[rohrpost] Re: Stockhausen und das Internet
gösta wellmer
goesta.wellmer at gmx.net
Die Feb 22 20:49:29 CET 2005
>
>Stockhausens Anwendung des Reihenprinzips auf alle Klangparameter, das
>auf Webern zurückgeht, war schlicht der Versuch, die neuen
>Kontrollmöglichkeiten elektronischer Klangerzeugung kompositorisch in
>den Griff zu bekommen, ohne in alte tonale und rhythmische Klischees zu
>fallen.
lieber florian, liebe liste,
robert moogs mitarbeiter herbert deutsch sagte
mal zum einsatz der tastatur am synthesizer:
schönberg sei schließlich auch nicht vom klavier
daran gehindert worden, seine zwölftonmusik zu
entwickeln.
stockhausen war ja eigentlich schon ziemlich spät
dran mit seinen elektronischen kompositionen.
wichtig scheint busonis "Entwurf einer neuen
Ästhetik der Tonkunst" von 1907 (Insel Verlag,
1916) zu sein, welcher unter dem eindruck des
telharmoniums (um 1900) des amerikaners cahill
entstand
(http://www.aufgang.org/koch/homepage/resources/busoni1.asp)
und damit komponisten und konstrukteure wie
varèse und mager inspirierte.
stockhausen arbeitete u.a. im elektronischen
studio köln. schon 1952 gab es von dessen
mitbegründer herbert eimert eine indirekte
polemik gegen das elektronische musikinstrument
der amerikanischen populärkultur: die
hammondorgel, wenn er für eine musik"material
gewordener sprödigkeit" plädierte, die "allem
plüsch" entsage.
interessant ist, das zum inventar des kölner
studios neben labor-oszillatoren aber auch die
"klavierähnlichen" instrumente melochord und
monochord von harald bode gehörten
(http://www.obsolete.com/120_years/machines/melochord/index.html).
eben dieser harald bode war es, nach dem o.g.
link, auch, der die ingenieure robert moog und
donald buchla zu ihren transistorbasierten und
spannungsgesteuerten modularen synthesizern
inspirierte. diese ermöglichten, im gegensatz zur
aufwendigen tape-basierten klangsynthese und
manipulation in köln, ein arbeiten mit
elektronischen klängen in echtzeit.
verschiedenen module zur klanggestaltung und
steuerung ließen sich frei miteinander verbinden
und der klang anschließend über regler, taster,
tastaturen und sequenzer in echtzeit gestalten.
dieses modell des modularen synthesizers (nicht
zu verwechseln mit dem minimoog, an den du
wahrscheinlich gedacht hast, florian) diente wohl
auch als vorbild für das von dir zitierte
programm max, welches sich am monitor ähnlich
organisieren läßt.
die von dir aufgestellten figuren & artefakte für
das spiel pop versus akademie kann man so nicht
ohne weiteres stehen lassen. auch wenn man nun
wieder zwischen buchla, dem akademiker und moog,
dem geschäftsmann polemisieren könnte, ich weiß
nicht ob das wirklich sinn macht. das
telharmonium sollte auch hauptsächlich
kommerziellen und populären zwecken dienen.
eigentlich eine frühe form des pay-tv, aber per
telefon und 200 tonnen zahnradgeneratoren. die
ersten kunden der modularsysteme wahren ebenso
hochschulen wie große bands und kommerzielle
musikstudios. ein markt, der sich inherhalb
weniger jahre erschöpfte.
interessant fänd ich es zu diskutieren, was für
veränderungen die massenhafte verbreitung, der in
den 80ern viel billiger gewordenen,
elektronischen instrumente in der musikalischen
praxis bewirkt hat. ob aus der dezentralen
nutzung neue impulse gekommen sind, die sich eben
nicht komplett von den etablierten größen aus
musik, technik und marketing ableiten lassen.
