warum wird
jeder anbegabte Rohrpostler zum Experten? 

Was sagt eigentlich Stefan zum Ontologie-Vorwurf? Oder ist das
Nietzsche-Wort zu einschüchternd und gewaltig, als dass man sich als
Flip-Floper trauen würde, den Mund zu öffnen? 

Vorschlagen würde ich nun der Liste, kleinere aber essbar-schmackhaftere
Brötchen zu backen und das Kunst-Bla umzubiegen auf ein Transmediale-Bla
(anschließend an die mail von Matthias Weiss). Also von der metaphysischen
Frage, Wat is Kunscht? zu  => Was wollen wir sehen?

Lasst uns die Planung beginnen, denn: Nach der Transmediale ist vor der
Transmediale.
Sind grad schon mal dabei, das Thema für die Transmediale 06 zu suchen. 
Und der erste Vorschlag ist: 

ERZIEHUNG - / education 

(Vorschlag aus den Niederungen und Niedrigkeiten der jANUS-Seele nach langen
schmerzhaften Selbstdiskursen.)

Könnte dann ja auch eine Ecke für Schwererziehbare geben! 
Oder macht das dann die Anti-Transmediale?

Und was interessiert uns noch so?
Wie wurde das Beste zum Besten? 
Hier ein Auszug aus der Begründung von Andreas Broeckmann: 

Das Beste der Transmediale 04 - ein Cross-over and out?  
(Vortragsmanuskript, transmediale 05, gehalten am 06.02.05, 18:00) 
Ich will im Folgendem versuchen, darzulegen, wie das „Best of transmediale
04“ zum Besten der Transmediale 05 wurde. Vermeiden möchte ich, Sie zu
bevormunden und ihnen eine Vorabbewertung zu geben. Deshalb werde ich nichts
sagen über das Werk selbst, sondern einen Bogen ziehen von der Bedeutung des
Bildbegriffs, über den Sinn oder Unsinn des Begriffs 'Bildkultur' und über
die Möglichkeit einer Bildwissenschaft. Nur einige Beispiele: in einer neuen
Mailingliste diskutieren seit dem Frühling deutschsprachige Kunst- und
KulturwissenschaftlerInnen über den Begriff des Bildes und über Ansätze zu
einer Bildwissenschaft; in den Niederlanden gibt es eine aktuelle Debatte
über den Begriff Bildkultur und die Möglichkeit, sie in einer Institution,
einem 'Zentrum für Bildkultur', zu repräsentieren und zu entwickeln; eine
aktuelle Ausstellung im Deutschen Historischen Museum über Porträts der
Weimarer Republik heißt im Untertitel 'Menschenbild und Bildkultur'; der
Münchner Fink Verlag publiziert eine Reihe von Büchern mit Titeln wie
'Theorie des Bildes', 'Bild - Medium - Kunst', oder 'Der zweite Blick.
Bildgeschichte und Bildreflexion'. 
Das titelgebende 'Cross-over' ist ein beinah schon wieder sinnentleerter
Begriff des beschleunigten Kunstdiskurses und verweist auf die weit
verbreitete Multimedialität und Interdisziplinarität heutiger Kunstpraxis.
Architektur, Videoinstallation, soziale Praxis, Zeichnung, ein gemeinsames
Essen, Pornografie, Schnittbogen und Clubabende - jede denkbare Kombination
wird erprobt auf der Suche nach einer sinnstiftenden Geste, die nicht mehr
ganz aber doch noch so gerade Kunst ist. Was mich hier interessiert ist das
Aufeinandertreffen von zwei Krisen: einer neuerlichen Krise künstlerischer
Praxis, und der andauernden, spätmodernen Krise des Bildes. Beide Krisen
bewegen sich, so glaube ich, in einer prekären Distanz zum recht plötzlichen
Auftauchen der digitalen Medien, die in den letzten zehn Jahren für alle
möglichen Bereiche ästhetischer Produktion zunehmend an Bedeutung gewonnen
haben. 