dazu ein kleiner exkurs über die wichtigsten
instrumente des techno, welche eigentlich einen
gescheiterten versuch darstellten, die neue und
billige microchip-technik an den gitarre
spielenden mann zu bringen.
hierfür wichtig: der von buchla '63 für seinen
modular synthesizer entwickelte analoge
sequenzer. ein gerät das 8 bis 16
drehpotentiometer der reihe nach abgreift und so
eine kurze sequenz von steuerspannungen erzeugt,
welche man nutzen kann, um z.b. eine kurze
melodie zu spielen oder ein anderes modul eines
synthesizers zu steuern.
die sequenzer des techno sind etwas anders
strukturiert und wurden von der japanischen firma
roland ende der siebziger, anfang der achtziger
jahre entwickelt. nach dem diese unter dem namen
boss schon einige rhythmusmaschinen mit festen
rhythmen zur begleitung von orgelspielern
herausgebracht hatte, entwickelte sie nun einen
drumcomputer mir welchem man über 16 taster und
die dazugehörigen LEDs eigene rhythmen
programmieren konnte. die tasten repräsentierten
dabei die 16tel eines 4/4 beats.
anfang der 80er kam das duo aus tr-606 und tb-303
heraus. sie waren aus silbernem plastik, klein
und hatten ein batteriefach. der sequenzer
arbeitete in einem nec-chip, die klangerzeugung
war weiterhin analog. über einen sync-anschluß
konnte man einstarten und tempo sychronisieren.
sie waren für gitaristen bestimmt, die sich ihre
eigene begleitung programmieren sollten. während
der tr-606 drumcomputer nach dem o.g. schema
arbeitete, war der sequenzer des
transistorbass-303 etwas anders aufgebaut. er
besaß nicht etwa einen drehregler für jeden step,
sondern eine mini-pseudo-tastatur und mit dieser
sollten nun nacheinander für die 16 schritte ein
notenwert und anschließend die notenlänge
eingeben werden. dies war, zumal ohne display,
höchst unintuitiv. im manual wird aber sogar per
grafik die parallele zu einem e-bass gezogen! der
oktavumfang des gerätes war an solch einem
orientiert.
das loopen der pattern sollte warscheinlich nur
das programmieren erleichtern, denn eigentlich
ging es darum, diese anschließend im song-modus
zu eben solch einem zu verketten, und mitnichten
darum der repetition zu fröhnen. die
klangparameter waren recht spärlich ausgelegt und
dienten sicher nicht der komplexen synthese,
sondern eher dem klanglichen finetuning des
transistorbasses. die rechnung ging nicht auf. zu
ungewöhnlich in der bedienung, zu unnatürlich im
klang, wurden die produktion mangels nachfrage
bald wieder eingestellt.
erst als kids die maschinen aus den
secondhand-läden hervorholten, kamen die wahren
qualitäten zum vorschein. so zum beispiel, daß
wenn man die pufferbatterie herausnimmt und
anschließend wieder einsetzt, lauter
random-pattern entstanden sind. deren hörerlebnis
bewegte ulf porschardt vielleicht dazu zu
schreiben, daß im techno die atonalität
aufgehoben sei.
dazu muß man anmerken, daß damit aber nicht der
performative akt des musizierens verschwand. er
wurde in das, von tillmann erwähnte, auf- und
zudrehen des filters verlegt.
hier mach ich mal einen punkt.
schöne grüße, gösta
mehr zu moog und seinen instrumenten:
http://www.moogarchives.com/
o.g. harald bode entwickelte, in die usa
emigriert, noch diverse elektronische orgeln und
brachte bei moog einen vocoder heraus.
mehr zur tb-303
http://www.tb-303.org/
ps.
wo findet man denn die "Toilettenspülungen im Weltall"?
hier ein link zum sounddesign von star wars. da
erfährt man, was elefanten mit tie-fightern zu
tun haben ;)
http://www.filmsound.org/starwars/