Ich werde mit einer Begriffsbestimmung beginnen und dann kurz einige
Charakteristika der Gegenwartskultur schildern - die meines Erachtens nicht
in erster Linie eine 'Bildkultur' ist. Danach beschreibe ich einige
künstlerische Praktiken, die sich das Cross-over nicht als modische Geste,
sondern als ästhetisches Prinzip zueigen gemacht haben. Das alles soll
eigentlich nicht mehr als 40 Minuten dauern. Was nach diesen 40 Minuten noch
vom Bildbegriff bleibt, werden wir sehen, und können wir am Ende auch gern
diskutieren - nicht zuletzt dafür sind wir hier. 
2. Von welchem Bildbegriff wollen wir ausgehen? Wenn man in Nachschlagewerke
wie das Grimmsche Wörterbuch oder das Historische Wörterbuch der Philosophie
sieht, so stellt man schnell fest, daß es eine lange und uneinheitliche
Behandlungen des Bildbegriffs gibt. In der europäischen Kultur geht das von
alttestamentarischen Abbilddiskussionen über Thomas von Aquin, die
Bilderstürmer, Reformation und Gegenreformation, bis hin zur Moderne mit
ihrem autonomen Kunstbegriff und, beispielsweise, den Gesten von Duchamp und
Warhol. Mal ist Bild eng assoziiert mit dem Abbild Gottes, dann ist es vom
Menschen hergestelltes Porträt, und dann wieder reine Idee und
Vorstellungsbild. Ich verkürze das hier absichtlich, da es mir in diesem
ersten Schritt vor allem darum geht zu vermitteln, daß es zahlreiche, oft
widersprüchlich Bildbegriffe gibt, die bis heute in Diskussionen
mitschwingen und zu ebenso zahlreichen Mißverständnissen führen. 
Was sich jedoch aus meiner Sicht als dominante Auffassung hält, ist die aus
hermeneutischer Tradition stammende Vorstellung vom Bild als eines Objekts
der Wahrnehmung, das sich dem menschlichen Blick darbietet und über seine
reine materielle Gegebenheit hinaus Sinn vermittelt. Gottfried Boehm spricht
vom Zusammenspiel der grenzsetzenden und die Materialität fixierenden Arbeit
des Künstlers mit der Arbeit des Blicks, die gemeinsam das Bild
hervorbringen. Bild bleibt hier ein sein eigenes Medium übersteigendes
Wahrnehmungsobjekt, Zitat, "als dessen minimales Definiens wir die
gleichzeitige Wahrnehmbarkeit von Darstellungsebene und Dargestelltem, von
medialer Prämisse und ikonischer Formung nennen können." (Boehm in
Spielmann/Winter 1999, S.173) Der Blick ist hiernach nicht nur die Form der
Aneignung, sondern letztlich auch die eigentliche Bedingung des Bildes. Hans
Belting schreibt, Zitat: " Ohne unseren Blick (ohne unser Bewußtsein) wären
die Bilder etwas anderes oder gar nichts. Zwar empfangen wir Bilder der Welt
oder solche im sozialen Raum von außen, aber wir machen sie zu unseren
eigenen Bildern, sowohl im kollektiven wie im persönlichen Sinne." (Belting
in Belting/Kamper 2000, S.7) 
Ich halte diese Definition, die Kopplung von Blick und Bild, für sinnvoll,
nicht zuletzt, weil sie eine mehr oder weniger deutliche Markierung des
Bildbegriffs möglich macht. Interessanterweise könnte sich die Kulturkritik
unter dieser Prämisse von dem Lamento über die angebliche Flut der Bilder
dem Zwillingsphänomen zuwenden, nämlich dem Strömen der Blicke. Die
Generation der, sagen wir, unter 25-Jährigen ist ganz selbstverständlich mit
zehn und mehr Fernsehprogrammen aufgewachsen und mit den rasanten
Tunnelfahrten der Computerspiele. Diese Generation bestimmt in zunehmendem
Maße die Gegenwartskultur und entwirft neue ästhetische Muster. Sie hat
vielleicht Schwierigkeiten mit der Langsamkeit der Gemälde, aber das
genußvolle und erkenntnisbildende Strömen und Treiben der Blicke ist ihr
schwerlich vorzuwerfen. 
Freilich stellt sich in dieser neuen, beschleunigten Ökonomie der Blicke die
Frage nach der gesellschaftlichen Bedeutung der Bildproduktion. Der
Rotterdamer Philosoph Henk Oosterling betont in diesem Zusammenhang die
Kraft der Bilder, kollektive Verlangen einzufangen und Sinn zu stiften.
Oosterling fügt die entschieden politische Frage an, wie es heute noch zu
Bildern kommen kann, die ein solches kollektives Verlangen zum Ausdruck
bringen. - Allerdings halte ich es für zweifelhaft, ob diese Frage überhaupt
noch eine Resonanz hat angesichts der gegenwärtigen ästhetischen Produktion.
Die Frage nach dem Politikum der Bilder müßte dann auf ganz andere Weise,
möglicherweise viel strategischer gestellt werden. 
3. Schauen wir uns jetzt die ästhetische Produktion unserer Zeit etwas
genauer an. Anfang der Woche war ich bei einem Freund zu Besuch, dessen
Treppenhaus an der Schönhauser Allee in den ersten beiden Etagen von oben
bis unten mit Tags und Graffiti übersät ist. Ab der zweiten Treppe wird es
dünner, und man kann sich vorstellen, wie die Jugendlichen unten klingeln,
ins Haus laufen, eine freie Stelle suchen, ihr Zeichen setzen, und dann
schnell wieder verschwinden. Wenn man diese Wände abnehmen würde und in
einen Galerieraum platzierte, käme eine Mischung zwischen Pollock und
Basquiat heraus, aber wir wissen alle, daß die meisten dieser Wände bleiben
werden, wo sie sind, und entweder sie werden zum Leidwesen der Zeichner
übermalt, oder sie bleiben zum Leidwesen der Bewohner wie sie sind. 
Ich möchte diese Tags im Treppenhaus als Beispiel nehmen für die
Grenzenlosigkeit unserer visuellen Umgebungen. Was Leute wie Boehm und
Belting wirkliche Bilder nennen, tritt zurück zugunsten von heterogenen,
fraktalen und grenzenlosen Wahrnehmungserfahrungen. Denken Sie an die
vorbeifliegenden Bilder in Oliver Whiteheads Video 'Mind's Eye' (1999), oder
an eine simple Suche im World Wide Web, bei der Sie mit all diesen Bildern,
Bannern, Buttons und Frames konfrontiert werden. Stellen Sie sich die
Bild-Erfahrung vor, die Sie haben, wenn Sie einen ganzen Abend vor dem
Fernseher sitzen, zappend von einem Kanal zum anderen, bis weit nach
Mitternacht. Oder denken Sie an die fließenden Übergänge von Postern,
Flyern, Websites, Magazinen, Clubevents, CDs, MP3-Dateien. Hier in Berlin
hängen im Moment knallig orange-gelbe Poster für Schillers 'Ein schöner
Tag', und ich musste dreimal hinsehen bis mir klar wurde, dass das kein
schlaues Plakat für die Aufführung eines obskuren Stückes von Friedrich
Schiller war, sondern ein 08/15-Design für die Ankündigung einer neuen
Platte der Popgruppe gleichen Namens. 
Bei einer Diskussion in Amsterdam über das erwähnte Zentrum für Bildkultur -
das übrigens wahrscheinlich ein Hirngespinst bleiben wird - meldeten sich
als mögliche Anwärter nicht nur Foto-, Film- und Medienkunsteinrichtungen zu
Wort. Als Träger von Bildkultur wollten sich auch andere verstanden wissen:
Fernsehmacher, Visuelle Anthropologen, Webdesigner, Modemacher, Architekten,
Jugendkultur-Manager, kommerzielle Bildverwerter, Cineasten. Die Liste läßt
sich leicht fortsetzen. Entscheidend war, daß der Begriff Bildkultur bewusst
und gezielt über die traditionelle mediale Bilderproduktion hinaus erweitert
wurde, in dieser Erweiterung aber völlig beliebig wurde und sich zu einem
Gesamtkulturbegriff wandelte, der nun gerade nicht mehr sinnvoll auf die
Kategorie Bild zu reduzieren ist. 
Diese medialen und kulturellen Verschleifungen beruhen nicht zuletzt auf
einer technischen Entwicklung. Die Übergänge zwischen den verschiedenen
Medien, zwischen Text, 2-D und 3-D Grafik, Video und Klang, sowie zwischen
verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, werden unter der Bedingung von
digitaler Software geschmeidig bis zur Unkenntlichkeit. 
Das Bild im strengeren Sinne ist, wie eben beschrieben, charakterisiert
durch räumliche Begrenztheit, mediale Fixierung und zeitliche Permanenz. Den
Gegenentwurf hierzu bietet die ästhetische Produktion mit digitalen Medien,
in der Nicht-Lokalität, Zeitfluß und Intermedialität zu unausweichlichen
Faktoren werden. Was wir auf dem Bildschirm sehen ist ein Flackern, die
zeitweilige Visualisierung eines numerischen Codes in kontinuierlicher
algorithmischer Permutation. 
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang zwei Aspekte hervorheben, die die
künstlerische Arbeit mit digitalen Medien entscheidend beeinflußt haben,
nämlich die Rolle der Zeit und die Verschiebung vom Bildobjekt zum
Interface, zur interaktiven Schnittstelle. Schon 1987 beschreibt Peter
Weibel diese Transformation des künstlerischen Gestaltungsraumes: "Das
elektronische Bild ist [...] per se beschleunigtes Bild, weil es als Produkt
von Tele-Tachyonik, Techno-Zeit und Techno-Raum zwangsläufig polychronische
Zeit und polytopischen Raum kennt. Da wir aber wissen, daß der Techno-Raum
ein temporalisierter Raum ist, wird die Zeit zum hauptsächlichen
Gestaltungsmoment." (Weibel 1987, p.119) Wie die Musik ist die digitale
Kunst eine Zeitkunst, die sich der anschauenden Festlegung unablässig
entzieht. Sie ermöglicht die Koppelung unterschiedlicher Medien und
verschiedener aktiver und passiver Teilnehmer in partizipatorischen und
interaktiven Anlagen. 
Der französische Medientheoretiker Edmond Couchot spricht davon, daß Bild,
Subjekt und Objekt, die vorher streng voneinander zu scheiden waren, in
derartigen interaktiven Anlagen miteinander verschaltet werden, daß sie
einander "absorbieren und hybridieren, mit anderen Worten: kommutieren.
[...] Es sind aus der Reihe tanzende, enthierarchisierte Entitäten, die
einander entfließen, ihre Identitäten verquicken, sich wechselseitig
durchdringen und anstecken." (Couchot in Spielmann/Winter 1999, S.79) Die
neue ästhetische Produktion entwirft laut Couchot eine
'Schnittstellen-Subjektivität' (S.82), das heißt ein Handeln, Kommunizieren
und Interagieren an den heterogenen Berührungspunkten und -flächen zwischen
unterschiedlichen medialen, technologischen und sozialen Systemen. 
Diese Analyse, und die vorangegangenen Bemerkungen, sollten deutlich gemacht
haben, wie eingeschränkt eine sogenannte 'Bild-Wissenschaft' agieren könnte.
Der Rückzug in die Bastion einer 'Bild-Wissenschaft' würde bedeuten, den
ästhetischen Diskurses über die künstlerischen Praktiken der Gegenwart zu
kappen. Stattdessen braucht es vielleicht eine Schnittstellenkunde, eine
Wissenschaft vom Zwischen. 
4. Lassen Sie mich kurz einige der künstlerischen Praktiken erwähnen, die
ich hier meine. Obwohl auch eine Reihe von Arbeiten in der Ausstellung
'Criss/Cross(over)' sich mit dem Phänomen und der Funktion der Schnittstelle
befassen - ich denke hierbei zu allererst an die Arbeiten von Christine
Meierhofer und Jozef Legrand - möchte ich gern auf einige Künstler und
Projekte hinweisen, die exemplarisch sind für die gegenwärtige intermediale
und interdisziplinäre Produktion. Ich konzentriere mich auf drei Beispiele,
nämlich Perry Hoberman, Marko Peljhan und Knowbotic Research, obwohl hier
auch eine Fülle anderer Positionen erwähnt werden könnte, wie zum Beispiel
Ulrike und David Gabriel, die Sensorband, Herwig Weiser, Marnix de Nijs,
Debra Solomon, Seiko Mikami, und viele andere. 
Der New Yorker Perry Hoberman entwirft interaktive Szenarios für möglichst
viele engagierte Benutzer, oder besser: Mitspieler, die in der Interaktion
sowohl ihren Spaß haben, als auch die Erfahrung der kreativen
Unberechenbarkeit von Maschinen und Menschen machen sollen. In der Arbeit
System Maintenance zum Beispiel wird derselbe, mit Möbeln bestückte Raum
dreimal dargestellt: einmal in Lebensgröße, dann als verkleinertes
Puppenstubenmodell, und schließlich als Computermodell. Bilder von allen
drei Räumen werden gleichzeitig auf eine einzige Leinwand projeziert, und
die Ausstellungsbesucher sind herausgefordert, die Position der Möbel in den
drei Räumen zu koordinieren, oder aber solche Versuche der anderen zu
vereiteln. In der Projektion entsteht eine irritierende Unschärfe, Hände im
Puppenstubenmodell greifen nach Stühlen, auf denen im lebensgrossen Raum
gerade Besucher sitzen. Diese und andere Arbeiten von Hoberman bieten
möglichst offene und spielerische Handlungsfelder, die vielfältige, manchmal
unübersichtliche, bisweilen irrationale Bild- und Klangeffekte auslösen. 
Der slowenische Künstler Marko Peljhan, dessen Makrolab bei der letzten
documenta außerhalb von Kassel platziert war, untersucht in seinen Projekten
zusammen mit verschiedenen Teams die weltweiten Telekommunikationssysteme,
vor allem im Bereich Satellitentechnik und Hochfrequenz-Radio. Das Makrolab
ist eine mobile, 16 Meter lange, röhrenartige Forschungsstation auf Stelzen,
die durch eine doppelwandige Hülle sowohl bei großer Hitze als auch bei
Kälte betrieben werden kann. Im Innern befindet sich eine Menge Technik zum
Anzapfen von Radio- und Satellitenkommunikation, außen sind Antennen und
Satellitenschüsseln angebracht. In Peljhans Arbeit verschmelzen
technologische Forschung, eine subversive Faszination für Militärtechnik und
die ideologische Auseinandersetzung mit den machtpolitischen Dimensionen
globaler Kommunikation zu einer dezidiert ästhetischen Praxis. Diese will zu
einer aktiven und kritischen Auseinandersetzung mit dem technischen
Instrumentarium anregen, das jeden Telefon- und Computernutzer heute
selbstverständlich umgibt, ohne daß die Handlungspotentiale dieses medialen
Waffenarsenals auch nur annähernd ausgeschöpft würden. Pelhjans Ziel ist es,
sich diese Handlungspotentiale anzueignen und zu vermitteln - eine
aufklärerische Strategie, die im besten Sinne in der Tradition der
konstruktivistischen Avantgarde steht. 
Die Projekte der Gruppe Knowbotic Research beschäftigen sich mit den
Bedingungen und den Möglichkeiten des Handelns in vernetzten Systemen.
Arbeiten wie Dialogue With The Knowbotic South, Anonymous Muttering oder
IO_dencies verknüpfen Netzwerkumgebungen mit physischen Räumen. Sie
entwerfen Schnittstellen und Erfahrungsräume, in denen das Handeln von
einzelnen, von Gruppen, und Eingriffe der technischen Systeme miteinander
verkoppelt werden. Bei Anonymous Muttering von 1996 gab es eine sehr
intensive Licht- und Klanginstallation mit Stroboskoplichtern und lautem,
fragmentiertem Klang. Die Musik von DJ-Events wurde über einen Radiosender
zum Ort der Installation übertragen, digitalisiert, von einem Computer in
kleine, granulare Einheiten zerhackt, und nach Zufallsparametern wieder zu
einer 'verfilzten' Klangfläche zusammengesetzt. In der Installation befanden
sich ungefähr Din A3-große Silikonmembranen, die mit eingelassenen Sensoren
versehen waren. Durch Verbiegen, Drehen und Falten der Membran wurde der
Datendurchfluss durch die Sensoren moduliert, und so der Klangfilz ebenfalls
manipuliert. Ein ähnliches, netzartiges Interface befand sich auch auf dem
Website des Projektes, sodass auch Internetbenutzer in Echtzeit an der
Bearbeitung desselben Klangereignisses teilnehmen konnten. Das Resultat war
über das Netz mit Hilfe von RealAudio-Software, in der Installation über die
Lautsprecheranlage unmittelbar zu verfolgen. - Die Projekte von Knowbotic
Research suchen nach reibungsintensiven Schnittstellen zu den Problemen der
informatisierten und vernetzten Gesellschaft. 
Schließlich möchte ich noch auf die Arbeit vernetzter Gruppen wie die um die
Xchange Mailingliste hinweisen, einer vernetzten Gemeinschaft von
KünstlerInnen und AktivistInnen, die sich vor allem mit dem Internet als
Raum für Klang- und Musikexperimente beschäftigen. In der Kooperation der
Xchange Liste vermischen sich Online- und Offline-Aktivitäten: vernetzte
Kommunikation und translokale Experimente wechseln sich ab mit Treffen und
Live-Auftritten, Workshops und Publikationen gehören zu dieser Arbeit ebenso
wie die kleinen, für E-Mail typischen Ankündigungen und privaten
Mitteilungen. 
All diese unterschiedlichen künstlerischen Praktiken sind charakterisiert
durch eine entschiedene Öffnung hin auf Interaktion, Partizipation und
Translokalität. Auch der Aspekt des Maschinismus, d.h. der Einbeziehung
nicht-kontrollierbarer systemischer Effekte, spielt in wechselndem Maße eine
Rolle. Diese Form künstlerischen Arbeitens verlangt, da hier der Bildbegriff
nicht mehr greift, eine affirmative Neubestimmung der ästhetischen
Zentralkategorien. Es geht nicht länger um das Schaffen von Objekten,
sondern um das Gestalten von Prozessen. Der Aspekt der Darstellung tritt
zurück hinter den der Kommunikation, die die Zusammenarbeit ermöglicht. Und
wichtiger als die Wahrnehmungsmodelle werden, in zunehmendem Maße,
Handlungsmodelle. 
Wir beobachten also einen Übergang 
von Repräsentation zur Kommunikation;
von Objekt und Werk zu Prozeß und Arbeit;
von Wahrnehmen zu Handeln;
von Intentionalität zum Maschinismus. 
Es braucht eine ästhetische Reflexion, die nicht gründet auf dem Festlegen
und Darstellen einer intentionalen Bedeutung, sondern auf dem permutierende
Kopplungen von Bedeutungen und auf der Untrennbarkeit von Rezeption und
aktiver Teilnahme. Dabei geht es nicht allein um die Vermittlung von Sinn,
sondern um die Artikulation kultureller Potentiale, ob auf gestalterischem
oder politischem Gebiet. Nur als Stichwort möchte ich hier den Begriff
Postmedia oder auch 'minor media' fallen lassen, der auf eine aktive Haltung
gegenüber den diversifizierenden Möglichkeiten digitaler Medien verweist.
Nach Howard Slater werden Postmedia durch kleine, vielfältige, verteilte
Netzwerke von Operatoren charakterisiert, die sich der neuen, digitalen
Produktions- und Distributionsmittel bedienen. Postmediale Praxis entsteht
aus den vernetzten Praktiken leidenschaftlicher Individuen und Gruppen, die
in lokalen und translokalen Kontexten arbeiten und dabei Medien verwenden
wie Magazine, Plattenlabels, CD-Roms, Websites, Clubevents, Mailinglisten,
usw. Differenzen werden in diesen Netzwerken nicht negiert, sondern
ausgelebt. Postmediale Praxis wird bestimmt durch eine kritische Haltung
gegenüber den verwendeten Medien, sie handelt eher in horizontalen als in
vertikalen Konfigurationen und akzeptiert die Prozessualität und
kontinuierliche Transformation von Kontext und Praxis. 
Ich denke, daß es einer ästhetischen Theorie bedarf, die Kommunikation,
Partizipation, Interaktion und Prozeß nicht als sublimierende Additive einer
eigentlichen Bildkunst begreift, sondern die diese Begriffe ins Zentrum
stellt und in ihrer ästhetischen Wirkmächtigkeit ernst nimmt. Hierzu bedarf
es einer medienkompetenten Kunsttheorie, Foren des öffentlichen Diskurses
und der offenen Teilnahme an kooperativen und translokalen Projekten, und
eines forcierten Ausbaus der technisch-künstlerischen Kompetenz, die diese
Entwicklung möglich machen wird. 
5. Lassen Sie mich zum Schluß nochmal in aller Deutlichkeit betonen, daß es
mir nicht um eine grundsätzliche Verabschiedung des Bildbegriffs oder gar
'des Bildes' geht, das wäre Unsinn. Es gibt einen ungebrochenen Bedarf an
Bildern, ob das für Bürowände ist oder für Hausaltäre, für Galerien oder
Werbeplakate. Wir wollen diese Bilder sehen, wir suchen diese Aggregate
ikonischer Bedeutung. Ich möchte zum Beispiel die Bilder von Regine
Spangenthal erwähnen, eine Künstlerin, die in ihrem Atelier in Treptow
großformatige Acrylbilder malt, auf denen Spangenthal mit den visuellen
Effekten digitaler Bildbearbeitung spielt. Was wir von der Videotechnik her
kennen - das Kippen zwischen Positiv und Negativ, das Ausfallen von
einzelnen Bildzeilen, Bildsegmente, die sich gegeneinander verschieben, die
Auflösung des Bildes in Pixelstrukturen beim Zoom auf die
Bildschirmoberfläche -, solche Effekte erfahren in den Gemälden eine
ästhetische Brechung, die nur durch die mediale Übersetzung und die extreme
Verlangsamung mit Farbe auf Leinwand zu erreichen ist. Die Möglichkeit des
Innehaltens und der Kontemplation verschafft ein Sehvergnügen und ein
Reflexionsangebot, deren besondere Qualität solche Bilder wohl kaum
verschwinden lassen wird. Was mir allerdings wichtig ist, ist daß eine
ästhetische Theorie, die nur solche Phänomene zu fassen weiß, die sich in
dieser Konzentration, Langsamkeit und Sublimation darbieten, - daß eine
solche ästhetische Theorie ihren Auftrag nicht erfüllt. 
Die müßte sich zumindest schon einmal mit den maschinischen Bildgestaltungen
des Künstlerpaares JODI beschäftigen, oder mit den ironischen Gesten von Vuk
Cosic in Projekten wie 'Art for Airports', 'ASCII History of the Moving
Image', und 'ASCII History of Art for the Blind'. Dies sind die Gummistopfen
im Aquarium der Bildkultur. Pflegen Sie sie! 
Was also bleibt vom Bildbegriff nach dem medialen Cross-over? Cross-over and
out? Die Medienarchäologie von Siegfried Zielinski und die
medientheoretischen Bemühungen von Hans Ulrich Reck halten in gewisser Weise
fest an einem emphatischen Bildbegriff, beziehen diesen aber ein in eine
erweiterte Theorie der Medien der Künste, um die Medialität von Kunst dem
Mythos ihrer reinen Bildhaftigkeit gegenüber zu stellen. 
Ich plädiere dafür, das Bild nicht länger als Angelpunkt ästhetischer
Reflexion zu setzen, sondern es einzuordnen als eines der vielfältigen
künstlerischen Medien und Strategien. Wir brauchen eine gutinformierte
Kritik der Medienkunst und eine kritische Reflexion der Produktions-,
Partizipations- und Rezeptionsbedingungen von medialer Praxis. Es bedarf
einer Kritik des Blicks, einer Kritik der Wahrnehmung und einer Kritik der
Aufmerksamkeit - allerdings eine, die diese Aufmerksamkeit nicht zu
vermarkten versucht, von Klick zu Klick, sondern die sich auch der
Verlangsamung, der Monomanie und der abseitigen Neigungen verschreibt. 
Ich hatte begonnen mit der These, es gebe eine Krise des Bildbegriffs, weil
dessen Absolutheitsanspruch in der fraktalen Gegenwartskultur nicht mehr zu
halten ist. Da wir es selber sind, die unsere Blicke, Ohren und Körper
schweifen lassen, ist es wohl angemessen das Folgende zu bemerken: Sollte
der Bildbegriff in einer Krise sein, dann sind wir diese Krise. Öffnen wir
also die Ohren. 


Literaturhinweise 
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(ed): Philosophien der neuen Technologien. Berlin: Merve, 1989, S. 113-31 
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·	Yvonne Spielmann, Gundolf Winter (eds): Bild - Medium - Kunst. München:
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·	Paul Virilio: Die Sehmaschine. (1988) Berlin: Merve, 1989 
·	Peter Weibel: On the History and Aesthetics of the Digital Image. Cat. Ars
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(ed): Facing the Future. MIT Press, 1999, p.51-65) 
·	Peter Weibel: Die Beschleunigung der Bilder. In der Chronokratie. Bern:
Benteli, 1987 
·	Siegfried Zielinski: Audiovisions. Cinema and television as entr'actes in
history. Amsterdam University Press, 1999 (ext. ed. dt. Audivisionen.
Reinbek 1989) 
Bookmarks 
·	Centrum voor Filosofie en Kunst, Rotterdam -
http://www.eur.nl/fw/cfk/index.html 
·	Vuk Cosic - http://www.vukcosic.org 
·	JODI - http://www.jodi.org 
·	Knowbotic Research + cF - http://io.khm.de 
·	kritische berichte (heft 1/ 2000), beitraege zum thema bildwissenschaft -
http://www.kulturnetz.de/kunst/kritische-berichte 
·	Mailingliste "bilder" -
http://www.hgb-leipzig.de/ARTNINE/bildwissenschaft/index.html 
·	Marko Peljhan - http://www.ljudmila.org/makrolab 
·	Klaus Sachs-Hombach, Klaus Rehkämper (eds.) Buchreihe Bildwissenschaft -
http://isgnw.cs.uni-magdeburg.de/~ksh/homepage.htm 
(Berlin, 21. Juli 2000) 


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